11 | IVETE

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Die alte, im spanischen Stil erbaute Villa ist dunkel und verlassen. Der Hausherr - ein Mann Namens Francis Barrios - ist bereits vor einer Stunde weggefahren und wird diese Nacht auch nicht so bald nach Hause kommen. Das Personal lebt nicht mit im Haus und hat bereits vor Stunden Feierabend gemacht.

Seit geraumer Zeit beobachte ich nun das Haus und die Gegend. Inzwischen ist es Mitternacht. Ich stehe auf einer kleinen Anhöhe hinter einem Baum mit perfektem Blick auf das gesamte Grundstück. Mein Auto steht in genügend Abstand am anderen Ende des kleinen Waldes, der direkt an das Grundstück anschließt. Leicht hüpfe ich auf und ab, wippe von den Zehen bis zur Ferse hin und zurück, um den Blutkreislauf anzuregen und meine Muskeln aufzuwärmen. Ich trage lediglich einen hautengen, schwarzen Overall aus einem dünnen Stoff, der mich nur bedingt warm hält. Daher ist es wichtig, immer in Bewegung zu bleiben und nicht auszukühlen. Das Adrenalin schießt durch meinen Körper und ich nehme mir einige Sekunden, um meine innere Mitte zu finden und mich für mein Vorhaben zu fokussieren. Ein letztes Mal zupfe ich die Skimaske, die meine Haare und mein Gesicht bedeckt, zurecht. Dann lege ich los.

Geduckt laufe ich in Richtung des Tores, biege aber vorher ab, um einige Meter davon entfernt die Mauer zu überwinden, die das gesamte Grundstück umfasst. Es dauert eine Weile, bis ich eine geeignete Stelle gefunden habe. Die Mauer ist viel glatter, als ich ursprünglich eingeschätzt hatte. Da ich weder Haken oder Seil dabei habe, noch groß genug bin, um einen Sprung zu riskieren, muss ich mich auf meine Erfahrung beim Klettern verlassen.

Ich atme noch einmal tief durch und konzentriere mich. Es ist tatsächlich etwas heikel, aber ich schaffe es bis zur Mauerkrone. Vorsichtig, um mich nicht an den Dornen zu verletzen, die dort angebracht sind, überquere ich die Mauer und lasse mich geräuschlos ins Gras auf der anderen Seite fallen.

Hinter einer dichten Hecke bleibe ich stehen und sondiere die Lage. Das Haus liegt still und dunkel vor mir. Der Anblick lässt mich leicht frösteln. Schuld daran sind nicht die nächtlichen Temperaturen, sondern die freudige Erwartung und ein klein wenig Angst, die ich verspüre. Sie ist mein ständiger, mahnender Begleiter, der mich davor bewahrt, allzu leichtsinnig zu werden. Ich habe keine Angst, erwischt zu werden. Ich habe volles Vertrauen in meine Fähigkeiten. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Die Überquerung des Grundstücks ist dann wiederum kein Problem. Ich setze zum Sprint an und drossele mein Tempo erst, als ich ein schützendes Gebüsch direkt am Haus erreicht habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mich niemand bemerkt hat, denn es gibt genug Stellen auf dem Grundstück, die nicht von den Kameras abgedeckt wurden. Die Hausbesitzer scheinen an diesem Punkt eher auf Abschreckung zu setzen. Ein Umstand, über den ich mich ganz sicher nicht beschweren werde.

Ich schleiche um das Haus herum, überquere die Terrasse. Erst an einem der unscheinbaren Seitenausgänge des Westflügels bleibe ich stehen. Ich greife nach hinten zu meinem Gürtel, an dem ich in mehreren Taschen und Schlaufen meine verschiedenen Werkzeuge befestigt habe. Aus einer der Taschen fische ich meine Dietriche. Erst der zweite passt ins Schlüsselloch und lässt sich drehen. Ich spüre, wie die Riegel einrasten, und das leise Klicken, mit dem sich die Tür öffnet, klingt wie Musik in meinen Ohren.

Ich husche durch die Tür und betrete den schmalen Flur, der zu diesem Seiteneingang führt. Direkt neben der Tür befindet sich auf Augenhöhe ein kleiner weißer Kasten mit Ziffernblock, an dem ein kleines LED-Lichtchen hektisch rot blinkt. Dreißig Sekunden bleiben mir für die Deaktivierung der Alarmanlage. Mit einem schmalen Schraubenzieher öffne ich die Abdeckung und fördere eine Menge Kabel und Elektronik zu Tage. Aus meinem Gürtel ziehe ich ein kleines Gerät, mit dem mich meine Schwester ausgestattet hat. Die daran angebrachten Kabel verbinde ich mit dem Schaltkasten der Alarmanlage. Das kleine Wunderding in meiner Hand beginnt sofort mit der Arbeit. Über das Display rattern unaufhörlich Zahlenkombinationen, bis schließlich vier Ziffern stehenbleiben. Diese gebe ich fix über den Ziffernblock ein und bestätige mit der Sterntaste. Ein leises Piepen und ein grünes LED signalisieren mir, dass es die korrekte Zahlenfolge war. Erleichtert atme ich aus, setze alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurück und mache mich dann endlich auf den Weg.

Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt