Lange Geschichte

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Finn

„Wie ist es denn überhaupt möglich einen Trank zu zerstören?", fragt Merlin. „Kann man den nicht einfach wegleeren und dann ist die Sache gegessen?"

"Du meinst wohl eher getrunken, oder?", kichert Amelie.

Da sind sie wieder! Die verliebten Blicke, die sich beide zuwerfen.

„Es wäre schön, wenn das so einfach wäre", nuschele ich. „Aber ich fürchte so leicht macht das Schicksal oder was auch immer, es mir nicht. Durch Franz kam ich an einen Dolch. Scheinbar soll er die Waffe sein, die es schafft den Trank für immer zu zerstören. Blackbeard hat ihn mitgebracht, als wir geflohen sind"

„Dazu muss ich allerdings noch eines hinzufügen", mischt sich Susanna ein. „Der Trank ist in keiner gewöhnlichen Flasche aufbewahrt. Viel mehr im Anhänger einer goldenen Kette. Es ist ein einziger Tropfen dieses heiligen Gebräus, der sich sofort in einen ganzen See verwandeln könnte, wenn Franz das möchte. Aber er ist vorsichtig geworden. Nicht mehr so leichtsinnig wie noch vor mehreren Jahren."

„Und sicher trägt Franz die Kette immer bei sich", meint Lena sarkastisch. „Was für ein Zuckerschlecken. Ist doch echt kein Problem. Am besten spazieren wir einfach zu ihm hin und liefern uns dann gleich vors Messer."

„Das es einfach wird hat keiner behauptet." Jetzt ist es Blackbeard der spricht. „Aber einen anderen Weg gibt es nicht. Die Alternative wollt ihr nicht hören, glaubt mir."

„Wieso interessiert die ganze Sache Sie so arg?", fragt Merlin skeptisch. „Sie sind ja nicht einmal Mitglied von Finns Familie. Welche Absichten hegen Sie wirklich?"

„Ich habe meine Gründe...Außerdem ist Black J mein Freund und auch wenn er auf die falsche Seite gewechselt ist, bin ich mir sicher, dass er mir danken wird, wenn der Fluch erst gebrochen ist."

„Lasst uns das Thema wechseln", schlage ich vor. Die Stimmung ist gerade total im Eimer. Nicht verwunderlich und trotzdem... Auf eine Auseinandersetzung habe ich jetzt keine Lust. Und ehrlich gesagt auch nicht die Nerven.

„Sollen wir lieber Tee trinken und abwarten?" Susanna ergreift energisch das Wort. „Es ist wichtig, dass der Fluch gebrochen wird. Franz hat die übelsten Absichten und er sollte unter keinen Umständen gewinnen. Dieser Mann ist eine Gefahr und je eher wir sie bannen, desto besser wird es sein."

„Was passiert eigentlich, wenn der Trank zerstört wird. Oder vielmehr der Anhänger, in dem er baumelt?" will Amelie wissen und spricht damit wohl das aus, das wir die ganze Zeit zu verdrängen versuchen.

„Franz wird zugrunde gehen. Der Fluch aufgehoben", meint Susanna mit einem sehr bitteren Unterton in der Stimme. Es ist keine Traurigkeit. Auch kein Mitleid. „Und auch ich werde mit ihm untergehen."

„Du musst sterben?"

„Ach Liebes", sagt Susanna. „Ich habe ein sehr langes Leben hinter mir. Und musste niemals die Grauen des Alterns erleben. Leider wurden mir auch die schönen Seiten eines erfüllten Lebens verwehrt. Es gibt also keine bessere Erlösung für mich. Mir wurde schon viel mehr Zeit auf dieser Erde geschenkt, wie ich es verdient hätte."

„Gibt es keinen anderen Weg?", fragt Lena. Auch in ihrer Stimme schwingt Verzweiflung mit. Und ich kann beide Mädchen gut verstehen. Susanna ist weder eine Hexe, noch eine Fee. Sie ist eine liebenswerte Frau, die sich um ihre Kräuter kümmert und sonst nicht viel vom Leben verlangt.

„Ich fürchte nicht."

„Wir sollten uns dringend einen Plan überlegen, sonst ist Franz schneller hier, als wir das Wort buchstabieren können", unterbricht Blackbeard den etwas sentimentalen und traurigen Moment.

„Wieso haben Sie es eigentlich so eilig?", fragt Merlin. „ Sie könnten sich doch einfach auf ihr Schiff teleportieren und dann wäre die Sache für Sie gegessen."

„So einfach ist es auch nicht".

„Wieso nicht?"

„Weil ich ein Geheimnis hege, das außer Franz nur noch Finn kennt. Und ich habe fürchterliche Angst, dass er mich irgendwann von sich stößt."

„Ein Geheimnis?", fragt Amelie erstaunt. „Wieso hast du uns nichts davon erzählt, Finn?"

„Weil ich es selbst erst seit ein paar Stunden weiß".

„Was ist es?", will Lena sofort wissen.

„Ich bin Blackbeard... Zu dieser Zeit. Aber in der Zukunft werde ich wiedergeboren und kein anderer sein, als Henry. Finns leiblicher Vater!"

Blackbeard zuckt mit der Schulter, als ich in seine Richtung schaue. Ich bin etwas froh, dass er diese...Tatsache selbst preisgegeben hat.

„Wie ist das möglich?" Amelie schaut uns verdutzt an.

Oh ich drehe bald durch, wenn da noch mehr kommt. Bitte lass das jetzt alles sein. Mehr überraschende, eigentlich so gar nicht mögliche Offenbarungen will ich nicht mehr. Ich will doch eigentlich nur nach Hause. Mama, Papa und Naomi in den Arm nehmen und den ganzen Tag so mit den dreien verbringen.

„Es ist eine lange Geschichte", erklärt Blackbeard. „In Kurzfassung wachte ich vor fünfzehn Jahren auf und hatte plötzlich eine Eingebung, die von Henry ausging. Es war auch der Tag, an dem ich anfing zu teleportieren. In der Zukunft war ich allerdings nur ein einziges Mal. Und das gelang mir nur, weil ich spürte, dass Henry sehr besorgt ist. So landete ich auf einem alten Bootswrack. Franz hatte dort ein Portal geschaffen und ich veränderte es....Sonst kamen mir vor Henrys Tod nur Eingebungen, die ich Franz mitteilte. Ich dachte er wäre einer von den Guten... Ich hatte ja keine Ahnung. Aber als ich mehr über Henry herausfand, wandte ich mich an Black J und erfuhr, dass Franz eigentlich längst tot sein sollte. Und ich verriet ihn und verbündete mich mit seinem Enkel."

„Deshalb will er dich zur Strecke bringen... Er will, dass ich nie geboren werde, damit ich keine Gefahr mehr darstelle und somit den Fluch nie brechen kann", stelle ich ernüchtert fest. Ich hatte es bereits geahnt, aber jetzt ergibt es so viel Sinn. Wie skrupellos kann eine einzelne Person sein? Ja schon machthungrig und mit dem Streben für immer zu leben.

„Das ist ja...furchtbar", nuschelt Amelie.

„Du bist Onkel Henry?", mischt sich Merlin ein. „Oder eher wirst es einmal sein?" Ein kurzer Blick in Merlins Gesicht reicht, um die Tränen zu sehen, die in seinen Pupillen glitzern.

Ich kann ihn so gut verstehen. Keiner von uns hat Henry kennenlernen dürfen. Und bis vor kurzem war dieser nur Merlins Onkel.

Wie schnell sich manche Dinge ändern können!

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