Teil 5:

3.4K 130 14
                                    

Ein Klopfen an der Tür weckte mich.
Noch etwas benommen setzte ich mich auf und fragte mich kurz, ob das alles nur ein Albtraum war.
Ich schien es fast zu glauben, aber dann hörte ich Elijahs Stimme.
"Julia, bist du wach? Darf ich Bitte reinkommen?"
Seine Stimme war sanft, aber doch laut genug, dass ich sie gut verständlich hinter der Tür hören konnte.
Kann er mich hören? Wie ich atme?
"Warte einen Moment."
Ich ging zu meinem begehbaren Eckkleiderschrank, dessen Türen mit Spiegel besetzt waren und sah hinein.
Den hier stehen zu haben ist deprimierend. , stellte ich nur fest und ging zur Tür, um sie aufzuschließen.
Im Vorzimmer brannte Licht, draußen war es stockdunkel.
Ich musterte ihn von oben bis unten und musste mir eingestehen, dass ich ihn wirklich attraktiv fand. Er hatte Stil. Soetwas fand man nicht mehr oft.
Nein. Aus. Er ist zu alt. Stop. Er will dich mitnehmen. Schluss jetzt.
Ich glaubte ein schmunzeln auf seinen Lippen zu entdecken.
"Ich werde jetzt gehen. Morgen komme ich nocheinmal, um dich nach deiner Entscheidung zu fragen."
Ich lehnte an der offenen Tür.

Ich nickte nachdenlich. Natürlich wollte ich nicht fort von hier. Aber das war genau die spannende Wendung in meinem Leben, die ich mir seit Jahren wünschte. War es normal, dass ich mir soetwas wünschte? Oder hing das damit zusammen, dass ich unbewusst immer wusste, dass ich anders war und mein unbewusstes Ich es nicht abwarten konnte, bis ich die Wahrheit erfuhr?

Jetzt kannte ich die Wahrheit und es ging mir nicht um einen Deut besser. Würde ich also nicht mitgehen, würde ich dann einen Teil von mir selbst verraten? Sollte ich eigentlich nicht zumindest ein bisschen Angst haben, einen waschechten Vampir stehen zu haben? Die hatte ich nämlich nicht im geringsten. War ich überhaupt in irgendeiner Art und Weise normal? Jemals gewesen?

Das waren alles Gedanken, die mir im Kopf umhergingen. Und ich glaube, das sah man mir auch an. "Warum habe ich keine Angst vor dir?", fragte ich dann. "Ist das einer deiner Vampir-Tricks, mit denen du mich dazu bringst, dich zu mögen? Schließlich kann ich mir nicht erkären, warum ich nach alldem noch so ruhig bleiben kann."

"Ich weiß es nicht. Ich bin es jedenfalls nicht. ", meinte er nur schmunzelnd, während er ein Schmunzeln unterdrückte. Ich versuchte, seinen Blick zu deuten, aber es gelang mir nicht. "Oh", brachte ich nur hervor. Nachdem er kurz darauf gewartet hatte, ob ich noch etwas sagen würde, und nichts geschah, sagte er "Wir sehen uns morgen." und lächelte mild.

"Ja, bis morgen.", sagte ich leise. Ich winkte ihm und schloss dann meine Zimmertür. Ich konnte noch hören, wie sich meine Mom von ihm verabschiedete und sich die Haustür schloss. Gleich dann legte ich meine Stirn in Falten. Tief versunken in Gedanken, die ich selbst nicht verstand und inmitten von Problemen, mit denen ich nicht umzugehen wusste, versuchte ich mich irgendwie abzulenken, indem ich mein Zimmer, so gut es ging, aufzuräumen. Als das auch getan war, musste ich mich wohl oder übel mit der Frage auseinandersetzen, ob ich mitging, oder nicht.

Ein Blick auf die Uhr verrit mir, dass es schon 21 Uhr war. Deswegen blieb mir nicht mehr viel Zeit für meine Entscheidung. Auch, wenn ich mit Sicherheit noch lange auf bleiben würde, weil ich ja die letzten paar Stunden geschlafen hatte. Ich grübelte und grübelte, und kam auf keinen grünen Zweig. Freunde hatte ich nun wirklich nicht viele. Aber trotzdem. Ich war hier in meiner Heimat aufgewachsen. Konnte ich das alles einfach so hinter mir lassen? Innerhalb von einem Tag-nicht einmal- zu entscheiden, wie mein komplettes weiteres Leben weitergehen sollte war definitiv hart.

Elijah war zwar nett, aber immer noch ein Vampir. Und konnte ich überhaupt jemandem vertrauen, den ich erst einen Tag kannte? Natürlich nicht. War es für meine Mom so einfach, mich einem mir völlig Fremden zu überlassen. Normalerweise fand ich es nicht schlimm, etwas mit Leuten zu unternehmen, die ich kaum kannte, wobei sich dann auch kaum Freundschaften entwickelten, dann sagte ich immer, ich könne mich eh wehren. Bei einem Vampir ist das ein kleines bisschen anders. Der springende Punkt ist nur- wenn mich meine Mom mit ihm mitschicken würde, damit er mich vor jemandem beschützen kann, der mich umbringen will- wird es schon seinen Sinn haben.

Wahrscheinlich wäre es sogar für mich gefährlicher- auch wenn ich mir nicht so ganz sicher war, ob ich das alles glauben sollte- wenn ich hier bleiben würde. Meine Überlegungen führten mich zu dem Entschluss, dass ich meine Sachen packte, nur für den Fall, und eine Nacht darüber schlafen würde. Am nächsten Tag würde ich die Antwort kennen, so musste es einfach sein.

Die nächsten Überlegungen: Was nahm ich alles mit? Was brauchte ich wirklich? Aus meinem ganzen Leben eine oder zwei Taschen mitzunehmen war doch verrückt. Aber ich tat es. Ich packte Gewand ein, Geld, meinen Reisepass (Ich wusste ja nicht, wohin wir gehen würden), mein Lieblingsbuch, mein Akkukabel für mein Handy, und alle möglichen Gegenstände, denen ich einen persönlichen Wert zuschrieb. Bilder von meiner Mom, unseren gemeinsamen Urlauben, ein Bild, dass ich als Kind gemalt hatte und zusammen mit meinen Toilettesachen und ein paar Ketten war der Platz auch schon aufgebraucht. Es war erstaunlich, wie viele Sachen ich besaß, die mir nichts bedeuteten.

Ich ging in die Küche und stellte fest, dass meine Mom schon schlafen gegangen war. Mein Magen knurrte, deswegen machte ich mir noch ein Butterbrot mit Käse und aß im stehen. Ich legte den Teller in den Geschirrspüler, der schon mehr als voll war, schaltete ihn ein und ging zurück in mein Zimmer, wo ich das Fenster zum Lüften öffnete. Die Luft hier drinnen war schon extrem stickig und so konnte ich bestimmt nicht mehr einschalfen, erstrecht nicht mit meinem verwirrten Schlafrhythmus.Bevor ich das Fenster schloss und schlafen ging, starrte ich an die Decke und lies noch einmal mein ganzes Leben, das ich hier in diesem Zimmer verbracht hatte, revue passieren und dachte darüber nach, ob es das wert war, alles hier aufzugeben. Ich dachte die nicht enden wollenden Stunden des Lernens, die lustigen und die trostlosen Tage, die ich hier verbracht hatte.

Ich schloss das Fenster und schlief sofort ein.

A venit honos salutem ∞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt