10 | BOB

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Am Abend sitze ich an meinem Schreibtisch, weit zurückgelehnt auf meinem Stuhl, die Füße auf der Schreibtischplatte abgelegt. In der Hand halte ich einen Kugelschreiber, den ich zwischen meinen Fingern hin und her drehe, statt mit ihm zu schreiben. Mein Laptop steht als mahnendes Zeichen geöffnet, aber mit dunklem Bildschirm vor mir. Drumherum sind wild Uni-Unterlagen verteilt.

Eigentlich wollte ich lernen und den Stoff der Vorlesungen nachbereiten. Meine Mitschriften und die Folien der Vorlesung sind bereit. Aber ich bin es nicht. Schon den ganzen Tag nicht. Den Besuch meiner Vorlesungen hätte ich mir heute sparen können. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Immer wieder schweifen meine Gedanken ab und ein Paar dunkelbraune Augen tauchten auf.

Es ist einfach zum verrückt werden. Was hat es zu bedeuten, wenn man jemanden nicht mehr aus dem Kopf bekommt? Naja, im Grunde kann ich mir diese Frage selbst beantworten. Aber das kann nicht sein?! Nicht nach dieser kurzen Zeit!

Natürlich bin ich schon einmal verliebt gewesen. Zweimal, wenn ich genauer darüber nachdenke. Aber das, was ich für die beiden Mädchen empfunden habe, lässt sich nicht annähernd mit dem vergleichen, was jetzt gerade mit mir passiert. Der größte Unterschied liegt vermutlich schon darin, dass es sich langsam entwickelt hat. An ›Liebe auf den ersten Blick‹ glaube ich schlichtweg nicht. Das ist literarischer Blödsinn. Liebe muss wachsen. Liebe braucht Zeit. Sie ist nicht plötzlich von einem Augenblick zum nächsten da. Noch nie in meinem Leben hat es eine Frau gegeben, bei der dieser ›Wow‹-Moment aufgetreten ist, von dem immer wieder gesprochen wird. Und ich habe wohlgemerkt selten Gelegenheiten verstreichen lassen. Es gab genug Affären und One-Night-Stands, die ich nie ernsthaft mitgezählt habe.

Andererseits hatte ich nach dem Ende meiner zweiten Beziehung auch keinerlei Interesse mehr daran, mehr als nur ein kurzes Internezzo zu haben. Ich hatte Gefallen daran gefunden, ungebunden zu sein. Niemandem Rechenschaft schuldig zu sein, wie ich meine Abende verbrachte, wo ich schlief, mit wem ich mich unterhielt.

Und doch ist da gestern Abend - nein, eigentlich schon viel früher - etwas passiert, was ich mir nicht erklären kann und was mich gedanklich so stark aufwühlt, dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Es verwirrt mich zutiefst. Ich fühle mich zu Ivete auf eine Art und Weise hingezogen, die nach dieser kurzen Zeit einfach nicht möglich sein kann.

Und was ist mit ihr? Sie schien es genauso genossen zu haben wie ich. Ist es möglich, dass sie das Gleiche für mich empfindet? Ein warmes Kribbeln ergreift bei dem Gedanken von mir Besitz.

»Sag bloß, du schmachtest immer noch?«, ertönt eine Stimme an der Tür.

Peter steht dort, im Türrahmen angelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er reingekommen ist.

»Was willst du?«, knurre ich ein wenig unfreundlicher als nötig, weil ich mich ertappt fühle. »Kannst du nicht klopfen?«

»Hab ich«, informiert er mich trocken. »Zweimal sogar. Der Chef schickt mich. Ich soll dich holen.«

Ich seufze, mache aber keine Anstalten, mich zu rühren. »Wird sich das jemals ändern?«

Peter zuckt lachend mit den Schultern. »Vermutlich nicht, solange wir uns eine Wohnung teilen.«

Statt wieder zu gehen oder mich nochmal darauf hinzuweisen, dass Justus wartet, zieht er die Tür hinter sich zu und lässt sich auf mein Bett fallen. Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf und sieht mich abwartend an. Es sieht nicht sonderlich bequem aus, wie er quer auf dem Bett liegt und die langen Beine darüber hinaus ragen.

»Also, erzähl schon. Was ist los? Bist du sauer wegen heute Morgen?«

Ich winke ab. »Quatsch. Allerdings hab ich eindeutig einen gut bei dir.«

Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt