Vier Freunde

89 9 43
                                    

Finn

Dein Buch für alles, was du nicht mehr im Kopf haben willst

"Mum und Dad sagen immer, dass die „Ponte Reeves" seit dem Jahr meiner Geburt im Wattenmeer liegt. Also seit sechszehn Jahren und ungefähr neun Monaten. Die Gezeiten und das Wetter nehmen sie mit. Schädigen sie immer mehr. Bis jetzt ist das Schiffs Wrack noch ziemlich gut erhalten und steht noch verhältnismäßig gut da, aber in ein paar Jahren wird das nicht mehr der Fall sein und die See wird es komplett verschwinden lassen. Wie genau das Schiff, oder ich sollte mich vielleicht verbessern, das Boot dort landete und wie es zu diesem Unglück kommen konnte, das scheint hier in unserem Küstenkaff, keiner so genau zu wissen. Es wird immer nur gemunkelt und natürlich gibt es so viele Gerüchte, von denen ich keinem einzigen Glauben schenke. Die Piraten haben es überfallen und schließlich auf den falschen Kurs geschickt und so landete es mitten im Wattenmeer, ist nur eines dieser Gerüchte. Wer soll so einem Schwachsinn schon Glauben schenken? Warum sollten die Piraten ein kleines Boot überfallen haben, das keinerlei Schätze an Bord hatte? Und vor allem! Piraten im einundzwanzigstem Jahrhundert?

Was für ein Schwachsinn!"

Ich halte inne, den Stift klemme ich mir zwischen die Zähne, das aufgeschlagene Tagebuch schiebe ich kurz zur Seite und höre nur noch meinen Gedanken zu... Gerade ist einfach nur ein einziges Chaos in meinem Kopf... Vielleicht sollte ich mich zuallererst einmal vorstellen.

Ja das wird das Beste sein. Aber wie fange ich damit am besten an?

Ach ja. Genau!

Wie ich in meinem Tagebuch schon erwähnt habe, bin ich sechszehn Jahre alt. In weniger als drei Monaten werde ich endlich siebzehn und dann ist es nur noch ein Jahr, bis ich endlich erwachsen bin. Auf dem Papier zumindest. Wenn es nach meinen Eltern geht, dann ist meine Zukunft schon lange geschrieben. Nach dem Abi, das ich wahrscheinlich in zwei Jahren in der Tasche haben werde, soll ich meine wertvolle Zeit nicht mit einem Studium vergeuden, sondern gleich in das Familiengeschäft einsteigen. Eine Ausbildung als Hotelkaufmann ist mir definitiv sicher. Zur besseren Verständnis sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass unsere Familie seit Jahren im Besitz des wohl größten Strandhotels ist, das man ihn Butjadingen finden kann. Vor 150 Jahren hat irgendeiner meiner Vorfahren die Idee gehabt, ein Luxushotel am Strand zu bauen. Natürlich hat sich dieses im Laufe der Jahre vergrößert und immer verbessert. Mittlerweile ist es auf dem Vier- Sterne- Stand und Luft nach oben ist auf jeden Fall noch vorhanden. 

Meine große Schwester Naomi ist der Rebell in unserer Familie. Zumindest nennen Mama und Papa sie manchmal so. Sie hatte den gleichen, vorgezeichneten Weg, der auch mir bald blüht, vor sich und als es dann soweit war, ihre Ausbildung anzufangen, ist sie abgesprungen und hat sich ohne die Erlaubnis unserer Eltern für das Studium der Geschichte eingetragen. Enterbt wurde sie aber trotzdem nicht. Irgendwie sind Mama und Papa sogar ziemlich versöhnlich mit ihrer Entscheidung umgegangen. Dafür scheint jetzt alles an mir zu liegen. Dabei bin auch ich nicht wirklich darüber begeistert, irgendwann im Hotel zu arbeiten, noch weniger davon, dieses später einmal zu übernehmen. Meine geheime Leidenschaft war schon immer die See. Bereits als kleiner Junge habe ich schon davon geträumt, eines Tages um die ganze Welt zu segeln und in den letzten Jahren hat sich dieser Wunsch ziemlich verstärkt-

„Finn...", schreit meine Mutter aus dem Wohnzimmer. Durch die laute Musik, die ich angemacht habe, höre ich sie wirklich nur sehr schlecht. Ich habe aber auch keine Lust  leiser zu drehen. Das Gedudel hilft mir super beim Denken. „ Merlin ist da. Ich schicke ihn einfach nach oben". Bestimmt hat meine Mutter gerade einen hochroten Kopf, weil sie sich wieder viel zu sehr aufregt.

„Ja, ja...", erwidere ich nur. Schnell klappe ich das Tagebuch, in das ich eben noch gekritzelt hatte, zu und schiebe es dann unter mein Kopfkissen. Merlin ist einer meiner drei besten Freunde. Der Gute heißt wirklich so und ich frage mich oft, wie seine Eltern auf diesen Namen gekommen sind. Bestimmt sind sie große Fans von Zauberei und Magie gewesen. Merlin konnte sie leider nie danach fragen, weil diese bei einem Autounfall starben, als er erst zwei Jahre alt war. Fortan wuchs er bei seiner Tante Magda auf. Sehr zu meinem Glück, denn wäre er nicht hierher gezogen, hätten wir uns nie kennengelernt. Merlin ist gewissermaßen mein ältester Freund und wir kennen uns schon seit dem Kindergarten.

„Wo ist Amelie?", frägt Merlin gleich nachdem er in meinem Zimmer angekommen ist und lässt sich zu mir aufs Bett fallen. Seine rotbraunen Haare sind fast schulterlang und heute trägt er sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Ein paar lose Strähnen hängen ihm ins Gesicht, aber es scheint ihn nicht zu stören. Er grinst mich an und die Sommersprossen in seinem bleichen Gesicht stechen besonders deutlich hervor, als ein Sonnenstrahl durch den halb geschlossenen Vorhang, ins Zimmer dringt.

„Wir treffen sie und Lena nachher am Strand", brumme ich eine Antwort. Ich freue mich so sehr auf diesen Nachmittag. Fast zwei ganze Wochen habe ich meine Freundin jetzt schon nicht mehr gesehen. Sie hatte nämlich das Glück und konnte mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder in den Urlaub fahren. Irgendwo in die Berge. 

Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann meine Familie und ich das letzte Mal in den Urlaub gefahren sind. Auf jeden Fall ist das schon ein paar Jahre her. Das Hotel ist eben die oberste Priorität für Mum und Dad. Naja irgendwie habe ich mich damit arrangiert und am Meer zu wohnen ist ja auch ein bisschen wie Dauererholung. Zumindest meistens! 

Mittlerweile vermisse ich Lena schon ziemlich arg und freue mich wahnsinnig  darauf, sie nachher wieder in den Arm nehmen zu können und zu küssen. Lena ist seit knapp einem Jahr meine feste Freundin und anfangs hatte ich wirklich Angst, dass diese Beziehung unsere Freundschaft zerstören könnte. Heute sehe ich das ganze viel gechillter.

Und Amelie. Sie macht unseren Freundeskreis komplett. Eine Cousine von Lena, die vor vier Jahren nach dem Tod ihrer Mutter nach Butjadingen kam. Wir vier verbringen fast jede freie Minute zusammen und ich bin wirklich froh, solche tolle Freunde an meiner Seite zu haben. Wir nennen uns übrigens "Vier Freunde". Das ganze ist auf Lenas Mist gewachsen, weil sie als Kind die Geschichten von den "Fünf Freunden", förmlich verschlungen hat.

 Ach ja und ich darf nicht vergessen. Wie ihr euch vielleicht schon gedacht habt, ist Merlin schon seit ziemlich langer Zeit heimlich in Amelie verknallt. Nur irgendwie traut er sich nicht, ihr das zu sagen.

 Dabei würde selbst ein Blinder sehen, wie sehr er auf sie abfährt.

Reise ins UngewisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt