28 | IVETE

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Inzwischen habe ich die richtige Straße erreicht. Es handelt sich um eine schmale Seitenstraße, fernab des Trubels der Hauptstraße. Rechts und links stehen niedrige Gebäude, in denen sich vermutlich Wohnungen oder kleine Geschäfte befinden. Ich sehe nur die Rückseite beziehungsweise die kleinen Hinterhöfe, auf denen vereinzelt Autos geparkt sind. Am Straßenrand stehen überquellende Mülltonnen, deren Inhalte teilweise über die Straße verteilt wurden. Definitiv kein Ort, an dem ich mich länger aufhalten möchte.

Zögernd betrete ich die Straße und behalte meine Umgebung weiterhin aufmerksam im Auge. Ich höre den Autoverkehr der Hauptstraße, Stimmen, Musik, die zu mir dringen. Aber im Grunde scheine ich allein zu sein. Zumindest sehe ich niemanden. Ob mich das eher beruhigt oder zusätzlich nervös macht, habe ich noch nicht entschieden. Nach ungefähr zweihundert Metern zeigt mir mein Handy an, dass ich das Ziel erreicht habe. Auf der linken Seite der Straße steht ein etwa zweistöckiges Haus, dessen Erdgeschoss nur aus Garage zu bestehen scheint. Rechts, direkt gegenüber, geht es in einen kleinen Innenhof, der als Parkplatz genutzt wird und zur Hälfte mit Autos voll steht. Daneben steht ein Wohnhaus, dem man sein Lebensende deutlich ansieht. Die Fassade ist an vielen Stellen schmutzig oder mit Graffitis beschmiert. Teilweise blättert sie ab. Fenster und Türen über zwei Stockwerke sind ebenfalls deutlich mitgenommen, schmutzig oder gar nicht mehr vorhanden.

Da muss ich dann wohl rein.

»Ivete?«, ertönt plötzlich eine Stimme aus den Kopfhörern.

Ich gebe lediglich ein leises Brummen von mir, was Peter Bestätigung genug zu sein scheint.

»Taís hat mir erzählt, wo du hinsollst. Das gefällt mir nicht. Bleib, wo du bist! Ich bin gleich bei dir.«

»Ich denke nicht, dass wir beide zusammen gesehen werden sollten«, gebe ich nun doch zurück, den Kopf gesenkt, damit meine Mundbewegung nicht auffällt.

»Lieber das, als du allein mit diesem skrupellosen Arschloch!«

Irgendetwas in seiner Stimme lässt mich hellhörig werden. Eine unbändige Wut schwingt mit, die vorher nicht dagewesen ist. Was ist passiert? Es kann ja eigentlich nur eines bedeuten.

»Ist mit Bob alles in Ordnung?«

Peter schweigt einen Atemzug, dann höre ich ihn tief seufzen. »Er wird schon wieder. Mach dir keine Sorgen.«

Wut steigt in mir auf, weil ich offenbar etwas Entscheidendes übersehen habe und mich niemand aufklären will. Was soll das? Glaubt jetzt plötzlich jeder, ich würde aufhören zu denken, sobald ich erfahre, wie es wirklich um ihn steht? Oder ist das ein Versuch, mich von ihm fernzuhalten? Eine Retourkutsche dafür, dass ich ihn in diese Schwierigkeiten gebracht habe?

Ich schlucke den bissigen Kommentar herunter, der mir auf der Zunge liegt. Wie gern würde ich Peter jetzt meine Meinung sagen und das mit ihm klären, was auch immer er gegen mich hat. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Raynor mich beobachtet. Selbstgespräche würde er mir sicher nicht abkaufen.

Ich sehe mich ein letztes Mal um, dann stecke ich mein Handy etwas zu umständlich in meine Tasche zurück und beuge dabei den Kopf soweit, dass ich unbemerkt sprechen kann.

»Ich kann nicht mehr warten«, informiere ich alle, die gerade mithören. »Ich habe Raynor im ersten Stock am Fenster gesehen und gehe jetzt rein.«

Das ist eine Lüge, aber ich will das hier beenden. Je schneller desto besser. Ob Peter jetzt da ist, ist mir inzwischen ziemlich schnuppe. Ich schaffe das auch ohne Rückendeckung!

Wie erhofft vernehme ich keine Einwände mehr, auch wenn ich ein dunkles Knurren zu hören glaube. Meine Schwester knurrt nicht, sonst ist aktuell keiner in der Leitung, also muss es von Peter kommen.

Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt