Eins

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Noah hatte die Musik, die durch seine Kopfhörer in seine Ohren dran, auf komplette Lautstärke gedreht. Er wollte nicht hören, wie seine Eltern sich schon wieder anschrieen. Es war seit Wochen das gleiche. Schon kleine Dinge brachten sie auf die Palme und dann hallten die lauten Worte durch das komplette Haus. Das sich die Nachbarn noch nicht beschwert hatten, wunderte Noah etwas. Die Streits hielten ewig an, meistens ging das Geschrei auch nachts erst richtig los. 

Auch jetzt war die Dämmerung schon herein gebrochen und Noah sah noch keine Ende. Aber so waren seine Eltern eben. 

Er hatte sich auf die Fensterbank in seinem Zimmer gesetzt, eine Decke über die Beine. Er hatte seine Kopfhörer genommen und schnell seine Playlist angeschaltet und die Lautstärke bis zum geht nicht mehr aufgedreht. In seinen Armen hielt er sein Kuschelhasen. Noah hatte ihn zur Geburt von seiner Oma bekommen. Sie war immer fürn ihn da gewesen, allerdings ist sie 3 Jahre zuvor an einem Schlaganfall gestorben. Noah war am Boden zerstört. Sie war neben Neele, die einzige Person, die ihm wirklich wichtig waren. Nun war nur noch Neele da. 

Wie aufs Stichwort stand das kleine Mädchen in der Tür zu seinem Zimmer. Schon im Schlafanzug gekleidet und mit einem Kuschelschaf in der Hand stand sie dort und blickte ihren großen Bruder mit traurigen Augen an. „Mama und Papa streiten schon wieder", flüsterte sie und trat vollständig ins Zimmer. Noah hatte seine Musik ausgeschaltet und breitete seine Arme aus, damit Neele sich zu ihm setzten konnte. Diese tat das auch und tippelte schnell zu ihm. 

Sie war 7 Jahre alt und sah aus wie ihr Bruder. Die selben Haare, Augen, der selbe Mund die selbe Nase. Eigentlich war sie nur eine kleine, weibliche Form von ihm. Und auch sie hatte niemanden außer Noah. Dabei war sie normalerweise ein lebensfrohes Mädchen, das gerne lachte und viel Energie hatte. Doch die ganzen Streitereien ihrer Eltern machten sie fertig. Genau wie Noah. Als sie geboren wurde, schwor er sich, dass sie immer seine erste Priorität sein würde. Und daran hatte er sich bis heute gehalten. 

Sanft strich er durch ihre blonden Haare und fing an, sie locker zusammenzuflechten. Er wollte nicht, dass Neele so aufwachsen musste. Ihm war es egal, er kannte es nicht anders. Aber sie war gerade einmal 7. Sie sollte mit Liebe aufwachsen. Und diese sollte sie von ihren Eltern bekommen, nicht von ihrem großen Bruder. Zumindest sollte das nicht die einzige sein.

 „Wann hören Mama und Papa auf zu schreien?", fragte die Kleine vorsichtig. Noah schwieg drei Sekunden. Er konnte sie nicht enttäuschen und ihr sagen, dass es egal ist, wann sie aufhören, sie würden wieder anfangen. Er fragte sich auf, warum die bedien nicht schon lässt sich hatten scheiden lassen. Das würde viele Probleme lösen.

 „Bald", sagte er und befestigte einen kleinen Zopf mit einem dünnen Haargummi. Sie saßen oft zusammen auf der Fensterbank, deswegen hatte Noah sich eine kleine Box mit Haargummis, -spangen und -klammer auf diese gestellt. Neele gähnte und lehnte sich an Noahs Brust. Sie hatte heute einen langen Schultag und war dann noch beim Kinderturnen. Sie war einfach nur müde. 

Aber ihre Eltern schienen nicht wirklich Rücksicht darauf zu nehmen und schrieen trotzdem das Haus zusammen. Noah bemerkte, dass seine kleine Schwester schlafen möchte, deswegen trug er sie in sein Bett und deckte sie vorsichtig zu. Dann legte er sich neben sie, zum Glück war sein Bett ziemlich groß.

Der Mond ist aufgegangen

Die goldnen Sternlein prangen

Am Himmel hell und klar

Der Wald steht schwarz und schweiget

Und aus den Wiesen steiget

Der weiße Nebel wunderbar

Das Lied hatte Noahs Oma ihm vorgesungen, als er kleiner war, später auch Neele, wenn die beiden bei ihr waren, wenn ihre Eltern sich mal wieder gestritten hatten. Noah sang es Neele immernoch vor, wenn sie bei ihm schlief und ihre Eltern wieder stritten. Es war etwas, woran er für immer festhalten würde. Neele kuschelte sich an ihr Schaf. Das hatte sie auch zur Geburt von ihrer Oma bekommen, genau wie Noah seinen Hasen bekommen hatte. Es war eines seiner wertvollsten Gegenstände, die er besaß und auch niemals hergeben würde. 

You're not alone, even if we're not around | Nolin FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt