Total schräger Traum?

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Lena

Im Traum höre ich Finns Stimme. Fühle die Wärme seines Körpers an meinem Rücken.

„Schlaf gut, meine Süße. Ich bin bei dir", wispert er.

Es ist so wohlig warm. Überall in mir.

Doch dann schrecke ich aus dem Schlaf!

Amelie gibt ein leises und undefinierbares Geräusch von sich, wacht aber nicht auf.

Das Feuer im Kamin scheint erloschen. Die wohlige Wärme, die es gespendet hat einfach dahin.

Dieser seltsame Traum nagt noch immer an mir. Alles an ihm fühlte sich so real an. Wie als ob Finn sich tatsächlich an meine Seite geschmiegt hat. In der Dunkelheit kann ich nicht viel erkennen, so taste ich zur Seite. Wenn er da ist, dann werden die Finger nicht ins Leere greifen.

Und tatsächlich...

Da liegt jemand. Jetzt höre ich auch das regelmäßige Atmen, das von dieser Person ausgeht. Ohne Zweifel Finn. So viele Nächte haben wir zusammen verbracht und mittlerweile kenne ich fast jedes seiner Geräusche in,- und auswendig.

Viel zu schnell will ich mich aufrappeln. Irgendetwas tun, damit er auf mich aufmerksam wird. Aber was, wenn das hier doch nur ein Traum ist? Es gibt doch auch diese unheimlichen Träume, in denen man denkt man ist wach und dann doch nicht.

Wahrscheinlich ist das hier so einer.

Wenn ich doch nur mein Handy oder zumindest eine Taschenlampe bei mir hätte.

Draußen muss es noch stockfinster sein. Kein Tageslicht drängt sich durch die beiden Fenster, die sich links und rechts vom Kamin befinden.

„Am...", versuche ich es stattdessen und rüttele an der Schulter meiner Cousine.

Zuerst reagiert sie gar nicht, ehe sie ein leises Murmeln von sich gibt, das keinen Sinn ergibt.

„Was'n los", nuschelt sie schließlich. Sie dreht sich schwerfällig zu mir um.

„Ich habe entweder einen total schrägen Traum oder aber ich bin wach und Finn tatsächlich hier."

„Häääh?", macht meine Cousine nur.

„Ich glaube Finn ist hier", wiederhole ich mich. „ Er liegt an meinem Rücken. Süße sag mir, dass das nicht nur ein furchtbar realer Traum ist, sondern die Wahrheit."

„Ich mach mal eben eine Kerze an. Dafür habe ich extra das Feuerzeug so hingelegt, dass ich es ertasten kann. War eigentlich für den Fall gedacht, dass ich mitten in der Nacht panisch aufwache und dich nicht wachkriege."

Das Feuerzeug hatten wir in dem Rucksack gefunden, den Merlin noch aufhatte, als wir in der Vergangenheit landeten. Die Müsliriegel darin hatten wir gleich in der ersten Nacht verputzt. Mit dem Feuerzeug konnten wir nicht wirklich etwas anfangen und Finn bestand darauf, dass wir es nur in Notfällen benutzen sollten.

Für Amelie ist die Dunkelheit, ja die Schwärze der Nacht definitiv einer.

Jetzt bin ich sehr froh, dass meine Cousine so ängstlich ist. Ich will unbedingt wissen, ob Finn hier ist oder nicht.

Die Flamme des Feuerzeugs genügt. Finn liegt wirklich neben mir. Seine Augenlider sind fest verschlossen, so viel kann ich erkennen. Und er schläft tief und fest.

„Wie ist er hierhergekommen?", grübelt Amelie.

„Das ist doch fürs Erste egal", meine ich etwas aufgedreht. Ich bin so froh Finn zu sehen. Die Angst um ihn ist noch so präsent und all das noch so unglaubhaft. Ich habe mir die verschiedensten Szenarien ausgemalt, was ihm die Männer angetan haben könnten. Gleich morgen früh wollte ich einen Plan, mit Merlin, Amelie und Susanna erarbeiten, um ihn zu retten. Doch das scheint nicht mehr nötig. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Tränen kullern aus meinen Augen.

„Wir sollten versuchen noch ein wenig zu schlafen", murmelt Amelie dicht neben mir. Die Kerze, die sie angezündet hat, wirft ein sanftes Licht auf ihr Gesicht. Ihre verquollenen Augen schauen mich müde an. „Ich denke Finn hat diesen auch mehr als nötig. Gleich wenn die Sonne aufgeht will Susanna uns wecken. Dann können wir reden."

Sie pustet die Kerze aus und ich falle tatsächlich wieder in den Schlaf.

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„Finn ist nicht mehr da", rüttele ich Amelie wach. Die ersten Strahlen der Sonne haben einen Weg in das Innere von Susannas Hütte gefunden. Staub wirbelt an der Stelle auf, wo diese den Boden treffen. Nachdem ich wach geworden bin, wollte ich gleich Finn wecken. Aber er war verschwunden. 

Wahrscheinlich nie dagewesen!

Doch nur ein Traum!

„Lena", brummt meine Cousine schlaftrunken.

Im selben Moment kommt Susanna die Treppe nach unten.

„Guten Morgen", begrüßt sie uns. „Merlin geht es sehr viel besser. Er ist wach, aber noch etwas schwach auf den Beinen. Er wollte noch ein paar Minuten liegen bleiben."

„Kann ich zu ihm?", fragt Amelie aufgeregt. Sofort ist sie hellwach.

„Aber natürlich."

„Susanna?", starte ich ein Gespräch. Bis eben war sie beschäftigt wieder etwas Tee aufzusetzen, schaut mich aber sofort an und wartet geduldig auf meine Frage. „Ich glaube Finn war heute Nacht hier. Zumindest dachte ich das. Ist dir irgendetwas aufgefallen?"

Gestern Nacht hat sie Amelie und mir das Du angeboten. Ich bin sehr froh darüber. Sie ist zwar ein paar Jahre älter als ich, aber sie zu Siezen würde sich trotzdem merkwürdig anfühlen.

„Nein." Ihr Blick schweift durch den Raum und bleibt an etwas hängen, das ich nicht sehen kann. „Aber es scheint, dass ich tatsächlich Besuch hatte."

„Du hast Besuch!" Diese Stimme kenne ich von irgendwoher. Es kann nicht lange her sein, dass ich sie gehört habe. Langsam drehe ich mich zur geöffneten Haustüre um, zu der ich mit dem Rücken stehe. Etwas kalte Luft schleicht sich in den gut gewärmten Raum.

Blackbeard drängt sich als erstes in die Hütte. Er muss den Kopf etwas einziehen, weil er sonst damit gegen den Türrahmen stoßen würde.

Ihm folgt eine etwas kleinere Person mit braunen, sehr wirren Haaren.

Mit schnellen Schritten hechte ich auf diesen zu und ziehe ihn in eine lange Umarmung.

Es war also doch kein Traum!

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