Ich bin ein wenig spät dran, als ich am späten Nachmittag die Wiese inmitten des Campus überquere. Mein Ziel, ein Diner, das am Rand des Campus steht und sich großer Beliebtheit bei den Studierenden erfreut, sehe ich bereits vor mir. Draußen ist alles belegt, aber ich vermute, dass meine Verabredung sich im Inneren ein ruhiges Plätzchen gesuchen haben wird.
Normalerweise mache ich mir keine großen Gedanken darum, ob ich zu spät komme und was man von mir denken könnte. Aber es gibt Verabredungen, da achte ich sehr penibel darauf. Und das hier ist so eine. Besonders ärgerlich ist, das ich nicht einmal etwas dafür kann. Mein Dozent hat seine Vorlesungszeit leider etwas überzogen, weil ihn meine Kommilitonen und Kommilitoninnen zum Start des Semesters mit sehr vielen Fragen überschüttet haben. Einfach rauszugehen hatte ich mich nicht gewagt. Schließlich wollte ich nicht direkt in der ersten Stunde unangenehm auffallen.
Ich erreiche das Diner und öffne die Tür. Ich scanne mit den Augen bereits die Tische im Innenraum ab und merke daher nicht, dass noch jemand durch die Tür gehen möchte - allerdings nach draußen.
Der Zusammenprall bringt mich kurz ins Wanken, aber ein Arm legt sich sofort um mich und verhindert meinen Sturz.
Erschrocken sehe ich auf und blicke in Augen, die mir seltsam vertraut vorkommen. Auch wenn sie diesmal hinter Brillengläsern versteckt sind.
»Ivete?«
Niemand anderes als der Barkeeper von Samstag steht vor mir und grinst mich an. Ich grinse überrascht zurück.
»Hey!« Er hält mich immer noch am Arm fest und macht keine Anstalten, mich loszulassen. Erst jetzt fällt mir auf, dass er gar nicht so viel größer ist, als ich. Nackenschmerzen werde ich jedenfalls keine bekommen, wenn ich ihm in die Augen sehen will.
Ich trete einen kleinen Schritt zurück. Nicht, weil es mir unangenehm wäre. Im Gegenteil, die Berührung verursacht ein leichtes Kribbeln auf meiner Haut. Und das ist nicht alles. Auch seine tiefe Stimme bringt wieder irgendetwas in mir zum Klingen. Aber wir kennen uns nicht. Noch nicht. »Was für eine Überraschung! Es tut mir leid, ich hoffe, ich hab dir nicht wehgetan? Ich war etwas in Gedanken und hab nicht aufgepasst.«
»Nix passiert«, winkt er ab. Dann mustert er mich und irgendwas in seinem Blick sagt mir, dass ihm gefällt, was er sieht. Ich trage heute ein luftig fallendes, schwarzes Kleid mit großen Schmetterlingen, das mir bis knapp über die Knie geht. Darüber eine blaue Jeansjacke und Sandalen. Eigentlich das, was ich immer gerne trage, wenn ich privat bin.
Und ich muss gestehen, mir gefällt im Gegenzug ebenfalls, was ich sehe. Er ist schlicht und sportlich gekleidet mit Bluejeans, Sneakern und einem dunkelblauen T-Shirt. Die Brille ist ein eher unauffälliges Modell mit schwarzem Rahmen, aber sie steht ihm. Die blonden Haar sind nicht ganz so ordentlich frisiert und sehen aus, als wäre er heute schon einige Male hindurchgefahren.
»Was tust du hier?«, frage ich ihn neugierig. Ja, ich bin spät dran, aber meine Neugier ist plötzlich stärker als mein Pflichtbewusstsein.
»Aktuell Kaffee trinken«, zwinkert er mir zu. »Ich hatte bis eben Vorlesung und brauche jetzt erstmal eine Stärkung.«
»Was studierst du?«
»Journalistik im dritten Semester.«
Oh! Das ist ungünstig.
Ich lächel ihn an und hoffe, dass mir dieser kleine Dämpfer nicht anzumerken ist. »Dann werden wir uns in Zukunft wohl häufiger über den Weg laufen. Ich hab dieses Semester mit meinem Master in Wirtschaft gestartet.«
Sein Grinsen wächst zu einem Strahlen heran. »Wirklich? Das höre ich gerne. Das nächste Mal sehen wir uns dann ohne Zusammenstoß?«
»Klar.« Ich lache auf und deute dann in eine unbestimmte Richtung nach Innen. »Ich muss jetzt weiter. Meine Verabredung wartet.«
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Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)
Fanfiction❔ Band 1 ❔ Ivete Camargo führt ein Doppelleben. Tagsüber studiert sie an der UCLA Wirtschaft, um irgendwann das Familienunternehmen zu übernehmen, nachts schlüpft sie in eine völlig andere Rolle. Ihr Leben ist auf ein Ziel ausgerichtet und sorgsam g...