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Als ich Yuna verabschiedete war es Zeit für mich wieder den Nachhauseweg anzutreten. Mein Herz pochte erneut, es war stockdunkel, aber mein Herzschlag befand sich noch im Rahmen des Erträglichen. „Angst, jetzt ist keine Zeit für dich "flüsterte ich leise vor mich hin und drückte meine Daumen in meine Faust, dies tat ich oft, es gab mir das Gefühl, als hätte ich meinen Körper unter Kontrolle. Ich atmete die frische, leicht duftende Frühlingsluft ein und blieb für eine Sekunde stehen, um meinen Blick in Richtung Sternenhimmel zu richten. Sterne waren etwas Faszinierendes. Sie waren nachts sichtbar, waren aber auch am Tag da. Nur weil man etwas bewusst nicht sieht, heißt es nicht, dass es nicht existierte. So war es auch mit meiner Angst. Man sah sie mir nicht an, aber sie war da. Mein Herzschlag beruhigte sich, vielleicht hatte ich mir meine Panik auch immer nur eingeredet, natürlich hatte ich das, mir würde nichts passieren. Ich entschloss mich zu einem Nachtspaziergang. Ich war diesen Weg ewig nicht mehr gegangen. Ein schöner ruhiger Weg, welcher über eine kleine Brücke führte. Klein, war sie eher nicht. Eher kleiner für Koreanische Verhältnisse. Die Brücke führte über eine Autobahn, diese war aber so gut wie leer um diese Uhrzeit. Die stille die mich umschloss, war schön aber auch beunruhigend zu gleich. Vielleicht war der Umweg doch eine schlechte Idee gewesen und ich hatte mir fürs erste Zuviel zugemutet. Mitten auf der Brücke geschah es, die hellen Lichter der Autos unter mir stressten mich und auch die Höhe der Brücke, auf welcher ich stand, machte mir zu schaffen. Mein Herzschlag stieg erneut, ich fühlte jeden zu schnellem Schlag deutlich in meinem Hals. Mit einer Hand hielt ich mich am Brückengitter fest. Die Luft in meiner Lunge wurde dünn, mein Blick verschwommen. Es fühlte sich furchtbar unangenehm an. Ich ließ mich seitlich des Geländers auf den Boden rutschen und hielt mit beiden Händen meinen Kopf fest um einen Safe Place für mich selbst zu schaffen.

Atme ruhig.

Du kannst atmen.

Es passiert dir nichts.

Diese Sätze spielten sich immer wieder in meinem Kopf ab und ich hoffte sie würden mich beruhigen. Ich blieb einige Sekunden in derselben Position und ich schaffte es wieder mehr an Luft zu gewinnen. Mein Herzschlag jedoch schlug ununterbrochen weiter. Plötzlich wurde es hell, ein Scheinwerfer war aus geringer Ferne sichtbar. Ein Auto, welches langsam auf mich zukam und ein paar Meter entfernt von mir zum Stehen kam. Meine linke Hand umfasste erneut das Geländer, so hätte ich mich schnell zur Flucht hochziehen können. Die hintere Autotür öffnete sich. Ein großer, schlanker, dennoch gut gebauter Mann stieg hinaus, dies sah ich alles aus der Ferne, dank des Scheinwerfers. Seine Schritte eilten zu mir hinüber aber ich bleib sitzen, es war vielleicht naiv,aber es sah nicht so aus, als würde er mir etwas Schlechtes wollen. Zudem hatte mich meine Panikattacke so geschwächt, das an aufstehen gar nicht zu denken war. Nun erkannte ich den Mann besser. Er hatte sichtbar blond gefärbte Haare und eine Runde Brille lag auf seiner Nase auf. Er sah fast aus wie ein Idol,ein K-Pop Idol. Ich konnte trotz leichter Entfernung und schlechter licht Verhältnisse erkennen, dass seine Haut super rein war und glänzte. Auch sein Outfit rief förmlich Ich bin ein Idol. Er trug ein lockeres schwarzes Shirt, welches im Bund seiner lockeren schwarzen Hose steckte. Seine Hose ging bis zu seinem Knöchel und brachte weiße Turnsocken zum Vorschein. Seine Schuhe waren ebenfalls schwarz. „Brauchst du Hilfe?" hallte es mir plötzlich entgegen,es waren die Worte des Mannes. Er kam mit joggenden Schritten auf mich zu und erblieb vor mir zum Stehen, bis er sich zu mir runterbeugte. Sein Blick war besorgt. Ich wollte ihm antworten, aber ich konnte nicht anders als nur starr in sein Gesicht zu blicken. Seine Haut war so rein, wie von weitem bereits sichtbar. Ich musterte ihn so lange dass, mir sogar sein kleines Muttermal an seiner rechten Nasenseite auffiel. Er sah sehr gut aus, er sah wirklich fast soaus wie ein Idol, aber wäre er einer würde er wahrscheinlich eine Cap oder einen Fischerhut tragen, damit keiner sein Gesicht erkennen würde. Wie wäre es mit antworten? Kam plötzlich mein Verstand hoch. Der Mann, welcher so gut aussah, sah mich nun noch verwirrter und besorgter an. Schnell nickte ich mit dem Kopf „Mir geht es gut, alles gut" sagte ich schnell, blieb aber auf dem Boden sitzen, wendete nun meinen Blick von ihm und sah auf die Straße, auf der er den Wagen abgestellt hatte. Plötzlich erblickte ich eine zweite Person,welche noch entfernt neben dem Wagen stand. Er sah aus der Ferne wesentlich älter aus, er trug kein schwarzes Shirt, sondern ein weißes. Bestimmt ein alter Bekannter von ihm. „Du siehst sehr blass aus. Ich glaube es wäre besser, wenn ich einen Krankenwagen rufe oder dich ins Krankenhaus fahre" sagte der blonde Mann neben mir plötzlich und zückte sein Handy, welches ich mit einer Hand,plus seiner Hand, nach unten drückte. Dabei kribbelte meine Hand plötzlich, da sich unsere Hände für eine kleine Sekunde berührten, auch wenn er nur ein Fremder war. „Ich brauche nichts. Wirklich, es geht schon wieder" stritt ich ab und lächelte gespielt. „Das glaub ich nicht. Es wäre mir lieb, wenn wir das abklären lassen, würden". Er war so besorgt, obwohl wir uns nicht kannten. Ein sehr hilfsbereiter Mensch. Auch wenn ich jetzt in ein Krankenhaus käme, sie würden nichts finden, da es sich schließlich alles in meinem Kopf abspielte. Nur einen hohen Puls würden sie vorfinden. Zudem würden sie mir wahrscheinlich eine Infusion verabreichen, darauf kann ich auch gerne verzichten. Ich stand vom Boden auf, strich über meine Hose und sah den blondgefärbten Mann erneut an. „Ich möchte einfach nur nach Hause" Ich klang plötzlich so erschöpft und meine Augen fühlten sich an, als würden sie jede Sekunde zusammenfallen. „Bill kann dich fahren. Nenn mir deine Adresse" seine Stimme war tief, dunkel und rau aber gleichzeitig auch hoch und sanft. Bill war wahrscheinlich der Mann, der neben dem Auto wartete. Auch wenn der fremde Mann gut aussah, sollte man nicht einfach mit fremden Männern ins Auto steigen. Nachher lande ich noch in einer diese etlichen Dokumentationen über Mordopfer, welche ich mir immer ansah. „Ich passe auf dich auf" als hätte er meine Gedanken gelesen, kam seine Antwort aus ihm herausgeschossen. „Nein, danke ich wohne nicht weit von hier. Den Rest schaff ich" Ich hatte keine Angst vor einer weiteren Panikattacke, da nach einer, so zumindest bei mir, nie eine weitere folgte. „Aber danke fürs Anhalten" gab ich knapp zurück und drehte ihm den Rücken zu, um meinen weiteren Nachhauseweg anzutreten. Auch wenn ich dennoch ein etwas mulmiges Gefühl hatte. Es verging keine weitere Minute und ich hörte sein Auto wegfahren, also war ich nun auf mich allein gestellt. Das dachte ich zumindest, bis er mich mit schnellem Schritt einholte und plötzlich neben mir her ging. Ich sah erschrocken zurück, das Auto, plus Bill war bereits weggefahren. Nur noch er und ich waren hier. „Es ist schon spät und dir geht es nicht gut, das hat man deutlich gesehen. Ich möchte dich nur ungern allein gehen lassen" seine Stimme klang erneut besorgt.  Machte er das immer so? War das eine Art Masche?

Dennoch war ich beruhigt, nicht allein zu sein. „Mein Name ist Sunghoon" sein lächeln war breit und seine braunen Mandelförmigen Augen unterstrichen sein Lächeln noch mehr. Ich lächelte zurück, wendete dann aber den Blick wieder ab. „Danke Sunghoon für deine Bemühungen. Ich bin Sora". Ich bemerkte seinen Blick auf mir, auch wenn ich nicht in seine Richtung sah. „Ah. Schöne Muschelschalen, die sich im feinen Sand verbergen, ist das so?" kicherte er. Er kannte sich also mit Namen – Bedeutungen aus. Und dies war die Bedeutung meines Namens. „Darf ich fragen, was eben mit dir los war, Sora? Ich habe gesehen, wie du zu Boden gerutscht bist. Ich habe Bill gesagt er soll sofort zu dir fahren, falls dir etwas passiert sei" und da war er wieder, dieser besorgte Blick in seinen Augen. Ich sah Sunghoon seitlich an und antwortete ihm „Es war alles gut. Ich leide unter Panikattacken. Ich war heute nach langer Zeit mal wieder draußen. Ich habe mir einfach zu viel für den Anfang zugemutet". Eigentlich erzählte ich Leuten nichts von meiner Angst oder Panik, da sie es meist eh nie für ernst nahmen. Ich erzählte es Sunghoon ausschließlich nur aus dem Grund, da wir uns eh nicht mehr sehen würde. Sunghoons Blick wurde ernster und er musterte mich erneut von der Seite. „Ich verstehe" gab er knapp zurück. Den restlichen Weg, bis zu dem Haus, in dem ich wohnte, redeten wir nicht. Aber es schien so, als würden wir beide die Ruhe und die nächtliche Luft genießen, auch wenn er dies wahrscheinlich immer tuen könnte. Dennoch ruhte auf seinen Lippen ein kleines, zierliches Lächeln.

„So da wären wir" erst als ich vor dem Haus zum Stehen kam,wurde mir klar, dass ich gerade einen wild fremden Mann, dessen Name Sunghoonwar, zu meiner Wohnung gelotst hatte. „Schon ruhig hier. Eine schöne Kleine Straßengasse" sein Blick wanderte über mein Haus und über die Dächer der anderen. „Dann danke noch mal Sunghoon. Echt nett von dir, dass du nach mir geschaut hast. Und natürlich auch Danke an Bill" ich lächelte ich an, ich war Sunghoon wirklich sehr dankbar. „Selbstverständlich. Dann pass gut auf dich auf und ich wünsche dir eine gute Nacht". Wir verabschiedeten uns aber als ich gerade Sunghoon den Rücken kehrte und die Tür öffnete, drehte ich mich erneut um. „Sunghoon.Wie kommst du denn jetzt nach Hause?" jetzt war ich auf einmal besorgt, es warmeine Schuld das er hier war und das Bill ohne ihn gefahren war. Ein spielerisches Lächeln machte sich auf Sunghoons Lippen breit „Mach dir keineSorgen" er zog sein Handy aus der Hosentasche und blickte auf das helle Display„In zwei Minuten ist Bill da" lacht er, meinte die Worte, die aus seinem Mund kamen,aber ernst. Er nickte mir noch einmal zu und begab sich dann wieder in Richtung Straße. Ich schloss die Tür hinter mir und stieg die Treppen hoch zu meiner Wohnungstür, welche im obersten Stock lag. Bevor ich meine Wohnungstür aufschloss, atmete ich noch einmal tief ein und aus, bevor ich erneut im meiner trostlosen, aber dennoch gemütlichen Wohnung stand. Ich schmiss meine Tasche auf den Küchenstuhl und machte mich dann schnell auf dem Weg ans Fenster, schob den Vorhang zur Seite. Und tatsächlich, ich konnte sehen, wie Sunghoon gerade zu Bill ins Auto stieg. Ein großes, langes, schwarzes Auto. Mit verdunkelten Scheiben. Ich musste kurz auflachen, wahrscheinlich war er der reiche Sohn von Unternehmern und daher hatte er sogar einen eigenen Fahrer. Ich blickte noch eine Weile aus dem Fenster, bis das Vibrieren des Handys, welches noch in meiner Tasche war, mich aufschrecken ließ. Schnell sprang ich zur Tasche und wühlte nach meinem Handy. „Mist, Mist, Mist" murmelte ich, ich wusste das es bestimmt Yuna war, die sich Sorgen machte. Es war tatsächlich Yuna. Sieben verpasste Anrufe. Drei Sprachnachrichten und zwölf Nachrichten.

Yuna: Wenn du in drei Minuten nicht antwortest, schnapp ich mir mein Mofa und komme zu dir gefahren.

Selbst anhand ihrer Nachricht, hatte ich ihren bösen Gesichtsausdruck gedanklich vor mir. Schnell öffnete ich ihre Nachricht, um ihr zu antworten.

Sora: Hatte mein Handy auf stumm. Es ist alles gut. Ich habe einen Umweg gemacht.

Darauf sendete sie mir eine böse Emoji, welcher vor Wut zu explodieren schien. Ich wusste sie meinte es nicht allzu ernst, also tat ich ihr gleich und sendete einen Kuss Emoji hinterher. Ich vermisste Yuna und die Uni wirklich. Aber die heutige Panikattacke hatte mir erneut bewiesen das ich einfach nicht raus kann. Zu groß ist die Angst vor einer erneuten, viel schlimmeren Panikattacke. Auch wenn die heutige nicht so schlimm war, wie meine üblichen. Zudem konnte ich froh sein, dass es Leute wie Sunghoon gab die Fremden, in Not, auf der Straße halfen.

In your thoughts | Sunghoon EnhypenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt