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Als ich die Badezimmertür öffnete, stand eine kleine Frau in rotem Kimono vor mir. Ihr Name war Runame. Ich erinnerte mich an sie.

Sie war auch damals immer da gewesen, als ich noch als Mensch hier gefangen und als Vieh gehalten wurde. Genau wie sie es war. Laufende Nahrung.

"Herrin.", sprach sie untergeben und beugte sich vor. Sie erkannte mich nicht. Das hätte mich auch gewundert. "Der Herr hat mich zu Euch geschickt, ich bin ab sofort für Eure Belange zuständig. Kann ich Euch etwas Gutes tun? Ich habe bereits Teewasser aufgesetzt.", sprach sie freundlich drauf los. Ich hatte sie viel stummer in Erinnerung, aber vielleicht täuschte ich mich auch.

"Nein.", erwiderte ich stumpf und ging an ihr vorbei, "Was hat dein Herr über mich gesagt?"
Runame blieb im Türrahmen des Badezimmers stehen und beobachtete mit großen Augen die Spiegelscherben. Wenn es sie störte, ließ sie es sich nicht anders anmerken.

"Ich sollte mich vorstellen. Und er sagte, Ihr seid etwas aufgebracht und könntet etwas zum Essen brauchen." Aufgebracht. Etwas zum Essen.

Douma hatte sie zu mir geschickt, um zu sehen, ob ich sie sofort töten würde. Oder um sie loszuwerden.
Ich schüttelte lachend den Kopf.
"Nein, ich brauche Ruhe."

Ich konnte bereits spüren, wie mir der Speichel im Mund zusammenlief. Ja, ich hatte Hunger. Aber Runame war viel zu zart, um ansatzweise ausreichend zu sein. Und sie war schon damals nett zu mir gewesen. Nein, ich hatte nicht das Bedürfnis, sie zu verschlingen, auch wenn mein Magen knurrte.

Ich schloss die Augen und fokussierte mich. "Lass mich allein. Bitte.", quetschte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und verbarg meine Krallen in meinen Fäusten. Ihre Seele war zu rein, um sie mit der Anwesenheit von Dämonen zu beflecken.

Auch, wenn sie bereits länger einem diente.
Douma hatte sich wesentlich besser im Griff als ich, was die Anwesenheit von Menschen anging. Ich glaubte, ich könnte nicht den ganzen Tag Menschen empfangen, mir ihre Geschichten anhören und sie erst Stunden später einzeln verschlingen.

Darauf hatte Muzan mich auch nicht trainiert.
Runame verbeugte sich erneut und lief dann gelassen aus dem Raum. Auf meiner Haut spürte ich, wie es draußen wärmer wurde. Die Luft erwärmte sich mit jeder Minute.

Es war erstaunlich, wie meine Haut stark und empfindlich zugleich war. Im Infinity Castle hatte ich das nie so wahrnehmen können. Ich seufzte tief und ließ mich auf das große Bett mit Elfenbeinbaldachin fallen.

Ungewollt kam ein zufriedener Laut aus meiner Kehle, als ich in den dunkelroten Laken versank. Obwohl ich die Gedanken verdrängen wollte, musste ich wieder an Muzan denken.

Die Monate im Infinity Castle waren die Hölle gewesen. Wortwörtlich.

Alles, was ich dort gehabt hatte, war ein leerer, enger Raum gewesen, in dem sich eine harte Matraze und ein Holzschrank befand. Mehr nicht. Zu mehr war auch nicht besonders viel Platz gewesen.

Während der Zeit hatte ich wesentlich größere und schönere Zimmer gesehen gehabt aber keines davon durfte ich beziehen. Mein Tagesablauf bestand aus Training und Konditionierung meines noch übriggebliebenen, menschlichen Geistes.

Ich hatte nur zwei freie Stunden am Tag, um mich auszuruhen. Schlafen durfte ich nicht, da Dämonen keinen Schlaf benötigten. Manchmal schaffte ich, es ein Auge zuzumachen, musste aber damit rechnen, dass Muzan gleich wieder im Raum stand und mich mit seiner nervenbetäubenden Dämonenkunst aus der Trance riss.

Wenn er das tat, musste ich anschließend Höllenqualen leiden, weil er mir entweder alle Gliedmaßen abriss, um mich härter zu machen oder mit seinen Händen meinen Kopf umfasste und in meinen Geist eindrang, um mich dort zu foltern. Und um an Informationen zu kommen.

Zu dumm, dass er mir so gut wie alle Erinnerungen an meine Menschlichkeit genommen hatte, die ihm hätten helfen können.
Und wenn er mich nicht gerade folterte, forschten wir zusammen. Er hatte eine erhebliche Sammlung an Notizbüchern und Sachalben, die sich nur um die Blütezeit der Spinnenlilien drehten.

Er war geradezu besessen. Während ich ihm alles, was ich wusste, zum Teil erzählte, feilten wir auch an meiner Dämonenkunst.

Meine Schatten hatten ihn nicht beeindruckt, doch er sagte, er sähe Potential darin, also gab er mir freie Kapazitäten für eigene Studien. Und so entstand auch meine Blutdämonensonne.

Ich hatte sie nicht angeboren bekommen, wie meine Schatten. Nein, ich hatte Muzans Tinkturen mit seinem Blut und Giften gemischt, welche ich mir dann gespritzt hatte. Eine ganze Woche lag ich danach im Koma.

Es hatte mich wirklich gewundert, dass Muzan mich nicht in dieser Zeit getötet hatte. Ich war schließlich nutzlos gewesen. Nachdem ich wieder erwacht war, spürte ich, dass sich mein Körper wieder verändert hatte und während ich mit Muzan trainierte, um stärker zu werden, entwarf ich neue Mittel und kombinierte alte mit neuen, um noch besser zu werden.

Nach einiger Zeit wurde ihm das aber zu langweilig. Ich konnte ihm bei seinem Problem mit der Lilie nicht helfen, also entschloss er sich, mich den anderen Dämonen vorzustellen.

Er erklärte mir, wer sie waren und was ihre Aufgaben waren. Und er erzählte mir, wie der Dämon Douma mich getötet hatte.
Seine Zunehmende Zwei.

Zuerst war mir der Name fremd, doch mit der Zeit bekam ich immer mehr Erinnerungen zurück. Heiße und kalte. Muzans Gedankenkontrolle schien bei mir nicht vollständig gewirkt zu haben und ich vermutete, es lag an der Tatsache, dass ich mit seinem Blut experimentierte.

Natürlich hatte ich ihm das nicht gesagt und ich hatte bis jetzt immer aufgepasst, woran ich dachte.
Meister Muzan konnte nämlich Gedanken nicht nur kontrollieren, sondern auch lesen.

Meine hatte er tausendfach gelesen und deswegen bestrafte er mich auch jeden Tag. Das waren aber nur Nebensächlichkeiten. Und da mein Körper keine Narben mehr davon trug, begann er jeden Tag von Neuem, während er mir predigte, was ich als seine Schöpfung für ihn zutun hatte und wie ich mich verhandelten sollte.

Bis heute.
Ein Lächeln kam über meine Lippen. Auch wenn ich jetzt bei Douma leben musste, war ich jetzt von ihm weg.

Muzan würde nicht einfach im Raum stehen, da wir jetzt einen Auftrag hatten, und solange wir den nicht erfüllt hatten, würde er nicht so schnell hier auftauchen.
Ich zog mir eine kühle Decke über den Körper. Sie roch frisch bezogen und war so weich wie eine Wolke. Es dauerte keine Minute und ich fiel in einen endlosen, tiefen Schlaf.

Blended Blood || Demon Slayer DoumaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt