Sechsundzwanzig

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Die beiden Jungs waren Arm in Arm eingeschlafen. Sie wussten selber nicht, was sie so fertig gemacht hat, aber als sie aufwachten und aus dem Fenster schauten, merkten sie, das die Sonne bereits kurz davor war unterzugehen. Der Himmel wurde in tiefes rot und orange getaucht und Colin verlor sich kurz in den Farben. 

Sonnenuntergänge hatte er schon immer bewundert. Er hatte sich oft eine Decke geschnappt und sich mit einer Packung Kekse in den Garten gesetzt, um die Sonne zu beobachten. Oft hatten sich seine Eltern zu ihm gesetzt, ihm eine weitere Decke um die Schultern gelegt, damit ihm nicht kalt wurde oder sie hatten ihm ein Buch vorgelesen. 

Seit ihrem Tod, beobachtete Colin Sonnenuntergänge immernoch, wenn auch mit einem Stechen in der Brust. In solchen Momenten, Momente, die seine Kindheit geprägt haben, fehlen ihm seine Eltern so sehr. Eigentlich hörte er sich in solchen Minuten immer die Audiodatei seines Vater an, aber dieses Mal nicht. 

Er spürte 2 Arme, die sich um seine Taille schlungen und einen Kopf, der sich erschöpft auf seine Schulter fallen lässt. In Colins Bauch tanzten die Schmetterlinge und sein Herz verschnellerte sich. Es fühlte sich aber so schön an. 

„Wollen wir essen gehen?", fragte Noah leise, nachdem sie weitere Sekunden einfach nur aus dem Fenster gesehen hatten. Colin nickte, schmiegte sich an Noahs Kopf und machte keine Anstalten, sich aus dieser Position lösen zu wollen, genau wie Noah. So wie es gerade war, war es eigentlich perfekt. Nur sie beiden, zusammen, Arm in Arm und der orange-rote Sonnenuntergang. 

Plötzlich öffnete sich die Tür-wieso haben die beiden keine Sekunde zusammen?- und ihr dritter Mitbewohner quetschte sich das Zimmer. 

‚Stimmt, den gibts ja noch', dachte sich Noah im Stillen. 

Dadurch, dass Joel nun ebenfalls da war, konnte er Colin nicht mehr umarmen. Zumindest nicht, wenn er nicht auffliegen wollte. „Alles okay bei euch?", fragte Joel. Offenbar war ihm bewusst, dass er gerade etwas unterbrochen hatte, so ganz sicher was genau, war sich der Brillenträger allerdings nicht. Colin nickte, sah dann zu Noah und zusammen verschwanden die beiden nach unten in die Küche. Joel blieb verdutzt zurück. 

Noah wusste, was Colin mit seinem Blick sagen wollte, also folgte er ihm instinktiv. In der Küche war niemand mehr, es ist auch schon lange nach der üblichen Essenszeit. Die meisten waren im Gemeinschaftsraum oder ihren Zimmern, entweder lernten sie noch oder sie ließen den Abend ausklingen. Colin und Noah entschieden sich Sandwiches zu machen, immerhin ging das schnell. 

„Du hattest übrigens Recht", sagte Noah in die Stille und ließ Colin die Stirn runzeln. 

„Ich hab oft Recht. Womit jetzt?" 

„Mit meinem Lieblingsessen und meinem Lieblingsbuch". 

Noah lächelte den Brünetten schüchtern an, er hätte nicht gedacht, dass sich Colin solche unwichtigen Dinge merken würde. Er war es nicht gewöhnt, dass ihm jemand, außer Neele, zuhörte. Er war an vieles nicht gewöhnt, bedingt durch seine kurze, nicht gerade einfache oder tolle Kindheit. Doch so wie Colin ihn behandelte, so fühlte er sich endlich irgendwo sicher. Colin würde nichts von ihm erwarten und er würde ihn nicht ignorieren. Er würde ihn nicht fallen lassen. Noah war sich in dieser Sache so sicher. 

Colin lächelte den Blonden ebenfalls an. Wie konnte ein Mensch ihm nur so viel bedeuten? Auf einmal piepte der Sandwichmaker und Colin wendete gezwungenermaßen den Blick ab, während Noah zwei Teller aus dem Schrank nahm. 

Sie setzten sich wie immer auf die Fensterband, aber dieses Mal nebeneinander. Dabei mussten sie sich so nah aneinander setzten, dass sich ihre Arme und Beine über die gesamte Länge berührten. Colin Körper kribbelte und bildete Gänsehaut an jeder Stelle, wo Noahs Haut auf seine traf. Noah ging es nicht anders. 

Stumm aßen sie und genossen das Beisammensein. Noah hatte seinen Kopf auf Colins Schulter gelehnt und aß aus dieser Position unbeirrt weiter. Sie genossen die Stille und sie wurden endlich nicht unterbrochen. 

Sie räumten alles auf und gingen wieder in ihr Zimmer. Joel hatte den Schreibtisch in Beschlag genommen und alle seine Hefte, Notizen und Stifte dort verteilt. Zum Glück war der Tisch vorher leer, wer weiß, was mit Noahs und Colins Zeug passiert wäre. Wahrscheinlich lägen sie unter einem Haufen vollgeschriebener Zettel. 

Noah schmiss sich direkt auf sein Bett, nahm seine Kopfhörer und sein Handy und würde für einen unbestimmten Zeitraum wahrscheinlich nicht mehr ansprechbar sein. Colin setzte sich auf sein Bett, schrieb Julia, ob sie Zeit hätte und schnappte sich dann sein Buch. Das hätte er sich allerdings auch sparen können, da er direkt eine Antwort von Julia erhielt. 

Nö, hast du mal wieder Bock auf eine Challenge :) 

Colin stand auf, schnappte sich seine Jacke, da sie wahrscheinlich raus gehen würden und verabschiedete sich aus dem Zimmer bis zur Nachtruhe. Er und Julia hatten schon lange keine ihrer Challenges gemacht. Früher hatten sie es fast jeden Tag gemacht und der Preis war immer der Nachtisch des jeweils anderen. Heute machten sie es ohne Preis, Hauptsache sie überbieteten den anderen. 

Colin freute sich auf den Abend mit Julia. Nur hoffentlich würde die Blondine das Thema ‚Noah' sein lassen. Colin konnte und wollte noch nicht betiteln, was sie jetzt waren und darüber reden wollte er erst Recht nicht. Er würde sich Zeit lassen mit dem Outing. Sobald Noah bereit war, würde er auch bereit sein. Und das musste Julia akzeptieren. 

You're not alone, even if we're not around | Nolin FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt