33. Zartgrau

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33. Zartgrau

Die öffentliche Zurschaustellung des Friedens, den Granger und ich miteinander gefunden haben, ist keine aktive Entscheidung, die einer von uns für den jeweils anderen trifft. Vielmehr schleicht sie sich ein. Wie das zartgraue Mondlicht, das neuerdings durch das magische Fenster in mein Zimmer fällt. Oder wie die Nordseeflut, die in der Nacht unserer Greyback-Mission in sanften Wellen auf den grobkörnigen Strand der Isle of Sheppey geschwappt ist. Oder wie der glitzernde Morgentau auf der Apparier-Wiese bei Box Hill.

Obwohl wir seit unserem Ausflug in die Winkelgasse jede freie Sekunde miteinander verbringen, auf jeder erdenklichen Oberfläche unserer Unterkünfte vögeln und stundenlang auf dem Dach des St. Mungo sitzen und leise miteinander flüstern, bleibt den anderen Mitgliedern des Widerstands unsere Verbindung vorerst verborgen.

Die Offenbarung geschieht Schritt für Schritt, unbewusst und (ironischerweise) in exakt sieben Etappen. Das scheint unser Ding zu sein.


An Tag Eins, dem Sonntag nach unserer gemeinsamen Wache in Hogsmeade, betritt Granger den Speisesaal, wo ich bereits mit Ginny und Blaise an dem üblichen Tisch sitze. Sie entdeckt uns erst, als sie mit ihrem Teller vom Buffet wegtritt. Ihr Blick huscht zu mir, dann zu Ginny und Blaise und schließlich zu dem freien Platz neben mir. Und da ich glaube, zu wissen, was ihr gerade durch den Kopf geht, schenke ich ihr lediglich ein ermunterndes Lächeln, indem ich meinen linken Mundwinkel ein wenig anhebe.

Sie holt einmal tief Luft, dann strafft sie die Schultern und macht sich auf den Weg zu uns. Ginny verstummt kurz, als Granger sich neben mir auf die Bank sinken lässt, doch dann erholt sie sich und fährt mit ihrem Monolog über Smiths nerviges Verhalten bei der letzten Wachablösung fort. Ganz so, als wäre überhaupt nichts Ungewöhnliches daran, dass Granger für ihr Abendessen unsere Gesellschaft sucht.

Mein Blick fällt auf Grangers Hand, die leicht zittert, und ich verändere meine Sitzposition, sodass mein Knie ihren Oberschenkel berührt. Bleib locker, Granger. Ich bin hier. Alles ist gut. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass sie sich daraufhin sichtlich entspannt.

Für den Großteil des Essens ist sie stumm, doch irgendwann stellt Blaise ihr eine belanglose Frage und sie antwortet tatsächlich mit einem kleinen Lächeln.

Danach entwickelt sich ein ganz normales Gespräch und vor allem Ginny strahlt mit jedem Satz, den Granger spricht, ein kleines bisschen mehr. Als sie ihren leeren Teller von sich schiebt und ich Blaise erstaunten Blick sehe, wird mir bewusst, dass er sie vermutlich zum allerersten Mal eine vollständige Mahlzeit hat einnehmen sehen. Ich hätte niemals gedacht, was für Gefühle diese Erkenntnis in mir auslösen würde.

Ich bin stolz auf Granger. Stolz, weil sie sich überwunden hat. Weil sie dem offensichtlichen Drang, bei mir sein zu wollen, nachgegeben hat. Weil sie endlich versucht, aus ihrer Zelle auszubrechen. Tapfere Hexe.


An Tag Zwei, dem Montag, finde ich mich mit Potter und Granger in der Kommandozentrale wieder, wo wir gemeinsam jeden einzelnen der von mir erstellten Grundrisse des Manors sorgfältig durchgehen.

Granger sitzt an dem kreisrunden Besprechungstisch und studiert die Pergamente aufmerksam und mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich stehe direkt hinter ihr, einen Arm lässig auf der Rückenlehne ihres Stuhls abgestützt, um ihre unzähligen Fragen zu beantworten. Potter wiederum sitzt uns gegenüber und beobachtet uns mit ausdrucksloser Miene.

Seitdem er weiß, dass uns nicht einmal mehr zwei Wochen bleiben, um uns auf den Tag im Manor vorzubereiten, ist er angespannt und oft geistesabwesend. Ich kann das nachvollziehen. Der Ausgang der Mission ist mehr als ungewiss und es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir sie allesamt mit dem Leben bezahlen werden. Aber er wusste, dass dieser Tag kommen würde. Wir alle wussten das. Und nun müssen wir eben das Beste daraus machen.

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