Einunddreißig

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Noah hatte sich auf den Baumstamm gesetzt, auf dem er schon hunderte Male gesessen hatte. In der Hand hielt er sein Handy und in der Jackentasche hatte er noch Kabelkopfhörer. Dieser Ort zog ihn magisch an, vorallem wenn er nachdenken wollte. Er konnte den Gedanken freien Lauf lassen und sich einfach in seinem Kopf fallen lassen. 

Heute allerdings dachte er so viel nach, dass es ihm schon Kopfschmerzen bereitete. Er suchte Wege, sich von seinen Eltern zu distanzieren und dabei Neele mitzunehmen. Er durchforstete das Internat nach Lösungen, allerdings bisher ohne großen Erfolg. 

Auf einmal vibrierte sein Handy kurz. Eine Nachricht von Colin. Wo bist du? fragte der Lockenkopf. Noah schickte einfach seinen Standort und schloss sein Handy dann wieder. Colin würde ihn schon finden, er würde sich eh nicht weit wegbewegen. Vielleicht würde er 3 Zentimeter nach rechts rutschen, aber den Baumstamm würde er nicht verlassen. 

Ein paar weitere Minuten saß Noah einfach weiter so da, eine Blockade hatte sich in seinem Kopf breit gemacht. Es war als würde sein Gehirn streiken und erst weiterdenken, wenn er an etwas anderes als Gesetzte, seine kaputte Familie oder Colin dachte. Dabei dachte Noah gerne an Colin. An seine grünen Augen, seinen braunen Locken, die im Morgen so schön chaotisch lagen, seine Lippen, die er so gerne küsste. Und die Grübchen, die sich immer zeigten, wenn er lachte. Wie gesagt, Noah dachte gerne an Colin. 

Nach etwa 20 Minuten kam Colin durch die Bäume geschlängelt. Sein Blick war auf seinen Handybildschirm gerichtet. Noah sah ihm zu, wie er sich über den Waldboden fortbewegte und fast wegen einer Wurzel stolperte und hinfiel. Er musste sich ein Lachen verkneifen, ein Grinsen kam trotzdem auf seine Lippen. Wie konnte man diesen Idioten eigentlich nicht mögen?

Plötzlich schaute Colin direkt zu Noah und lächelte. Da er nun wusste, in welche Richtung er musste, steckte er sein Handy in seine Hosentasche und machte sich auf den Weg zu dem Baumstamm und Noah. 

„Ich dachte schon, du kommst nie", kommentierte Noah, als Colin beim ihm ankam und sich neben ihn setzte. „Dachte ich auch. Wie hast du diesen Ort bitte zufällig gefunden?". 

Noah zuckte grinsend mit den Schultern. „Also, warum wolltest du wissen, wo ich bin?", wechselte Noah das Thema. 

„Ich will nicht, dass du ständig vor mir wegrennst, wenn deine Erzeuger wiedermal Arschlöcher sind". Noah schwieg. Er wusste, dass er Colin damit Unrecht tat, immerhin hatte der Lockenkopf nicht getan. Trotzdem rannte er weg. Es war für ihn so leicht und verführerisch in alte Muster reinzufallen und es wurde umso schwerer, aus ihnen auszubrechen. 

„Ich weiß. Es tut mir Leid. Ich musste nur kurz raus". „Als du beim letzten Mal nur ‚kurz raus musstest' haben wir fast 2 Wochen nicht geredet. Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich brauch dich, Noah", gab Colin zu und sah den Blonden ernst an. 

Noah selber hatte den Kopf gesenkt. Er wusste, dass Colin-mal wieder- Recht hatte und er schämte sich, dass er so war wie er war und sich komplizierten Situationen nicht stellen können. 

„Gehen wir zurück? Es gibt bald Abendessen?", fragte Colin und stand auf. Noah hielt er die Hand hin. Der blonde Junge nickte, nahm die Hand an und ließ sich hochziehen. Er mochte es Colins Hand zu halten. Sie war warm und weich und umschloss seine, sodass er sich direkt sicherer fühlte. Colin sah es offenbar auch nicht als notwendig an, seine Hand loszulassen, also liefen sie Hand und Hand durch den Wald. Noah hatte früher nicht verstanden warum Menschen Händchen hielten beim Laufen. Er dachte immer, dass das behindern würde. Er wurde eines besseren belehrt. Sie ließen sich Zeit, liefen den Wald auf sich einwirken und genossen das Beisammensein. Noah hatte Stille noch nie als so wunderschön empfunden, wie bei diesem Spaziergang. 

Doch irgendwann kamen sie wieder am Internat an. Instinktiv ließ Noah Colins Hand los. Sofort fühlte sich seine Hand kalt und verloren an. Am liebsten hätte er Colins Hand wieder ergriffen, aber die Angst, dass jemand sie erwischen könnte übermannte ihn, deswegen unterließ er den Drang. Colin sah etwas verletzt aus, wusste aber aus welchem Anlass der Blonde so handelte, wie er es tat und sagte nichts. 

Die beiden Jungs gingen in das graue Gebäude und auf direktem Weg in die Küche, wo Julia und Ava bereits kochten. Colin begrüßte die beiden mit einem Grinsen im Gesicht und Noah rang sich ein Lächeln ab. Die beiden halfen den Mädchen schließlich beim Kochen und aßen dann auch mit Ava und Julia. Sie saßen sich gegenüber und während Ava und Julia über irgendetwas redeten, schwiegen Noah und Colin bloß. Colin strich mit seinem Fuß an Noahs Bein entlang und grinste den Blonden schelmisch an. Noah grinste zurück und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf, so als wolle er Colin anweisen, damit aufzuhören. Aber eigentlich genoss er die Unscheinbare Berührung sehr. 

Eine halbe Stunde später sind Colin und Noah allein in ihrem Zimmer. Joel meinte, er würde noch ein wenig im Gemeinschaftsraum bleiben und Hausaufgaben erledigen. Die beiden hatten sich kurzerhand entscheiden noch eine Film zu schauen. So lagen sie nun eng nebeneinander gekuschelt auf Colins Bett, und sahen sich IT an-natürlich hatte Noah den Film ausgesucht. 

„Ich kann rote Ballons nie wieder normal ansehen", meinte Colin, als der Film vorbei war. Noah lachte, genau wie er schon den Film durchgelacht hatte. Colin zuschauen, wie er einen Horrorfilm sah, war wirklich wie eine Comedyshow. 

„Wenn du meinst", sagte Noah grinsend. Sie lagen dich nebeneinander auf Colins Bett. Noah hatte seinen Arm um die Hüfte des Lockenkopfes gelegt und mit der anderen Hand stützte er seinen Kopf. Auch Colin stützte mit einem Arm seinen Kopf, den anderen hatte er über Noahs Schultern gelegt. Sie verfielen in eine angenehme Stille. Sie könnten bis an ihr Lebensende so liegen bleiben, dachte sich Colin. Mit Noah, kuschelnd in einem Bett liegen, nah einander Filme schauen. Colin hatte soeben einen neuen Lebenstraum bekommen. 

„Darf ich dich küssen?", flüsterte er Noah zu, welcher nickte. Sobald er das Signal gegeben hatte, lagen die Lippen des Lockenkopfes auf seinen. Es war ein sanfter, unschuldiger Kuss, in denen beiden ihre Gefühle legten. Er hielt nicht lange an, aber lange genug, um den beiden Jungen den Atem zu rauben. 

„Noah?", fing Colin an, „willst du mein fester Freund sein?". 

You're not alone, even if we're not around | Nolin FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt