27 | IVETE

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»Sie haben ihn.«

Bei dem Satz löst sich vor lauter Erleichterung ein ganzes Gebirge in mir. Sie haben ihn! Bob ist frei!

Ich drehe mich ein wenig mehr in den Schatten, damit niemand meine Lippenbewegung sieht. »Wie geht es ihm? Kann ich mit ihm sprechen?«, flüstere ich.

»Nein, aber er ist okay. Konzentrier dich auf deinen Job!«, weist mich meine Schwester zurecht.

Ich atme durch und schlucke die Bemerkung herunter, die mir auf der Zunge liegt. Sie hat ja Recht! Es passt mir trotzdem nicht.

»Raynor hat übrigens nichts aus ihm rausbekommen«, informiert sie mich noch. »Sagt er zumindest. Peter ist jetzt auf dem Weg zu dir. Justus kümmert sich noch um Bob und wird dann nachkommen.«

Ich muss schlucken und schließe kurz die Augen, als mir die Bedeutung der Worte bewusst wird. Bob hat Wort gehalten. Dabei wäre es für ihn vermutlich viel einfacher und angenehmer gewesen, Raynor wenigstens ein paar Informationen hinzuwerfen. Das bedeutet dann auch, dass Taís mich gerade mit ziemlicher Sicherheit belogen hat. Bob ist nicht ›okay‹. Raynor wird ihn sicherlich nicht mit Samthandschuhen angepackt haben. Deswegen kommt Peter alleine und nicht alle drei, wie wir es ursprünglich besprochen hatten.

Ich sage jedoch nichts dazu, weil das hier einfach gerade nicht der geeignete Zeitpunkt ist. Später wird meine Schwester definitiv etwas zu hören bekommen, aber nun muss ich mich konzentrieren. Denn neben all dem Ärger ist mir auch bewusst, dass Bobs Zustand nicht lebensgefährlich sein kann. DAS wiederum hätte Taís mir niemals verschwiegen.

»Wo ist Raynor?«, lenke ich mich selbst von weiteren Gedanken um Bob ab.

Ich höre ein Seufzen, das mich alarmiert. »Keine Ahnung.«

»Wie, keine Ahnung.«

»Ich hab das Signal verloren. Vermutlich hat er Bobs Handy irgendwo auf dem Weg nach Manhattan Beach entsorgt.«

»Auch das noch«, murmele ich genervt vor mich hin.

Ich drehe mich wieder um und blicke hinaus auf den Pier auf der Suche nach einer Person, die sich auffällig für mich interessiert oder die Ähnlichkeiten mit Raynor hat. Ich stehe etwas am Rand an einer der bepflanzten Inseln, im Schatten der Palmen. Die Sonne steht tief am Horizont und färbt das Wasser und den Strand bereits in leuchtenden Orangetönen. Aber anders als sonst habe ich für dieses Farbenspiel heute keinen Blick. Ich beobachte die Menschen, die sich hier tummeln und den Abend am Strand genießen. Es ist einiges los und ich hatte schon Bedenken, überhaupt einen Platz für mein Auto zu finden. Aber das Glück war ausnahmsweise mal auf meiner Seite.

Ich bin so in die Suche nach Raynor vertieft, dass ich nicht merke, wie sich von hinten jemand nähert. Unsanft und hart werde ich zur Seite geschubst. Ich verliere das Gleichgewicht, aber bevor ich den Boden berühre, packen mich zwei starke Arme.

»Hey, sorry, hab ich dir weh getan?«, fragt mich eine männliche Stimme.

Ich blicke auf und sehe in zwei grüne Augen. Ein junger Mann steht vor mir. Ein typischer kalifornischer Surfer-Boy. Braungebrannt, gut gebaut, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Die blonden Locken stehen in alle Himmelsrichtungen ab.

Er lässt mich los und entfernt sich ein paar Schritte, um das verwaiste Skateboard hochzuheben, das gegen die Mauer neben uns gefahren ist.

»Sorry nochmal«, entschuldigt er sich mit verkniffener Mine und fährt sich verlegen durch die Haare. »Ich hatte einfach zu viel Speed drauf und konnte dann nicht mehr ausweichen.«

»Ist ja nichts passiert«, winke ich ab. »Danke für's Auffangen.«

Ich will mich abwenden, aber der Surfer-Boy macht keinerlei Anstalten, sich zu verabschieden. Im Gegenteil. Er mustert mich neugierig und interessiert.

Auf der Spur der Meisterdiebe (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt