35. Sturmgrau

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35. Sturmgrau

Es ist nicht nur stimmungsmäßig das passende, sondern auch angriffstechnisch das perfekte Wetter für unser Vorhaben am heutigen Tag.

Ein eiskalter Wind pfeift durch die Wälder von Wiltshire und der Himmel ist wolkenverhangen und sturmgrau. Der dazugehörige Platzregen, dessen dicke, platschende Tropfen sich ein Duell mit unseren Imprägnierzaubern liefern, leistet ebenfalls seinen Beitrag. Selbst wenn irgendjemand einen flüchtigen Blick aus einem der Fenster werfen sollte, während wir uns anpirschen, wird es äußerst schwierig sein, uns auszumachen. Die Bedingungen spielen uns durchaus in die Karten. Einen blauen Himmel und eine klare Sicht hätten wir nicht gebrauchen können. Bei schönem Wetter kann man vom Haus meilenweit die umliegende Landschaft überblicken.

Ich werfe den gefühlt hundertsten Blick auf meine Armbanduhr und seufze leise.

Die Fluchbrecher sind längst auf ihren Posten und arbeiten sich gerade Stück für Stück durch die dicken Schutzzauber meines Elternhauses, so wie wir es besprochen haben. Insofern nichts Unvorhergesehenes passiert, sollte uns in den nächsten Minuten der Patronus von Oliver Wood erreichen, der das Signal dafür ist, dass wir die zweite Welle auf den Weg schicken können. Ich bin froh, wenn es endlich losgeht. Nicht nur, weil die Anspannung so groß ist, sondern auch, weil die kleine Lichtung, auf der wir uns versammelt haben, aus allen Nähten platzt.

Erst wenn der Rest unserer Leute sich dem Manor genähert und im besten Fall den Dunklen Lord lokalisiert hat, wird Potter auftauchen. Seine Sicherheit hat immer noch die oberste Priorität, weshalb er im Hauptquartier wartet, bis man ihn benachrichtigt. Sobald er per Apparation auf der Lichtung eintrifft, wird er, flankiert von Granger, Weasley und mir, der zweiten Welle folgen, um somit möglichst unbeschadet sein eigentliches Ziel zu erreichen. So zumindest der Plan.

„Ich muss zu Blaise", erklingt Grangers Stimme direkt neben mir. „Vorbesprechung."

Mit einer unwirschen Handbewegung wische ich mir ein paar klatschnasse Haarsträhnen aus den Augen, um sie besser sehen zu können.

Ihre Miene ist konzentriert, aber ihre Hände sind ruhig und lässig in ihr Schulterholster gehakt. Vor ein paar Monaten hätte mich eine solche Gleichmütigkeit im Hinblick auf eine Mission wie diese vermutlich noch irritiert. Heutzutage gibt sie mir ein gutes Gefühl.

Granger ist in ihrem absoluten Kampfmodus und das ist verdammt gut so. In den letzten Tagen habe ich mehr als einmal befürchtet, der Druck könnte letzten Endes zu groß sein. Dass das Gegenteil der Fall zu sein scheint, beruhigt mich immens.

„Vorbesprechung?", wiederhole ich verwirrt. „Gibt es denn noch offene Fragen?"

„Nope", sagt sie, wobei ihr rechter Mundwinkel verräterisch zuckt. „Aber wir tun das immer, bevor einer von uns oder sogar wir beide rausgehen. Blaise ist ziemlich abergläubisch, musst du wissen. Er kann es nicht leiden, wenn man mit bewährten Gewohnheiten bricht, egal wie speziell die Situation ist. Und das ist noch lange nicht alles. Einmal haben wir während einer Nachtwache eine schwarze Katze gesehen, die unter einer Leiter durchgelaufen ist. Danach hat er wochenlang behauptet, das wäre ein böses Omen gewesen. Er war ziemlich neben der Spur. Man sollte meinen, er wäre clever, aber naja, er hat seine Macken."

Ich starre sie mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Amüsement an.

„Und du lässt ihm den Spaß?", frage ich. „Ausgerechnet du? Du bist die Hexe, die Wahrsagen geschmissen hat. Schau mich nicht so an. Jeder weiß das."

Ihre gelüpfte Augenbraue glättet sich und ihre Lippen biegen sich zu einem leisen Lächeln. Dann zuckt sie mit den Schultern.

„Blaise ist mein Freund. Wenn er sich damit besser fühlt, dann ist das für mich Grund genug, unsere Routinen beizubehalten."

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