31 | IVETE

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»Wo bleibt er denn?«, murmelt Peter ungeduldig.

»Vielleicht ist er nach Hause gefahren, um seine Tasche zu packen?«, mutmaße ich, während ich vom Rücksitz aus genauso gebannt nach draußen starre und die Umgebung im Blick behalte.

»Er hätte längst hier sein müssen! Was, wenn unser Plan nicht funktioniert?«

Justus seufzt tief und wirft seinem Freund einen genervten Blick zu. »Ach, Peter, nun warte doch mal ab. Er wird schon kommen. Er hat gar keine andere Wahl, wenn er nicht alles verlieren will.«

»Was, wenn er zurück zum Container gefahren ist?«

»Dann wird er diesen leer vorfinden und noch einen Grund mehr haben, so schnell wie möglich abzutauchen«, kontert Justus mit einer Überzeugung in der Stimme, die ich sehr bewundere.

Wir sitzen hier in einem alten schwarzen Toyota, den Justus sich von einem Freund ausgeborgt hat, auf einem öffentlichen Parkplatz gegenüber der Lagerhalle und warten auf Raynor. Justus hat uns am vereinbarten Treffpunkt aufgesammelt. Der MG, der Raynor bekannt ist, steht versteckt in einer Nebenstraße. Inzwischen ist es fast schon dunkel, aber der Vorplatz vor der Lagerhalle ist hell erleuchtet und gut einsehbar. Es ist nicht viel los. Vereinzelt stehen Autos davor, deren Besitzer aber nicht auftauchen.

Bei der Halle handelt sich um ein Unternehmen, bei dem man Lagerflächen anmieten kann. In allen erdenklichen Größen. Von schuhkartongroßen Schließfächern bis hin zu 20m² Räumen. Offiziell läuft hier alles ganz legal und korrekt ab und die Mieter werden namentlich registriert. Aber mit den richtigen Argumenten - sprich genug Geld - kann man hier auch das vollkommen anonyme Zusatzpaket buchen. Victor hatte genau diese Serviceleistung gebucht, als er das Fach angemietet hat. Ich hatte keinerlei Probleme, den Mietvertrag noch um eine Woche zu verlängern und das Amulett hier zu deponieren. Anonym. Ich habe sogar noch einen großzügigen Bonus draufgelegt, damit der Besitzer dieser Firma mein Gesicht sofort wieder vergisst und die Überwachungsvideos von meinem Besuch verschwinden lässt.

Raynor ahnt nicht, dass er uns hier in eine wohl durchdachte Falle gehen wird.

Das hoffe ich zumindest. Denn wenn ich ehrlich bin, geht es mir wie Peter. Es macht auch mich nervös, dass er noch nicht hier aufgetaucht ist. Ist er vielleicht doch abgehauen? Ohne das Amulett zu holen? Oder war er schneller als wir und wir haben ihn verpasst? Je näher wir dem Finale rücken, desto unsicherer werde ich und desto lauter werden die zweifelnden Stimmen in meinem Kopf. Haben wir an alles gedacht? Haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen? Funktioniert unser Plan?

Bei dessen Entwicklung hat man die jahrelange Erfahrung der zwei Detektive deutlich gemerkt. Vor allem Justus besitzt eine Kombinationsgabe und ein strategisches Denken, um das ich ihn sehr beneide. Und auch wenn Peter sich phasenweise anhört, wie ein nörgelndes Kind auf dem Weg in den Urlaub, hat auch er in den letzten Stunden gezeigt, dass er in heiklen Situationen die Nerven behält. Zudem ist es für beide nicht die erste Beschattung, die sie durchführen.

Für mich hingegen ist das hier die absolute Hölle. Lieber plane ich den nächsten Coup, allein und mit einer Horde Wachhunde, die mich erwarten. Aber hier habe ich nichts mehr in der Hand. Ich muss darauf vertrauen, dass alle Spielfiguren an der richtigen Stelle stehen und auch genau das machen, was wir ihnen zugedacht haben.

Und was noch hinzukommt: Ich muss darauf vertrauen, dass die drei Fragezeichen Wort halten und mich nicht doch noch verpfeifen.

Der Gedanke war die ganze Zeit bereits da, leise im Hintergrund. Bisher habe ich ihn weggeschoben und mich um das gekümmert, was oberste Priorität hatte: Bob zu retten.

Aber nun haben Zeit zum Nachdenken und zu guter Letzt eine Nachricht meiner Schwester dafür gesorgt, dass mein Gedankenkarussell Fahrt aufgenommen hat.

Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt