Sieben

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Noah verzweifelte fast an dem Zusatzreferat. Was war das aber auch für ein bescheuertes Thema? Sein Kopf glühte, er könnte schwören, man sah Dampfwolken, die von seinem Kopf aus aufstiegen. Es wollte einfach nicht in sein Hirn rein, was da auf dem Tablet stand. Am liebsten würde er einfach den Rest des Jahres Chemie schwänzen, oder zumindest solange bis Frau Holopainen diesen Vortrag vergass. Aber das würde sie nicht und das ganze Jahr schwänzen, konnte Noah sich nicht leisten. Sitzen bleiben musste er wirklich nicht. Also versuchte er diesen Vortrag so schnell zu machen wie nur möglich. Was wäre, wenn er Colins Hilfe angenommen hätte? 

Wie auf ein unsichtbares Zeichen, öffnete Colin die Tür, als Noah an den Brünetten dachte. "Und, schon weit gekommen?", fragte er und ließ sich auf sein Bett fallen. Dadurch, dass in dem Zimmer nur 2 Schreibtische standen und Joel einen blockiert hatte, mussten Colin und Noah sich den, der neben Colins Bett, teilen. Beim Hinsetzen sah Colin auf das Display von Noahs Tablet und sah nur die Überschrift. Noah schaltete es schnell ab und lächelte unscheinbar Colin an. 

"Läuft", sagte er selbstsicher und versuchte auch sein Lächeln so scheinen zu lassen. Colin zog einfach nur eine Augenbraue hoch und grinste. "Wenn du meinst", fügte er noch dazu, ehe er seine Kopfhörer aufsetzte und auf seinem Hand einen Knopf drückte. Noah starrte 30 Sekunden die Aufgabe an, ehe er seinen Stolz wegwarf. Lieber sich vor Colin etwas unsicher zeigen, als sich vor dem Chemie-Kurs zum Klops zu machen. 

"Es tut mir Leid, wie ich dich heute nach Chemie angefahren hatte. Wenn dein Angebot, mir zu helfen, noch steht, würde ich es vielleicht doch annehmen", flüsterte Noah. Als hätte Colin gewusst, dass Noah das sagen würde, grinste er und nahm die Kopfhörer, aus denen nichtmal Musik kam, wieder ab und setzte sich neben Noah an den Schreibtisch. "Zeig mal her", meinte er dann noch und ließ sich von Noah die Aufgabe zuschieben. "Klingt doch gar nicht so schwer", sagte Colin, als er die Aufgabenstellung durchgelesen hatte. Dafür erntete er einen empörten Blick von Noah. Das war sehr wohl schwer. Ansonsten würde er nicht nach Hilfe fragen. 

Er drehte sich zurück zur Aufgabe und starrte sie mit großen Fragezeichen über dem Kopf an. Das könnte genauso gut in chinesisch dort stehen, er würde genauso viel verstehen. "Hast du schon einen Ansatz?", fragte Colin ihn und schaute den Blonden an. Noah schüttelte mit dem Kopf, nachdem er nochmals 5 Sekunden die Aufgabe angestarrt hatte. "Würde ich sonst um Hilfe bitten?", fragte er dann noch schnippisch. Colin hob abwehrend die Hände und lächelte Noah versöhnlich an. "Okay, dann eben ganz von vor", begann er. 

Colin zeigte Noah den Lösungsweg, erklärte die Grundlagen, die er dafür können müsste, beschrieb Prozesse und achtete darauf, dass Noah alles verstand und mitschrieb. Irgendwie musste er das Experiment dann auch selber vortragen. Insgesamt saßen sie etwa 2 Stunden an dem Protokoll und dem zugehörigen Referat. Am Ende waren beide gerädert, allerdings hatte Noah endlich verstanden was genau Frau Holopainen eigentlich von ihm wollte. 

Colin war froh, dass Noah ihn um Hilfe gebeten hatte. Er verbrachte gerne Zeit mit dem Blonden und selbst ein Chemiereferat brachte ihm dadurch Freude. Irgendwie ließ Noah alles interessanter wirken. Zum Beispiel konnte sie Colin nie für Horrorfilme begeistern, doch jetzt wollte er umbedingt zu einem ins Kino. Vorausgesetzt Noah war dabei. 

"Mist, ich wollte Neele anrufen", meinte Noah und stand schnell von dem Stuhl auf. "Lässt du mich vielleicht für eine halbe Stunde allein?", fragte er dann leise. Er wollte Colin nicht rausschmeißen, schließlich war es ja auch sein Zimmer, allerdings konnte er nicht vor anderen Leuten telefonieren. 

"Ist es okay, wenn ich auf voller Lautstärke Musik höre und lese. Ich tu so als wärst du nicht da", schlug Colin vor. Noah musste zugeben, dass Colin verdammt süß aussah, als er diese blöden Augen auf ihn richtete, die ihn irgendwann noch ins Grab bringen würden. Noah konnte nicht anders als einknicken und nickte einfach. 

Also schmiss sich Colin auf sein Bett und setzte die Kopfhörer auf. Schon Sekunden später hatte er sein Buch aufgeschlagen und war in einer anderen Welt. Heimlich betrachtete Noah seinen Mitbewohner. Ihm war bereits mehrmals aufgefallen, dass Colin mehr als gut aussah, doch manchmal raubte es Noah den Atem. Er war sich sicher, noch nie einen Menschen gesehen zu haben, der auch nur ansatzweise so hübsch war, wie Colin es war. 

Noah zwang sich den Blick von Colin zu nehmen, bevor er noch anfing zu sabbern. Peinlicherweise war ihm das in Mathe passiert. Niemand hatte etwas mitbekommen, allerdings merkte er im Nachhinein, wie auffällig er den Jungen vor sich angestarrt haben musste. Noah hatte in den meisten Fächern einen guten Blick auf Colins Hinterseite, weil er eben in den meisten Fächern genau vor ihm saß. Einerseits ein Fluch und ein Segen. 

Mehr Fluch, wenn man bedachte, wie oft Noah in Tagträume verfiel, wenn er Colins Locken am Hinterkopf betrachtete und dadurch gar nicht mitbekam, was eigentlich so im Unterricht los war. Aber es war ein Segen, weil er einen Grund hatte ihn anzustarren. Noah betrachtete das ganze als seinen kleinen persönlichen Teufelskreis. 

Noah schmiss sich auf sein Bett, das Handy bereits in der Hand. Auf dem Sperrbildschirm blinkte ihm überraschenderweise eine neue Nachricht entgegen. Von seiner Mutter. Sofort öffnete er WhatsApp, um die Nachricht zu lesen. Doch sie ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. 

Wir sind noch lange nicht durch. Neele wird die Herbstferien über zu dir aufs Einstein kommen. Mit Frau Schiller ist schon alles geklärt. 

You're not alone, even if we're not around | Nolin FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt