Teil 8:

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Nachdem ich meiner Mom Bescheid gegeben und mich schweren Herzens von ihr verabschiedet hatte, hatte Elijah mir dabei geholfen, meine Koffer in den Wagen zu tragen.

Ich winkte meiner Mom. Wir hatten uns versprochen, jeden Tag zu telefonieren. Ich vermisste sie jetzt schon. Sie und mein altes Leben.

Dann hielt er mir die Tür zum Beifahrersitz auf, sodass ich einsteigen konnte. Das Auto sah aus wie ein Sportwagen, schwarz, mit getönten Scheiben.

Als er ebenfalls eingestiegen war und den Motor gestartet hatte, fuhren wir los.

Die Bilder, die an meinen Augen vorbeiflogen, als ich aus dem Fenster sah, machten mir bewusst, dass es das letzte Mal für sehr lange Zeit sein musste, dass ich sie sehen würde.

"Wo fahren wir hin?", fragte ich in die Stille.

"Wir fahren zum Flughafen und von dort aus fliegen wir in meine Heimat, New Orleans.", sagte er ruhig.

Ich nickte.
Ich dachte, wir würden wenigstens in Europa bleiben. Ich hab Flugangst.

"Meine Mom scheint dir sehr zu vertrauen.", stellte ich fest.

Er wand den Blick kurz von der Straße ab und sah zu mir.

"Wenn eine Mutter ihr Kind mit jemandem mitgehen lässt, weil sie befürchtet, dass es bei ihr nicht mehr in Sicherheit ist...dann frage ich mich, ob ich mir vielleicht auch Sorgen machen sollte."

Er sah wieder auf die Straße.

"Es hat einen Grund, warum dich deine Mom mit mir mitgeschickt hat, hm? Dir wird nichts geschehen, wenn du bei mir bist."

"Da ist eine Sache, die ich nicht verstehe. Okay, da sind tausend Sachen, die ich nicht verstehe- aber das interessiert mich gerade am Meisten- Du sagtest, du hast Geschwister. Wieso bist du ausgerechnet du hier?"

Er lächelte kurz.

"Mein Bruder Niklaus ist... etwas eigenwillig und meine Schwester ist momentan nicht...in der Stadt."

"Es tut mir leid, dass ich dich so mit Fragen durchlöchere, aber ich muss wissen, wie mein Leben weitergeht."

"Das stört mich nicht, frag mich ruhig."

"Werden wir zusammen mit deinen Geschwistern wohnen?"

"Ja. Wir haben ein großes Haus, wir werden einander nicht stören."

"Und was ist mit Schule? Oder Ausbildung? Ich meine, wenn das vorbei ist, jedenfalls, wenn das jemals vorbei sein wird, wovon soll ich dann leben?"

Er kicherte.

"Mach dir um Geld einmal keine Sorgen."

Ich stützte mein Gesicht in meine Hände.

"Das war so klar. Mein Leben steht in Gefahr und ich mache mir Sorgen um die Schule. "

"Es ist alles ungewohnt und neu für dich. Keiner erwartet von dir, dass du von Anfang an perfekt mit der Situation umgehst. Übrigens schlägst du dich wirklich gut. Ich hatte damit gerechnet, dass du Panikattacken bekommst, wenn ich dir von allem erzähle."

"Ich kann mir nicht erklären, warum, aber irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, dass meine Zukunft nicht normal sein wird. Und was Vampire angeht- ich habe nicht gedacht, dass ihr so...menschlich seid."

"Menschlich?", fragte er belustigt.

Ich zuckte mit den Schultern.

"Du zumindest."

"Da gibt es noch etwas, was du wissen solltest."

Er sah mich wieder kurz an.

"Etwas, was der Zauber noch mit sich bringt, ist, dass du dich, wie du möglicherweise schon gemerkt hast, zu mir hingezogen fühlst."

Ich legte die Stirn in Falten. Ich fühlte mich irgendwie ertappt und mein Puls stieg. Nein. Neinneinneinneinnein. Er kann es hören.

"Das wurde ausgelöst, als wir uns das erste Mal berührt haben. Ursprünglich war es dazu gedacht, dass der Anker - nämlich du- bei mir bleibt, damit dir nichts geschieht. Der Zauber ist natürlich darauf ausgelegt, nicht gebrochen zu werden und die besten Chancen dazu sind nunmal, wenn du bei mir bist."

"Deswegen bist du gekommen und nicht einer deiner Geschwister.", stellte ich fest.
Soll ich das jetzt dreist oder einfach krank finden?

"Nein, versteh mich nicht falsch. Wir suchen bereits nach einer Lösung.

Und glaube mir. Du willst nicht in meinen Bruder verliebt oder die beste Freundin meiner Schwester sein. Es wird nicht lange von Dauer sein."
Hm.

"Ich wollte es nicht zugeben, aber ich hab Flugangst."

"Mit dem Schiff dauert die Reise länger.", scherzte er.

"Nein, ich wollte dich nur vorwarnen.", schmunzelte ich.

Dann schwiegen wir. Alles was ich hörte, war die ruhige Musik des Radios und der Motor des Autos.

Wir fuhren, bis ich keine Häuser mehr kannte und mir die Straßen fremd wurden.

Dann rührte es etwas in mich, als mir bewusst wurde, dass ich alles hinter mir lassen konnte. Keine Arbeiten in der Schule mehr, kein Stress mit anderen Schülern.

Ich konnte ein neues Leben beginnen.

Ich fühlte mich neu.

Ich fühlte mich frei.

A venit honos salutem ∞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt