Dreizehn

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Die Wochen verstrichen und die Ferien kamen immer näher. Allerdings schien das die Lehrer wenig zu interessieren, sie schrieben alle Tests und Klausuren kurz bevor die 2 Wochen ohne Schule begannen. Also hatten die Schüler viel zu tun, wenig Zeit für Freizeit und komischerweise half genau das Noah. Wenn er ich in die Schule stürzte, vergass er für kurze Zeit die Verwirrung über seine Gefühle. Denn irgendwie wollte ihn der Kuss nicht loslassen, egal was er probierte, irgendwie half nichts. 

Mit Colin ging Noah, so gut es ging, freundschaftlich um. Es schlichen sich aber immer wieder Gedanken in seinen Kopf, die er zu unterdrücken versuchte. Es waren welche wie ,er sieht verdammt heiß aus, wenn die Sonne so auf ihn scheint' oder ,Küss ihn, seine Lippen sind verdammt weich'. Noah wollte in diesen Momenten so weit es ging Abstand von Colin nehmen, damit die Gedanken still wurden. Doch, wenn Colin wieder weg ist, fühlt Noah einen Stich im Herzen, so als würde ein Teil von ihm nicht bei ihm sein. 

Dann zieht er sich zurück, in den Wald oder in den Tanzsaal. Das Klavier zog ihn dorthin. Er spielte meistens Lieder, die er sicher ohne Noten konnte, manchmal öffnete er provisorisch Noten aus dem Internet auf seinem Handy. Es ist zwar nicht die optimalste, und vorallem nicht formalste, Lösung, aber immerhin war es eine.


Auch jetzt saß er an dem Klavier, die Finger sanft auf den Tasten und klimperte eine Melodie vor sich hin. Er spielte sie in Dauerschleife, nicht bereit aufzuhören. 

Er bemerkte gar nicht, wie die Tür geöffnet und er beobachtet wurde. Erst als die Tür mit einen Krachen ins Schloss fiel, drehte sich Noah um und bemerkte Colin. Sofort färbten sich seine Wangen rot und er bekam große Augen. Wie lange stand er schon da? Colin sah kurz schuldbewusst drein, allerdings trat er dann einen Schritt auf Noah zu. 

„Das war schön. Spielst du es bitte nochmal?", bat der Lockenkopf seinen Mitbewohner. Noah konnte Colin leider keine Bitte abschlagen, egal ob er wollte oder nicht. Also nickte er und drehte sich nervös zum Klavier um. Bis jetzt hatte niemand seine Patzer erlebt, deswegen war Noah auch nicht wirklich nervös beim Spielen. Doch jetzt wurde er von Colin beobachtete und seine Finger zitterten wie Espenlaub, als er sie zurück zu den Tasten bewegte. Colin hatte sich auf den Boden hinter ihm gesetzt und die Augen geschlossen. Allein Noahs Anwesenheit ließ Colins Geist ganz ruhig werden. Er dachte nicht mehr an die stressigen Prüfungen, die bevorstehenden Ferien ohne Julia oder an sonst etwas. Er konzentrierte sich auf Noah und die Atmosphäre im Tanzsaal. Es war intim, etwas das nur für ihn und den Blonden bestimmt war. Niemand konnte diesen Moment unterbrechen oder ruinieren. 

Noah fing zaghaft an zu spielen. Zu seiner Überraschung baute er keinen einzigen Fehler ein und so wurde er immer bewusster in dem was er tat. Er spielte Klavier, während Colin ihm zuhörte und ihn bewunderte. Denn genau das tat er. Colin hatte die Augen geöffnet und betrachtete Noahs Rücken und Hinterkopf. Die Stelle, wo sein Dutt zusammengebunden war, den Nacken, in dem sich einzelne kurze Strähnen kräuselten, den Saum des roten T-Shirts das er trug. All das schaute sich Colin an, während er der immer gleichen Melodie lauschte. Es war ein wunderschöner Moment, den Colin nicht enden lassen wollte. Um das wahr werden zu lassen, schloss er wieder die Augen, in der Hoffnung, so könnte er die Zeit anhalten.

Noahs Spielen wurde mit jeder Note leiser und das Stück klang allmählich aus. Dann Stille, nur das gleichmäßige Atmen von Colin und Noah. Sie spürten die Magie des Liedes noch im Raum, keiner war bereit sie zu durchbrechen. Doch als die Stille zu still wurde, öffnete Colin wieder die Augen. 

Noah hatte sich auf dem Schemel zu dem Lockenkopf gedreht und schaute ihn erwartungsvoll an. Colin öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Mehrmals. Er konnte nichts sagen, Worte können nicht beschreiben, wie schön es gewesen war. Und dass Noah es nur für ihn gespielt hatte, versetzte ihn in eine Schockstarre. Noah wurde immer hibbeliger, er wollte wirklich, dass es seinem Mitbewohner gefallen hatte. 

„Das war einfach unglaublich. Ich kann es gar nicht beschreiben, wie wunderschön das war", sagte Colin schließlich, um Noahs Leistung zu beurteilen. Noah wurde nach diesen Worte ein wenig rot und blickte den Boden an, um seine Wangen vor Colin zu verstecken. Dazu bildete sich ein breites, trotzdem verlegenes, Lächeln auf seine Lippen. 

„Wie heißt das Stück", fragte Colin, ehrlich interessiert. Vielleicht würde er nachher das Lied googeln und rauf und runter hören. 

Visions of Gideon. Aus call me by your name. Eigentlich gibt es noch einen Songtext dazu, aber ich werde nicht singen", sagte Noah und schaute Colin wieder an. Der Lockenkopf ist überrascht. Er hätte nicht gedacht, dass Noah solche Filme schaut. Normalerweise ist er auf Horrorfilme fokussiert, nicht auf Romanzen, und schon gar nicht auf die, die traurig enden und man jedes mal heulen könnte. 

Offenbar verriet sein Gesichtsausdruck die Überraschung, denn Noah beantwortete seine ungestellte Frage schnell. „Ja, ich schau nicht nur Horrorfilme. Und ich finde den Film wirklich schön". 

„Das stimmt. Julia hatte mich gezwungen den zu schauen. Ich hab am Ende mehr geweint als sie", gab Colin zu. 

Er konnte sich genau an diese Nacht erinnern. Er und Julia in Julias Zimmer, zusammen unter einer Decke auf ihrem Bett. Zwischen ihnen eine Packung Taschentücher und eine Tüte Chips. Colin gab nicht gerne zu, dass er nah am Wasser gebaut ist, wenn es um traurige oder hoffnungslose Romanzen ging, aber es war so. Und vor Noah hatte er es direkt zugegeben. Etwas an Noah ließ ihn sicher fühlen, so als würde er wissen, dass er von dem Blonden nie verurteilt werden könnte. 

„Hätte ich dir nicht zugetraut", gab Noah ehrlich zu. Dann schwiegen sie wieder in angenehmer Stille. Noah hatte sich zurück zum Klavier gedreht und spielte mit der rechten Hand ein paar Akkorde. Colin lauschte dem Klang, während er immernoch auf dem Boden saß. 

„Wann kommt eigentlich deine Schwester?", fragte Colin aus dem nichts heraus. „Weiß nicht genau. Meine Eltern wollten es mir eigentlich nochmal schreiben, haben sie aber noch nicht. Ich würde jetzt mal auf Freitag nach der Schule tippen. Die Schüler müssen zumindest freitags immer abgeholt werden. Wie Neele herkommt frag ich mich auch noch. Willst du mir denn noch helfen?". Colin nickte. Logisch würde er noch helfen. Er hatte keine richtigen Geschwister, er freute sich auf Noahs kleine Schwester. Und er war ja immernoch mit Noah befreundet und Freunden sollte man helfen. Zumindest redete er sich das so ein. 

Plötzlich vibrierte Colins Handy, das er in der Hosentasche aufbewahrt hatte. Julia, war irgendwie vorhersehbar. „Das ist Julia, sie kocht jetzt. Soll sie dir auch etwas machen?", erklärte Colin dem Blonden. „Gehst du zu ihr und hilfst ihr?", stellt er die Gegenfrage. Nach kurzer Überlegung nickte Colin. 

Wie aufs Kommando stand Noah auf. „Dann komm ich auch mit runter", meinte er voller Elan. Colin lächelte und schüttelte den Kopf. 

Verstand mal jemand Noahs Stimmungsschwankungen. 

„Okay", antwortete der Lockenkopf. Zusammen gingen sie nach unten in die Küche, wo Julia mit Ava schon am Herd stand und etwas vorbereitete. Sie kochten , aßen und räumten zu viert auf. 

Noah taute in der Gegenwart der Mädchen immer mehr auf. Und Colin konnte seine Augen nicht von dem Blonden lassen. Wie auch? Er war zu hübsch. Colin schaute ihn gerne an. Das war komplett normal für beste Freunde, stimmt's? Colin redete es sich einfach so ein. Es war einfacher. 

You're not alone, even if we're not around | Nolin FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt