Drei Monate sind nun vergangen, seit ich das Krankenhaus verlassen habe, ohne noch einmal zurückzublicken. Drei Monate, die sich anfühlen, wie ein ganzes Leben. Ich habe noch am selben Tag LA verlassen und bin zurückgekehrt in meine Heimatstadt Vitória. Nach einem langen Gespräch mit meinem Vater stand schnell fest, dass ich mein Studium nicht fortsetzen werde. Nicht in LA. Also habe ich meine Zelte dort vollständig abgebrochen und alles zur Wohnungsauflösung in die Wege geleitet. Lediglich zu einigen Terminen bei der Polizei war ich nochmal dort.
Es ist ein schwerer Schritt gewesen. Ich mochte die Stadt und meine Wohnung sehr. Und auch wenn das Studium im Grunde nur Tarnung war, um von LA aus agieren zu können, hatte ich mich auf das Studentenleben doch sehr gefreut.
Natürlich ist das nicht der einzige Grund, weswegen mir der Schritt so schwer gefallen ist. Ich vermisse Bob. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke und mich am liebsten in den Flieger nach Kalifornien setzen würde. An dem ich nicht meine Entscheidung bereue. Unzählige Male hatte ich bereits das Telefon in der Hand und dann doch nicht die Nummer gewählt oder ihm geschrieben beziehungsweise auf seine unzähligen Nachrichten geantwortet.
Ich habe nichts dergleichen getan. Der Tag im Krankenhaus war der letzte, an dem ich mit ihm gesprochen habe. Der konsequente Kontaktabbruch war genau richtig. So vieles spricht gegen diese Beziehung.
Da ist zum einen die Entfernung zwischen Vitória und LA. Zwischen den Städten liegen 6.500 Meilen Fluglinie. Man ist mehr als 18 Stunden unterwegs, bis man endlich am Ziel ist. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber eine Fernbeziehung über 6.500 Meilen? Wie soll das funktionieren?
Dann hätten wir noch die Tatsache, dass wir auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes stehen. Mein Misstrauen gegenüber seinen Freunden mag übertrieben gewesen sein. Vermutlich hätte ich mich anders verhalten, wenn ich mehr Zeit gehabt und sich die Ereignisse nicht so überschlagen hätten. Aber es bleibt bei der Tatsache, dass ich eine Diebin bin und er Detektiv.
Und dann wäre da noch der Punkt, dass er wegen mir in diese Gefahrensituation geraten ist und schwer verletzt wurde. Als ich ihn da im Krankenhaus habe liegen sehen, wurde mir das ganze Ausmaß noch deutlicher bewusst. Ich weiß nicht, was genau er erlebt hat in den 24 Stunden in Raynors Gefangenschaft. Aber so, wie er ausgesehen hat, muss es die Hölle gewesen sein. Und ich bin daran Schuld! Ich werde es mir niemals verzeihen, dass er wegen mir da durchgehen musste. Und die Vorstellung, dass ihm eine noch viel schlimmere Hölle drohen könnte, je näher ich Seay komme, bereitet mir zugegebenermaßen Alpträume.
Ja, ich träume davon. Seit der Gedanke da ist, sucht mich immer wieder der selbe Traum in unregelmäßigen Abständen heim. Und es ist - um es vorsichtig zu formulieren - kein angenehmer Traum.
Es war die richtige Entscheidung, den Kontakt abzubrechen. Dieser harte Cut macht es uns beiden leichter, mit der Trennung klarzukommen.
Nur warum tu es so verdammt weh?
Ich ziehe die Knie unter den weiten Ponscho, den ich mir heute morgen einfach über meinen Bikini gezogen habe, kuschel mich noch tiefer in die Polster meines Lounge-Sofas und gebe einen tiefen Seufzer von mir, der vor Selbstmitleid nur so trieft. Aber da mich eh niemand hört, ist es mir auch egal. Ich bin allein auf der Veranda des Gästehauses, dass ich nach meiner Rückkehr in Beschlag genommen habe. Sogar mein Hund zieht es vor, meine Gesellschaft zu meiden. Das untreue Vieh verbringt seine Zeit lieber bei meiner Schwester.
Dabei kann ich es ihr nicht einmal verdenken. Um ehrlich zu sein, kann ich mich gerade selbst nicht ausstehen. Mir fehlt jedoch jegliche Energie, daran etwas zu ändern. Und die Perspektive. Ich weiß schlicht nichts mit mir anzufangen. Mein großes Ziel, in das ich so viel Energie reingesteckt habe, ist weggebrochen und in meinem Terminkalender herrscht gähnende Leere. Zu meinem eigenen Schutz wurde ich dazu verdonnert, den Kopf unten zu halten, um keine weitere Aufmerksamkeit zu erregen. Sogar aus dem Geschäft wurde ich vorrübergehend abgezogen und meine Aufgaben an eine - zugegeben sehr fähige - Mitarbeiterin übergeben. In der Hoffnung, etwas sinnvolles mit meiner Zeit anfangen zu können, während ich mich unsichtbar mache, habe ich mich für ein Fernstudium eingeschrieben. Doch die Motivation für die Kurse ist nicht einmal annähernd die gleiche, wie in LA.
DU LIEST GERADE
Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)
Hayran Kurgu❔ Band 1 ❔ Ivete Camargo führt ein Doppelleben. Tagsüber studiert sie an der UCLA Wirtschaft, um irgendwann das Familienunternehmen zu übernehmen, nachts schlüpft sie in eine völlig andere Rolle. Ihr Leben ist auf ein Ziel ausgerichtet und sorgsam g...