Direkt als wir nach innen gehen hören wir Gebrüll. Es kommt aus dem Obergeschoss, wohin wir dann auch Renata folgen. Nachdem wir die Treppen nach oben gelaufen kommen, sehe ich Mateo, der sich gerade mit Rocco auseinandersetzt. Renata hält mich am Arm fest, damit ich nicht wie Elmo weiter auf sie zulaufe, sondern aus Distanz das ganze beobachte. Auch sie bleibt bei mir stehen und wartet drauf, dass Elmo sich einsetzt und die zwei auseinanderbringt. Sie schlägern sich zwar nicht - noch nicht - aber sie stehen sich so gefährlich nah, dass es nur einen Atemzug an Zeit benötigt, bis die erste Faust fliegt. Doch anstatt, dass Elmo sich zwischen die beiden stellt oder auseinanderzieht, schubst er Rocco nach hinten, sodass er paar Schritte rückwärts taumelt und stellt sich neben seinen Bruder, der gerade wieder am Brüllen ist.
„Ihr Pisser habt nicht das Recht, sie so anzugehen, egal was du oder dein behinderter Bruder behaupten! Sie hat das wegen unserer Familie durchmachen müssen und sie steht trotzdem hier! Siehst du das?! ANTWORTE!" Seine Stimme zittert schon fast vor Wut, das kann man raushören. Bevor ich die Lozanos kennen gelernt habe, wäre diese Situation grade schockierend für mich gewesen. Aber inzwischen schockt mich gar nichts mehr. Es tut nur weh, dass seine Wut so die Kontrolle über ihn übernimmt, und das eigentlich nur wegen mir. Ich wollte das nie, egal was sie mir angetan haben. Ich wollte nie, dass sie wegen mir in so eine Lage geraten, mit ihrer Familie streiten oder sogar Probleme wegen mir am Hals haben. Ich bin ein Freund des Karmas, denn ich weiß, dass es irgendwann zuschlägt und jedem das gibt, was er verdient. Aber die Lozanos, also meine Lozanos, ermöglichen mir das Einzige, was mir wirklich am Herzen liegt. Und das ist Papas Behandlung. Natürlich muss ich meinen Teil auch dazu beitragen, geschenkt bekomme ich nichts. Aber am Ende sind sie inzwischen irgendwie wie eine Familie für mich. Die ganze letzte Zeit musste ich mich allein um mich kümmern, für mich kämpfen und einstehen. Jetzt sind es durch die Lozanos so viel mehr, die das einfach so für mich tun. Ich fühle mich wohl und beschützt, zumindest weiß ich, dass sie mir nichts antun würden. Ich mein, Ricardo ist mein Freund, er tut mir gut und hilft mir mein Lächeln zu finden, auch wenn es mal schwer ist. Aber so ist das nun mal in seinem Leben. Er ist in der Mafia, hier läuft wahrscheinlich nie alles gut, und trotzdem sorgt er sich um mich und versucht mir das ganze so angenehm wie möglich zu gestalten, was mir ein großer beweis ist, wie viel Wert ich ihm bin. Und dann kommt mir eine Idee, wer mir jetzt helfen könnte. Ich laufe die Treppen wieder nach unten, Renata schaut mir kurz hinterher, bleibt jedoch bei Ihnen. Ich jogge ins Esszimmer, wo anscheinend keiner von Wind bekommen hat. Sie quatschen alle, essen etwas und lachen über, wenn ich es richtig verstanden habe, alte Zeiten. Aber kein Wunder, es sitzen auch nur Frauen an diesem Tisch. Oh man, wie gerne hätte ich jetzt auch diese Normalität und würde einfach entspannt mit ihnen dasitzen, und deren Geschichten lauschen, mit ihnen lachen und einfach normal sein. Aber nein, der liebe Mateo macht hier ein Strich durch die Rechnung und meint, wegen mir durchdrehen zu müssen. Irgendwie schon süß, aber ich will gar nicht daran denken, denn mein Fokus liegt auf Rico, der jetzt mein Freund ist.
„Cata, kannst du kurz...?" Unterbreche ich deren Gespräche, wobei die komplette Aufmerksamkeit auf mich fällt. Sie nickt direkt und steht auf, um zu mir zu kommen. „Alles gut?" fragt Pina, eine Tochter von Alvo mich besorgt. Kurz habe ich vergessen, dass sie ja wussten, was mir bevorstand. Ich nicke aber lächelnd und schaue sie alle kurz an. „Macht ruhig weiter, wir kommen gleich wieder." Antworte ich dann kurz, woraufhin sie mich auch anlächeln und sich dann wieder in das Gespräch stürzen. „was ist los? Alles okey?" fragte Cata mich dann, doch ich nicke nur kurz und ziehe sie am Arm hinter mir her, damit wir schneller wieder bei Mateo ankommen, bevor sie sich wirklich die Köpfe einschlagen. „Du musst Mateo beruhigen, dann ist wieder alles gut." Sagte ich, worauf hin sie mich nur fragend mustert, sich aber von mir mitziehen lässt. Zusammen laufen wir schnell die Treppen hoch und hören schon wieder das Gebrüll. Inzwischen schreien sie alle durcheinander, sodass Cata und ich uns kurz anschauen und daraufhin schneller werden. Oben angekommen sind nun alle lauthals am Diskutieren, inzwischen sogar Renata. Catalina stürmt wie eine wild gewordene zwischen alle und versucht, ihre Brüder zur Ruhe zu bringen, doch es scheint zwecklos. Erst als sie Elmo am Kragen packt und nach hinten schubst, schnaubt dieser verärgert und richtet mit seiner Hand sein Hemd, doch Mateo und Rocco scheinen es auszublenden, dass nun auch Cata sie anschreit. Während ich das ganze beobachte und meine Augen sich weiten, weil sie wie wild gewordene gar nicht mehr aufhören, sondern die Beleidigungen immer mehr werden, legt Renata einen Arm um mich. „Keine Sorge Kleine, das ist noch nicht schlimm. Das renkt sich schon wieder ein." Versucht sie, mich mit ihren Worten zu beruhigen. Ich wollte ihr gerade antworten, da zucke ich von einem plötzlichen, ohrenbetäubenden Geräusch so zusammen, dass ich mir reflexartig die Ohren zu halte und meine Augen schließe. Erst als Renata beruhigend über meinen Rücken streicht, traue ich mich meine Augen zu öffnen und sehe Lorenzo nun auf uns zukommen. Er hält eine Pistole in der Hand, womit er gerade geschossen hat, die dieses Geräusch erzeugt hat. Panisch schaue ich nun alle vor mir an, ob und wer eine Wunde trägt und versuche sie schnell abzuscannen. „Alles gut, er hat in die Decke geschossen, keine Sorge" sagt Renata dann zu mir und lächelt mich kurz an.
„Was zur Hölle stimmt nicht mit euch! Was ist in euch gefahren?!" schreit Lorenzo sie dann an. Rocco steckt seine Hände in die Hosentasche und schaut zu Boden, während Mateo überhaupt nicht erschrocken von dem Knall wirkt. „Du warst doch dabei! Was ist das für eine Familie, die sich gegenseitig so angeht! Sie haben sie einfach nur gedemütigt und versucht schlecht zu reden, was soll das für eine verfickte Taktik sein?!" Lorenzo antwortet erst nicht, sondern schaut ihn nur an. Dann wechselt sein Blick zu Rocco, der nach wie vor nichts sagt. „Es ist jetzt vorbei. Alle wissen, was passiert ist und darauf müssen wir aufbauen, anstatt uns gegenseitig hier zu zerfleischen. Seid ihr komplett verrückt geworden? So habe ich euch nicht erzogen. Wir sind eine Familie und das wird sich nicht ändern. Wir alle tragen dasselbe Blut und sollten eine Einheit sein, anstatt wie im Kindergarten hier zu streiten!" schreit Lorenzo die beiden nun an. Als wir Schritte auf der Treppe hören drehen wir uns alle um und Ricardo kommt nach oben gelaufen.
„Was ist hier los?" fragt er erst an mich gerichtet, legt seine Hand an meinen Rücken und küsst mir auf die Stirn. Verwirrt schaut er dann zu den anderen und läuft auf sie zu, bis er neben Mateo steht.
„Dein Bruder verkraftet nicht, dass wir deine Geliebte gescheit ausgefragt haben. Frag ihn, was sein scheiss Problem ist, nicht mich." Kommt dann von Rocco. „Ihr checkt nicht, was Familie bedeutet, das ist das Problem." Antwortet Mateo ihm dann etwas ruhiger, doch nach wie vor mit abwertendem Ton. „Ach ja? Sollen wir das gleiche mal bei Mariella machen? Die, falls du es vergessen hast, deine Verlobte ist? Oder springt dann auch dein Bruder für dich ein?" provoziert Rocco ihn, was auch überragend geklappt hat, denn Mateo will sich schon auf den Weg zu ihm machen, um ihm eine runterzuhauen, doch Rico stellt sich schnell vor ihn und zieht Mateo zur Seite. „Ihr beruhigt euch jetzt alle. Sofort. Alvo ist gesundheitlich eh nicht mehr in bester Verfassung, auch wenn man es ihm nicht ansieht. Aber ich werde nicht zulassen, dass meine eigenen Söhne und meine Neffen dazu beitragen, dass der Mann einen Herzinfarkt bekommt, wenn er sieht, wie wir uns untereinander bekriegen! Geh zu Chico und Lino, besprecht weiter, wie wir vorgehen." Sagt er bestimmend zu Rocco. „Und ihr, ihr geht und beruhigt euch. Geht in Club oder sonst wohin, arbeitet, macht einfach irgendwas. Hauptsache ich muss eure kindischen emotionalen Ausbrüche hier nicht mehr haben!" Alle sind ruhig, und der erste, der los läuft ist Rocco. Kurz streicht Renata mir über den Arm und läuft Rocco dann hinterher. „Cata komm, wir gehen zu den anderen. Wir müssen uns auf das wesentliche konzentrieren." Sagt Lorenzo dann und verschwindet mit ihr ebenfalls die Treppen nach unten. „Ich brauch nen Drink." Sagt Mateo dann und Elmo nickt zustimmend. Ricardo packt seine Schlüssel aus seiner Hosentasche und reicht sie Mateo. „Der Club bleibt 2 Tage wegen einem Rohrbruch zu, also ist keiner da. Fahrt und kommt runter, keine Ahnung was passiert ist, aber macht einfach" spricht Rico ruhig zu Mateo, der ihm den Schlüssel aus der Hand nimmt und nach unten läuft. Dabei schaut er nicht einen Moment zu mir, sondern läuft einfach an mir vorbei. Sein Verhalten ist mir ein Rätsel. Gerade noch prügelt er sich fast, weil sie so mit mir geredet haben, und jetzt werde ich mal wieder ignoriert. Aber mehr Zeit, um darüber nachzudenken, habe ich gar nicht, denn schon stellt sich Rico vor mich. Er ist mal wieder ruhig und strahlt Positivität aus, die mich in einer Art beruhigt, die ich nicht beschreiben kann. Ich weiß nicht, wie er reagiert hätte, da er ja mal wieder nicht da war, aber jetzt gerade ist es erstmal wie Balsam für meine Seele, einfach nur Ruhe zu haben.
„Alles in Ordnung?" fragt er mich, lächelt dabei und legt seine Hand an meine Wange. Sie schenkt mir eine Wärme, die ich gerade nötig hatte, um wieder runterzukommen von dem Ganzen. „Ja" flüstere ich fast und lege automatisch meine Arme um ihn, als wäre ich eine süchtige, die sich danach sehnt. Und ja, ich sehne mich einfach gerade nach Ruhe und Normalität, und das strahlt er gerade für mich aus. Er legt seine Arme um meine Hüfte und küsst mir auf meinen Haaransatz. Dann hält er seine Finger an meinen Hals, was mich fragend zu ihm hochschauen lässt.
„Dein Puls ist noch sehr hoch. Willst du mir erzählen, was vorgefallen ist?" Ich zucke mit den Schultern, da ich keine Antwort auf diese Frage habe. Von einer Seite will ich nicht schon wieder mich wiederholen müssen, und erzählen, was bei der „Befragung" vorgefallen ist, von der anderen Seite sollte er natürlich davon wissen. Immerhin sind wir zusammen und ich sollte über alles mit ihm reden können. Ich muss auch sagen, dass es mich irgendwie interessiert zu wissen, wie Rico auf das ganze reagiert. Natürlich nicht, da ich ihn sauer sehen will, doch bislang war er immer mein Ruhepol. Doch wenn Mateo schon ausgetickt ist, sollte Rico das doch erst recht, oder nicht?
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His dark secret
RomanceLeandras Leben sollte nicht so aussehen, wie es aktuell ist. Nach einem Schicksalsschlag ist sie gezwungen, ihr Studium hinzuwerfen und arbeiten zu gehen. Ihre Tage sind alle gleich gestaltet, monoton und langweilig würde man sagen. Vor allem für e...