32. Silbergrau

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32. Silbergrau

Es tut überraschend weh.

Das ist alles, was ich denken kann, als ich vor dem frisch aufgehäuften Erdhügel auf die Knie sinke. Gleich nachdem wir den Trainingssaal verlassen hatten, habe ich Granger darum gebeten, mich hierher zu bringen. Es ist ein längst überfälliger Besuch.

Wir befinden uns auf einer einfachen Wiese in der Nähe des Wäldchens, das wir stets benutzen, um unsere Rückkehr-Portschlüssel zu verstecken. Es ist kein angemessener Ort für ein Grab, aber wenigstens ist die Umgebung angenehm still und grün. Zumindest das, was ich davon in der Abenddämmerung noch erkennen kann.

Leichter Nieselregen fällt. Meine Cargohose ist an den Knien bereits durchnässt, doch ich nehme es kaum wahr. Da ist nämlich etwas anderes, das diese Unannehmlichkeit wieder wettmacht. Eine kleine Hand in meinem Nacken. Direkt unterhalb meines Haaransatzes. Sie ist ruhig und warm. Der dazugehörige Daumen reibt tröstende Kreise auf meiner Haut.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir eine Träne entwischt, aber es macht dank des Wetters kaum einen Unterschied. Den Drang, sie wegzuwischen, verspüre ich ebenfalls nicht. Creevey hat sie verdient. Er war ein guter Junge.

Nach ein paar Minuten komme ich seufzend auf die Beine. Ich hebe meinen Zauberstab und lasse ein paar Maiglöckchen durch die aufgelockerte Erde brechen. Es ist noch viel zu kalt für Frühlingsblumen und höchstwahrscheinlich werden sie in den nächsten Nächten jämmerlich erfrieren, aber im Grunde ist auch das egal. Ich kann jederzeit hierher zurückkommen und sie erneut heraufbeschwören, wenn mir der Sinn danach steht.

„Lass uns gehen", sage ich leise zu Granger.

„Geht es dir gut?", flüstert sie.

Sie tritt an meine Seite und sieht leicht besorgt zu mir auf.

„Alles in Ordnung", erwidere ich nickend.

„Na schön, dann komm."

Ihre Hand greift nach meiner. Ein ungewohntes Gefühl. Ein besorgniserregend gutes Gefühl. Ich umfasse ihre Finger sanft und ziehe sie an mich, bevor sie unseren Portschlüssel aktiviert.

***

Der Weg vom Dach bis zu Grangers Unterkunft ist ein einziger Wirbel aus Farben und Geräuschen. Die Rebellen, die uns in den unterirdischen Korridoren entgegenkommen, werfen uns allesamt seltsame Blicke zu, was daran liegen könnte, dass wir immer noch unsere Kampfausrüstung tragen und vollkommen durchnässt sind. Oder daran, dass Granger meine Hand kein einziges Mal losgelassen hat, seitdem wir die Wiese verlassen haben. Nicht auf dem Dach, nicht im Lift, nicht in der leeren Kommandozentrale, nicht im Atrium, nicht in den Tunneln.

Sie löst sich erst von mir, als wir ihr Zimmer erreicht haben. Und das auch nur, um die Tür hinter uns zu schließen und einen Verriegelungszauber zu sprechen. Dann legt sie ihren Zauberstab sorgsam auf ihren Schreibtisch und dreht sich langsam zu mir herum.

Gewohnheitsmäßig schiebe ich meine Hände in die Hosentaschen, als sie sich auf die Zehenspitzen stellt, um mich zu küssen. Sie wickelt ihre Arme um meinen Nacken und drückt sich an mich. Ihre Lippen sind so verdammt weich. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich es ganze zwei Wochen ohne ihre Küsse ausgehalten habe.

Als sie sich nach ein paar Sekunden von mir löst, gebe ich ein frustriertes Knurren von mir, doch sie legt einen Finger auf meine Lippen und hindert mich daran, zu protestieren.

„Ich will, dass du mich anfasst", murmelt sie und wirkt dabei fast... schüchtern?

„Granger, du musst nicht-"

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