Fellfarben und offene Fragen

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 Völlig unvermittelt fragte ich, „welches Jahr haben wir eigentlich?"


„2008, wieso?" fragte Sam misstrauisch. Beinahe wäre mir der Cookie im Hals stecken geblieben. So verschluckte ich mich dezent, bekam einen Hustenanfall und versuchte möglichst gelassen zu erwidern „Och, nur so!" Scheiße, ich war erst acht, wie konnte man denn sechs Jahre „zurück schlafen"?

„Sag mal, irgendwas stimmt doch nicht mit dir? Kannst du bitte mal erklären, was es mit dir auf sich hat?" sagte Sam und es war deutlich zu hören, dass er keine Ausflüchte gelten lassen würde. Dabei betonte er die Worte „mit dir" so nachdrücklich, dass ich mir wie ein seltenes und noch dazu besonders ekliges Insekt vorkam. Allerdings fand ich es so komisch, solche Worte ausgerechnet von jemandem zu hören, der sich in ein zotteliges Tier verwandelte, dass ich einen Lachanfall bekam. Mir liefen die Tränen vor Lachen über die Wangen. Ich gebe zu, es könnte einen verstörenden Eindruck machen, wenn nicht sogar leicht wahnsinnig wirken. Es dauerte einige Zeit, bis ich wieder Luft bekam und reden konnte.

„Wenn ich es wüsste, würde ich es euch durchaus erzählen." antwortete ich endlich auf Sams Frage. „Was soll das denn heißen?" wollte er weiter wissen, anscheinend reichten ihm meine Infos nicht. Naja, meine Antwort war ja auch nicht wirklich informativ gewesen. Hätte ich vielleicht sagen sollen „Ich bin im falschen Film und weiß nicht wo's raus geht." Nicht wirklich, oder? Also sagte ich einfach nochmal, dass ich es nicht wüsste. Aber Sam schien ein Problem mit Unwissenheit zu haben oder glaubte mir schlichtweg nicht. Nach der vierten Version von „Was meinst du damit?" platze mir die Hutschnur, etwas lauter mit einem leicht aggressiven Unterton meinte ich: „Man raffst du's endlich mal, ICH HABE KEINE AHNUNG! Schließlich kann ja nicht jeder irgendwelche Stammesgeschichten haben, die einem erklären, warum einem komische Sachen passieren."

In der nun folgenden Stille hätte man ohne weiteres eine Schnecke kriechen hören können. Allerdings sah ich keine.

„Woher weißt du....?" begann Sam zu brüllen, aber ich unterbrach ihn ganz gelassen, in dem ich sagte: „Ich weiß nicht nur, dass es bei euch so ist, sondern auch, dass du ein schwarzes Fell hast." dann zeigte ich auf Paul „Du bist grau." Zu Jacob gewannt fragte ich „Nennt man das bei Wölfen brünett oder braun?" Es sah aus, als würde sein Kinn dem Bauchnabel einen Besuch abstatten wollen, während ich mich nach und nach jedem zuwandte und das entsprechende Fell beschrieb. Dann wandte ich mich wieder Sam zu, lächelte ihn süffisant an und meinte „Ich weiß weder, warum ich hier bin, geschweige denn, wie ich herkam, aber glaub mir, wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich nicht hier." Mit diesen Worten setzte ich mich, griff mir einen Muffin und befand, die Cookies waren eindeutig besser, auch wenn die Muffins nicht übel waren. Kritisieren auf hohem Niveau konnte ich schon immer gut. Hätte ich gewusst, dass es sich hier nicht nur um eine surreale Traumlandschaft handelt, wäre ich mit meinem losen Mundwerk eventuelle etwas vorsichtiger gewesen. Aber irgendwie wollte ich es noch nicht wahrhaben, dass ich hier festsaß.

Es dauerte eine ganze Weile bis sich das Rudel von meiner Farbzuordnung erholt hatte und Sam hörte sich auch gar nicht mehr ganz so wütend an, eher so, als wüsste er nicht genau, wie er mit so jemandem wie mir umgehen sollte „Anscheinend weißt du eine ganze Menge von uns und ich vermute mal, dass du uns das auch nicht erklären willst oder kannst?" Sam schien ja geradezu einen intellektuellen Höhenflug zu haben. „Jep." bestätigte ich kurz und widmete mich wieder dem zweitplatzierten Gebäck zu.

Manchmal gibt es zum Tod eine Alternative | Seth Clearwather | PausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt