29 | IVETE

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Wie hypnotisiert starre ich in den Lauf der Pistole. Vorne ist ein Schalldämpfer aufgeschraubt. Praktisch, mitten im Wohngebiet. Der Mann hat mitgedacht.

Ich zwinge mich zur Ordnung. »Was soll die Waffe, Raynor? Auch noch mit Schalldämpfer. Wofür brauchen Sie die?«, frage ich. Ich sage die Worte weniger für mich, sondern eher für mein Back-Up.

Gleichzeitig hilft es mir, meine Gedanken zu sortieren. In Windes Eile setzt mein Hirn die Fakten zusammen. Und das Bild, was sich zusammensetzt, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Meine gelassene Fassade bröckelt, ohne dass ich etwas dagegen tun könnte.

»Sie hatten nie vorgehabt, das hier aufzulösen, stimmt's?«, frage ich ihn mit heiserer Stimme. »Deswegen die Schnitzeljagd an diesen beschaulichen Ort.«

Ein bösartiger Ausdruck huscht über sein Gesicht. »Schlaues Kind. Sie wissen einfach zu viel. Außer Ihrem Freund und Ihnen bringt mich keiner hiermit in Verbindung. Wenn ich Sie beide aus dem Weg räume, bleibe ich unbehelligt.«

»Was ist mit Bob? Haben Sie ihn auch schon umgelegt?«

»Nein. Der wird in Kürze eine sehr lange Reise nach China antreten.«

Fassungslos über so viel Skrupellosigkeit starre ich ihn an. Auch wenn ich weiß, dass Bob in Sicherheit ist, fällt es mir nicht sonderlich schwer, mein Entsetzen zu zeigen. »Das werde ich nicht zulassen!«

»Oh, süße, junge Liebe«, kommentiert er hämisch. »Aber dafür ist es zu spät.«

»Und was haben Sie mit mir vor? Erschießen und hier liegen lassen?«

»So war der Plan. Bis jemand Sie hier findet, bin ich längst außer Landes.«

»Mein Vater weiß, wo ich bin und dass ich mich mit Ihnen treffen.«

Er schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Ihr Vater wird genug damit zu tun haben, sich vor Seay zu verbergen, sobald ich meine Informationen übermittelt habe.«

»Sie haben keinerlei Beweise!«

Raynor zeigt ein selbstgefälliges Grinsen. »Das mag sein, aber für Seay wird das vollkommen ausreichen, um Nachforschungen anzustellen. Und dann werden wir sehen, ob der Urutau«, er spricht den Namen mit so viel Verachtung aus, dass es mir kalt den Rücken runterläuft, »sich wirklich unsichtbar machen kann. Genug jetzt! Wo ist das Amulett?«

Ich wappne mich für das, was nun unweigerlich kommt. »Nicht hier.«

Jetzt ist er es, der mich fassungslos anstarrt. »Und ich dachte, Ihnen ist das Leben Ihres Freundes etwas wert?«

»Haben Sie ernsthaft angenommen, dass ich mit so einem wertvollen Stück einmal quer durch die Stadt laufe? Auch noch als Frau?« Ich hebe beide Hände an und deute dann auf meine Bauchtasche. »Ich habe dort einen Umschlag drin, in dem Sie alles Nötige finden.«

Er nickt. Ich öffne den Reißverschluss und ziehe einen weißen Umschlag heraus. Der gleiche Umschlag, den mir Victor vor kurzem überreicht hat. Darin befindet sich der Schlüssel zu dem gleichen Schließfach. Dass ich den völlig vergessen und immer noch auf meinem Couchtisch rumliegen hatte, erweist sich nun als Glücksfall.

»Ivete, hör zu!«, höre ich Peters Stimme aus den Kopfhörern. »Auf der nördlichen Seite des Gebäudes schließt direkt ein weiteres Gebäude an, mit einem relativ flachen Dach. Nimm das rechte der beiden Fenster und spring raus. Das sind ein, höchstens anderthalb Meter, das schaffst du! Auf dein Zeichen sorge ich für Ablenkung.«

Spinnt der jetzt völlig? Ich soll aus dem Fenster springen?

Ich muss mich echt zusammenreißen, keine Reaktion zu zeigen.

Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt