Teil 22:

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Am Tag darauf, als ich fixfertig hergerichtet war, und ich noch auf der Couch saß und eines der Bücher aus einem der großen Regale durchlas, kam mir Niklaus entgegen, der mit einem Grinsen sagte
"Du bist schon aufgestanden, ich hatte schlimmeres befürchtet, wenn man bedenkt, wie..."
"Ich habe nicht so viel getrunken, wie ihr denkt. Okay? Ich vertrag nur nichts.", unterbrach ich ihn sofort.
Er hob schützend seine Hände und unterstrich seine spitzbübische Gestik mit einem breiten Grinsen.
"Was liest du da?", fragte er und trat ein paar Schritte näher.
"Oh, als lesen würde ich das nicht bezeichnen. Ich verstehe jeder 3. Wort nicht.", beteuerte ich.
Ich blätterte zur ersten Seite zurück, um nach weiteren Angaben zu suchen, von wem das Buch stammte. Allein die Blätter waren schon ziemlich pergamentartig. Aber die Schrift war makellos.

Elijah Mikaelson
Jahr 1778

"Das stammt von Elijah?" , fragte ich mich selbst laut. Natürlich. Deswegen kam mir die saubere Handschrift so bekannt vor.
"Ich wollte nicht in seinen Sachen herumgraben, das tut mir leid. Ich wollte nur...da sind so viele Bücher, deswegen wollte ich meine Zeit nützen, um sie mir etwas anzusehen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass das alles Tagebücher sind."
Ich glaube, er war amüsiert von meinem Beteuern.
"Wir leben schon sehr lange. Erinnerungen sind wichtig. Mit der Zeit vergisst man Dinge, wenn man sie nicht aufschreibt.", sagte Elijah, der gerade den Raum betrat.
Er lächelte.
Ich legte das Buch zur Seite, wie ein ertapptes Kind, das verbotene Süßigkeiten gegessen hatte.
"Ich hab mir über diese Transplantation Gedanken gemacht. Können wir das gleich später erledigen? Ich will das hinter mich bringen, ich bin kein Fan von Operationen."
"Wurdest du schon einmal operiert?", fragte er nach, während er sich zu mir und Klaus gesellte, indem er sich gegenüber von mir auf die Couch setzte.
"Nein, nur eine Wunde musste genäht werden.", erwiderte ich.
"Am Rücken?"
Es war gruselig, was er alles von mir wusste.
"Ja, genau die."
Diese Betäubungsspritze hatte unter meiner Haut wie Feuer gebrannt. Daran würde ich mich immer erinnern.
"Nicht unter Vollnarkose?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Dann ist das Risiko zu hoch, dich so stark unter Narkose zu setzen. Wäre eine örtliche Betäubung eine Option für dich?"
Nein!
"Ja."
"In Ordnung. Ich mach dir zuerst noch Mittagessen, damit du etwas im Magen hast."
"Elijah. Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich kann auch selber kochen."
"Ich lasse euch altes Ehepaar jetzt in Ruhe streiten, bis heute Abend.", meldete sich Niklaus ab und verschwand im nächsten Moment.
Ich wusste, es war keine Option, mit Elijah zu diskutieren. Außerdem hätte ich das auch gar nicht gewollt. Er war einfach niemand, mit dem man nicht gern gleicher Meinung ist.
Er strahlte diese Überzeugung seiner Meinung aus.
"Dann lass mich dir wenigstens helfen.", sagte ich mit schiefgelegtem Kopf.
"In Ordnung."

Später, als wir in der Küche am werkeln waren, und ich eine Karotte schälte, fragte er mich:
"Vermisst du dein Zuhause?"
Nach kurzer Überlegung antwortete ich:
"Noch nicht wirklich, nein. Warum fragst du?"
"Ich möchte nur, dass du dich hier bei uns wohlfühlst. Wir strahlen ja keine perfekte Familiensituation aus."
"Weil ihr auch keine normale Familie seid. Und ich fühle mich wirklich wohl. Nik scheint der große Bruder für mich zu sein, den ich nie hatte."
"Und ich?", erwiderte er als Gegenfrage.
Ich sah ihn überfordert an und schnitt im gleichen Moment mit dem Küchenschäler in meinen Finger.
Ich zischte kurz auf und mein Blick schnellte zu meiner linken Hand.
Aus dem kleinen Schnitt trat heftig Blut aus.
"Oh.", sagte ich mit schmerzverzehrtem Gesicht.
Eine Sekunde später war Elijah mit einem nassen Tuch neben mir, hob mich auf die Arbeitsfläche und sagte
"Könnte ein kleines Bisschen schmerzen."
Ich nickte. Ich vertraute ihm.
Er drückte das Tuch sanft gegen die Wunde und machte gleich einen Druckverband daraus.
Ich versuchte, mich zusammenzureißen, und nicht jedes mal zusammenzuzucken, wenn ein weiterer Schmerz meinen Arm durchzuckte.
" Entschuldige. ", sagte er, als ich erneut zuckte. " Kein Problem. Danke. " Ich lächelte. "Du musst aufpassen. ", sagte er lächelnd.
Ich überdrehte lachend die Augen.
" Passt du denn auch gut auf dich auf? ", fragte ich.
Ich sah, dass er gerührt von der Frage war, sagte dann aber :
"Wieso fragst du mich das?"
Ich überlegte kurz und sein intensiver Blick unterstützte mich nicht beim Nachdenken.
"Vielleicht mache ich mir einfach Sorgen. Du bist so oft weg und draußen sind diese Jäger."
"Du vergisst, dass ich wahrscheinlich das unsterblichste Wesen auf der Erde bin. Mach dir bitte keine Gedanken um mich. "
"Das tue ich. ", ich wurde rot.
Mir fiel die ungewohnte Perspektive auf - ich konnte ihm waagerecht in die Augen sehen. Und trotzdem fühlte ich mich wieder eingeschüchtert.
Er hob mich an der Taille wieder auf den Boden und sagte :
"Wie wäre es, wenn ich das fertig koche und du mir dann beim abkosten hilfst?"
"Okay. " Er lächelte.
Er zog sein Jackett aus und legte es beiseite. Schon nach wenigen Minuten, als er den Teig für das Crêpe anrührte, fragte ich ihn:
"Du lebst schon so lange, was war der schönste Moment in deinem Leben?"
Ich lehnte an einem Schrank von dem aus ich einen guten Blick auf ihn hatte.
"Das ist eine sehr gute Frage."
Er ging zum Herd und tropfte einen Teil des Teigs in die Pfanne.
"Ich weiß nicht, ob es mein schönster Moment war, aber bestimmt der bewegendste."
Es war offensichtlich, dass er alles wieder vor sich sah.
"1349 war die Pest in Paris und ich habe dort versucht, den Menschen zu helfen. Da gab es diesen Jungen, der im sterben lag. Er war vielleicht 6 Jahre alt und als ich bei ihm am Bett saß und nichts mehr für ihn tun konnte, begann er, zu fantasieren. In den letzten Sekunden nannte er mich Père. Das bedeutet Vater auf französisch. "
Er lächelte, aber es sah irgendwie gequält aus. Er stellte die Schüssel ab und ließ den Teig in der Pfanne fst werden.
Ich ging zu ihm und drückte seine Hand.
Er sah zu mir und ich lächelte ihn tröstlich an.

Nachdem das Essen fertig war, setzten wir uns damit zum Tisch und aßen.
"Und deines?", fragte er mich, während ich kaute. Ich schluckte hinunter.
"Mein was?", entgegnete ich.
"Dein schönstes Erlebnis." , meinte er lächelnd.
Ich zog die Augenbrauen hoch.
"Mein Leben ist bei weitem nicht so aufregend wie deines."
"Trotzdem. ", beharrte er darauf.
Ich überlegte lächelnd.
"Als mein Vater noch lebte, da gab es diesen Urlaub an einem See. Ich war noch ziemlich klein und ich erinnere mich daran, wie er mir alles erklärt hat. Jede Pflanze, und jeden Käfer.", ich musste lächeln. "Daran erinnere ich mich oft zurück."
"Das sind schöne Erinnerungen."
"Ja."
Wir lächelten uns an.

Nach dem Essen sagte ich :
"Können wir das jetzt hinter uns bringen?"
"Natürlich. ", sagte er lächelnd.
"Gehen wir ins Ärtztezimmer. Keine Angst, du wirst nichts spüren. "
Ich nickte und wir gingen in ein helles Zimmer mit einem Krankenbett und an der Wand einige Regale voll mit Medikamenten.
"Du kannst dich gerne schon hinlegen, wenn du willst. Ich bin gleich da."
Ich nickte erneut und legte mich auf das Bett. Ich hörte, wie das Papier unter mir zerriss.
Er kam wieder herein in typischer Ärtekluft, mit Ausnahme von dem Mundschutz.
Ich hatte ein Trägertop an, was das ganze operieren noch vereinfachte.
" Damit du dich nicht schreckst- ich ziehe jetzt meinen Mundschutz an, nur damit alles steril ist und damit du dich nicht entzündest."
"Ja, klar."
Ich bemerkte auch seine Handschuhe.
Als er sich umdrehte, war das einzige, was ich mir dachte:
Ach du scheiße sieht der heiß aus.
Das war wahrscheinlich das unpassendste, was man sich denken konnte, aber es war eben so.
"Du bekommst jetzt eine Abdeckung auf deinen Arm." Er legte das Papier mit dem Loch auf meinen linken Oberarm.
"Ich desinfiziere die Stelle jetzt zuerst dreimal mit Alkohol, das betäubt auch ein bisschen, dann schmerzt die Spritze gleich auch weniger."
Mit einerm Wattestück, das in Alkohol getränkt war, betupfte er die Stelle dreimal.
"Okay, ich verabreiche dir jetzt die Spritze, versuch, deinen Arm locker zu lassen und dich zu entspannen. Es ist gleich vorbei."
Er holte die Spritze aus einer der Laden und zog sie mit dem Stoff auf.
Dann kam er wieder zu mir.
"Wenn du willst kannst du wegsehen."
"Neinnein, ich mag es gern, den Überblick zu behalten. "
" Okay."
Er stach mit der Nadel in meinen Oberarm, und anfangs dachte ich noch, dass ich die Spritze gar nicht spüren würde, er stach gut. Aber der Betäubungsstoff an sich brannte unter der Haut wie Feuer.
Ich bin nicht empfindlich, aber ich musste mich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien.
Aber der Schmerz hielt nur kurz an. Dann war er vorbei.
"Alles okay?"
"Ja."
Er lächelte, das dachte ich zumindest, denn ich sah nur seine Augen.
"Ich werde jetzt einen kleinen Schnitt in die Haut machen und die kleine Titankugel einsetzen. Im inneren der Kugel ist Eisenkrautpulver, das dich vor Vampirmanipulationen schützt ...und dich auch von der emotionalen Bindung zu mir, die durch die Handberührung hervorgerufen wurde, befreit."
Ich verstand und nickte wieder.
Er nahm ein kleines Skalpell von einer sterilen Platte und sagte:
"Du kannst gern zusehen, aber es wird etwas bluten, also erschreck dich nicht. Und bitte versuch, dich nicht zu bewegen. Das ist sehr wichtig. Du wirst aufgrund der Betäubung nichts spüren, keine Sorge."
"Okay."
Er legte das Messer an meiner Haut an und ohne viel Druck schnitt er wie durch Butter in meine Haut. Sofort trat etwas Blut aus der Wunde. Aber es tat nicht weh. Ich spürte nicht einmal ein Kribbeln.
Mit einer Pinzette setzte er die unscheinbare Kugel in die Haut.
"Damit du keine Narbe davonträgst, habe ich dir hier ein bisschen von meinem Blut abgefüllt, das du trinken kannst, wenn du willst. Die Wunde wird sofort heilen und du wirst nichts mehr davon sehen."
"Ja, okay, gerne. "
Er hielt mir ein kleines Fläschchen mit roter Flüssigkeit entgegen. Ich nahm es in die Hand und zögerte kurz, bevor ich es vorsichtig kostete. Es schmecke einfach nach Blut. Ich kippte alles auf einen Schluck hinunter und gab Elijah das Fläschchen zurück.
Gebannt starrte ich auf die Wunde, die sofort zu heilen begann. Man konnte förmlich beobachten,wie die einzelnen Hautschichten wieder zusammenwuchsen und man schließlich nichts mehr von dem Schnitt erkennen konnte.
Elijah nahm die Abdeckung herunter und wischte mit einem nassen Tuch die Blutreste von meinem Arm ab.
"Danke, Elijah. "
"Gern geschehen. Wie fühlst du dich?", sagte er mild.
"Gut. Normal. Wie immer eigentlich. "
"Willst du probieren, ob die Manipulationsresistenz funktioniert? "
"Ja, lass es uns ausprobieren. "
Er nickte und sah mich direkt intensiv an.
"Ich möchte, dass du aufsteht und deinen rechten Arm hebst."
Doch nichts passierte. Ich war resistent.
Und was die Gefühle für ihn angingen... daran änderte sich nichts. In keinster Weise.

A venit honos salutem ∞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt