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Eine ganze Stunde sitze ich nun schon hier auf der Parkbank. Immer wieder laufen vereinzelt Tränen meinem Gesicht herunter, wenn ich an all die Dinge denke, durch die ich von Julian verletzt wurde. Genau so geht mir mein ungeborenes Kind, welches ich verloren habe, nicht aus dem Kopf. Mittlerweile wäre ich jetzt soweit, dass das Kind jederzeit hätte kommen können. Es tut schmerzhaft weh, sich daran zu erinnern. Und wieder riss mich das klingeln meines Handys aus den Gedanken. Seufzend schaue ich drauf, und es ist schon wieder der Name meines Freundes zu sehen. Will ich überhaupt mit ihm sprechen?  Die klare Antwort ist nein, weshalb ich ihn erneut wegdrücke. Immer mehr Nachrichten erhalte ich. Letztendlich entscheide ich mich dazu, mein Handy einfach auszuschalten. Irgendwann rappelte ich mich von der Bank dann hoch und ging nachhause. Ich lief langsam, da ich auf ein Gespräch mit Julian wirklich keine Lust hatte. Doch als ich vor meiner Haustür stand, wusste ich, dass kein Weg daran vorbei führt, heute mit ihm reden zu müssen. Langsam ziehe ich meinen Schlüssel aus der Tasche und gehe in Haus rein. Bis nach oben lief ich die Treppen hoch. Vor meiner Wohnungstür, wische ich mir noch ein letztes Mal die Träne aus dem Gesicht, ehe ich rein gehe. Ein hektischer Julian kam direkt auf mich los gestürmt und nahm mich in den Arm.
„Marie verdammt wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht und dünkst nicht an dein Handy gegangen." kam es schnell aus seinem Mund. Langsam schob ich ihn von mir weg.
„Ich war noch etwas spazieren" antworte ich leise. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Ich war absolut übermüdet und wollte nichts sehnlicher, als eine Runde Schlaf in meinem Bett.
„Aber wieso hast du dich nicht gemeldet?" fragt er nach.
„Ich brauchte Zeit für mich. Wollte nicht reden" sage ich und ziehe mir meine Schuhe aus. Meine Jacke hing ich auf und schlenderte dann ins Wohnzimmer, wo ich mich direkt auf der Couch fallen ließ.
„Was ist los? Ist es wegen gestern?" fragt mich Julian, nachdem er sich zu mir gesetzt hat.
Ich zockte nur mit den Schultern. Im nächsten Moment stand ich auf und ging in die Küche. Ich nahm mir ein Glas und füllte diese mit Wasser. Nachdem ich einen schluck davon genommen hatte, machte ich mich mit langsamen Schritten auf den Weg ins Schlafzimmer. „Wohin gehst du jetzt?" fragt mich Julian erneut.
„Ins Bett" sage ich schroff und schließe, nachdem ich mein Schlafzimmer erreicht habe, die Tür. Ich war einfach nur fertig und wollte heute garnichts mehr machen. Ich hatte zwar noch nichts gegessen, doch Hunger hatte ich heute sowieso nicht. Zu meinem Glück ist Julian mir nicht gefolgt. Also lege ich mich ins Bett. Es dauerte auch nicht lange, bis ich eingeschlafen war.
Erst durch eine Bewegung neben mir, wache ich auf. Räuspernd schaue ich einmal neben mir. Julian liegt da an seinem Handy und schreibt mit irgendwem. Da es mich aber wenig interessiert, drehe ich mich wieder um. Nach kurzer Zeit bemerke ich, dass die Helligkeit seines Lichts verschwunden war. Es war wirklich still hier. Ich starre einfach so in den dunklen Raum hinein.
„Willst du mir sagen was los ist?" ertönte plötzlich die Stimme von Julian neben mir. Ich regte mich nicht und sagte auch kein Wort. „Marie verdammt, Rede mit mir. Was ist los?" fragt er aufgebracht.
„Was wird es sein?" frage ich leise. „Was meinst du?" fragt er direkt.
„Ich, ach vergiss es" sage ich und schließe erneut meine Augen.
„Ich muss morgen früh raus" war das letzte was ich sagte, ehe der Raum wieder verstummte. Ich wollte jetzt nicht mit ihm reden, vielleicht morgen, wenn ich wieder klar bei verstand bin.

Durch meinen Wecker wurde ich um 7 Uhr wach. Noch immer müde stehe ich auf und ziehe mir erstmal frische Klamotten an. Anschließend verschwinde ich im Bad. Julian lag vorhin nicht mehr neben mir im Bett. Vermutlich ist er in der Küche oder so. Müde schleppe ich mich in die Küche und mache mir einen Kaffee. Dort war Julian aber auch nicht, genauso wenig konnte ich ihn im Wohnzimmer ausmachen. Und da ich eine recht kleine Wohnung habe, war er hier nirgends zu sehen. In der Küche am Tisch sitze ich und trinke meinen Kaffee. Ein wenig scrolle ich durch Social Media. Das öffnen der Wohnungstür lässt mich aufschauend. Julian kommt gerade mit einer Tüte vom Bäcker herein. Er legt diese vor mich hin und holt dann stumm zwei Teller und Besteck. Aus dem Kühlschrank kramt er noch ein wenig Aufschnitt, ehe er sich auf dem Platz gegenüber von mir setzt. „Danke" murmle ich leise in meine Kaffeetasse.
„Ach du redest wieder mit mir" kam es patzig von ihm. Erschrocken schaue ich ihn an, sage aber kein einziges Wort. Auf eine Diskussion hatte ich nun wirklich keine Lust. Julian schien es aber anders zu sehen.
„Man Marie. Hab ich irgendwas gemacht? Ist irgendwas passiert? Bitte rede mit mir" die Verzweiflung in seiner Stimme konnte ich sehr gut heraus hören.
„Wenn es wegen der Wette ist, die Kai angesprochen hat. Ich hab mich doch schon tausend mal entschuldigt, was kann ich noch machen?" fragt er. Es herrschte Stille. Julian schaut mir einfach nur in die Augen, was ich ihm gleich tu. Wie von selbst fängt mein Mund an zu sprechen.
„Ich habe Zweifel Julian." sage ich ruhig.
„Wegen der Wette? Ich dachte wir hätten das schon längst hinter uns gelassen." meint er traurig.
„Es ist nicht nur wegen der Wette. Auch ein anderes Mal hast du mich verletzt. Seit gestern frage ich mich einfach nur was als nächstes kommt. Womit wirst du mich diesmal verletzten?" sage ich und schaue ihm in die Augen. Ich konnte genau sehen, dass ihm meine Worte weh taten. Meine Augen füllten sich mich Tränen.
„Ich weiß ich habe viele Fehler gemacht. Aber ich habe nicht vor dich nochmal zu verletzten. Ich Liebe dich Marie" sagt er und nimmt meine Hand. Die Tränen kullerten nur so meinem Gesicht herunter.
„Das hast du beim letzten Mal auch gesagt" sage ich schluchzend und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich befreie meine Hand aus der von Julian und stehe auf.
„Wohin willst du jetzt? Lass uns darüber reden" meint Julian, seine Verletzlichkeit war nicht zu überhören, was mir selbst auch einen Stich ins Herzen versetzte.
„Ich muss in einer halben Stunde auf der Arbeit sein" erkläre ich ihm.
„Ist dir die Arbeit jetzt wichtiger als wir?" fragt er aufgebracht.
„Nein, natürlich nicht. Aber nicht jeder kann mit ein paar Bälle schießen mal eben Millionen verdienen. Tut mir leid das ich meine Wohnung nicht verlieren und auf der Straße leben möchte." pampe ich ihn an. Schockiert schaut er mich mit offenem Mund an.
„Wir reden später" sage ich noch, ehe ich die Wohnungstür hinter mir lautstark zu ziehe. An der frischen Luft angekommen, atme ich erstmal tief durch. Mit Tränen in den Augen mache ich mich auf dem Weg zur Arbeit. Heute wieder den ganzen Tag mit Kai verbringen zu müssen, hilft mir nicht wirklich. Am liebsten würde ich in irgendeinem papierkram versinken und erst wieder auftauchen, wenn sich alles beruhigt hat. Nur leider ist dies nicht möglich, denn heute heißt es „Fantreffen". Schreiende Teenies, die alle scharf auf Kai sind. Schreiende Typen, die stolz sind, dass er nach München gewechselt ist. Hoffentlich geht dieser Tag schnell rum.

ComplicatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt