Hogar nahm sich einen seiner Rationspacks und begann den Inhalt mit herzhaftem Genuss zu verspeisen. Hat lange nicht so gut geschmeckt, dieses Chemiezeug, dachte er bei sich und öffnete einen weiteren Pack, als er noch dabei war, den letzten Bissen des Ersten runterzuschlucken.
Unterdessen hatte Haldomar eine kleine, rechteckige Plastikdose hervorgekramt, die weiße, etwas längliche Dragees beinhaltete und bot sie den anderen an.
„Was ist denn das?", fragte Oskar.
„Elfentränen, der neuste Schrei beim Orkhändler um die Ecke", antwortete Haldomar. „Schmeckt nach Minze, gibt es aber auch mit Waldmeister, Zitrone, Erdbeere und was anderem, dass ich aber vergessen habe", informierte der Zwerg über seine Entdeckung.
„Elfentränen, ihr Metas schenkt euch auch nix oder?", fragte Kassandra mit einem erleichterten Lächeln.
„Nö, warum sollten wir", scherzte Haldomar zurück. „Außerdem haben die langen Spitzohren es verdient, dass man sich auch über sie lustig macht, so wie die sich immer für was Besseres halten", gab er seine Meinung kund.
„Also ich kenne Elfen, die voll in Ordnung sind", entgegnete Kassandra, „aber was soll's, gib her, ich probiere mal eine."
„Du musst zwei nehmen", meinte Haldomar. „Schließlich heulen die Spitzohren ja auch aus zwei Augen."
„Du hast voll einen Knall, Haldomar, aber ja, ich nehme zwei", gab sie seinem Willen nach.
Mit unverminderter Höchstgeschwindigkeit brauste der Laster über die Schnellstraße südlich an Dessau vorbei und folgte den Fahrspuren in einem sehr lang gezogenen Bogen bis es schließlich in nordöstliche Richtung auf Berlin zuging. Nach etwa zwei Kilometern überquerten sie die große Elbbrücke bei Vockerode. Einige Minuten danach meldete sich abermals das Telefon.
„Ich bin es Isi, und es gibt schlechte Nachrichten", vernahm sie Blackys Stimme.
„Was?", fragte sie knapp. „In den Kommunikationskanälen geht es eben um einen Alarm, im Luftstützpunkt Jüterbog", informierte Blacky. „Leider sieht es nicht danach aus, dass sie ihre Drohnen ausschicken, um einen verirrten Segelflieger einzusammeln."
„Drohnen? Was für Drohnen, Blacky?", fragte Issandra besorgt.
„Ich sehe hier, dass es sich um vier Lone Star Strato-9 Überwachungsdrohnen handelt", wurde Blacky präzise.
„Ok, Überwachungsdrohnen, das geht ja noch", gab Issandra bereits erleichtert zurück. „Falsch, Isi, ganz falsch!", entgegnete der Decker. „Ich habe nachgesehen. Die Dinger sind mit je einem mittelschweren Maschinengewehr ausgestattet, aus denen sie mit fünfhundert Schuss Ex-Ex-Mun feuern können!", korrigierte er Issandras Hoffnungen. „Die fegen euch von der Piste, ohne mit der Wimper zu zucken!", warnte Blacky.
„Ach du Scheiße, echt jetzt?", fragte Issandra nach.
„Ja Isi, ich kann Dir nichts Besseres sagen", bedauerte Blacky auf der anderen Seite. „Ich habe hier keine Infos, warum die Konzerne solche Geschütze auffahren. Womöglich habt ihr da irgendwas mitgehen lassen, was die unbedingt wiederhaben wollen", spekulierte der Decker.
Issandra spürte, wie sie ein Zittern und Beben durchlief, wie sie schwer atmete, ihr die Knie zu versagen schienen und sie sich unbewusst Halt an der inneren Bordwand suchte.
„Isi? Isi, bist Du noch dran, Isi?"
„Ja, bin ich", antwortete sie mit leicht bebender Stimme.
„Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, um euch zu helfen, Isi! Scheiße, wenn ihr nun doch versucht unerkannt anzuhalten, das Zeug zurücklasst und euch dann zu Fuß durchschlagen würdet, vielleicht habt ich eine Chance. Ich könnte versuchen für euch eine günstige Stelle zu finden", schlug Blacky vor, dessen Stimme nun ebenfalls von großer Aufregung ergriffen war.
„Wir können so eine Stelle auch finden, ich hatte unseren Rigger schon drauf angesetzt. Du weißt doch, Plan-B und so", log Issandra, um ihren Freund zu beruhigen, obgleich sie sich damit wohl eher selbst zu beruhigen versuchte. „Ok, ich weiß ja nun Bescheid! Mach's gut Blacky", sprach sie in ihr Telefon und es gelang Issandra dabei nicht ihr Schluchzten vollkommen zu unterdrücken.
„Blacky", rief sie, „wir waren die Besten, nicht wahr? Wir hatten nicht viel, aber in unserer Gang waren wir doch glücklich und sicher, oder", fragte Issandra, obwohl es mehr einer Feststellung gleichkam.
„Isi? Isi? Mach keine Scheiße Isi, ok! Versuche da wegzukommen! Isi, versprich es mir!", forderte der Decker energisch ein.
„Blacky, ich muss jetzt wirklich Schluss machen", sprach Issandra nun wieder mit ruhiger Stimme in ihr Telefon und unterbrach das Gespräch. Gleich darauf tippte sie mit leicht zittrigen Fingern eine Nachricht an Blacky in die kleinen Tastenfelder.
„Der Telefonmast, neben dem alten Wellblechhäuschen, war im oberen Teil hohl und in dem Lagerhaus am Zementsilo waren noch fünf Zentimeter Platz zwischen dem breiten Firstträger und dem Dachblech, dort hatte ich sie immer versteckt, die ganzen Jahre über."
Als Issandra auf das Sendefeld in ihrem Display drückte, fühlte sich ihre Fingerkuppe plötzlich feucht an. Sie wischte mehrfach über das Display und wunderte sich, dass die Anzeige nicht trocken wurde, doch im Gegenteil, auf die glatte, mattglänzende Oberfläche fiel nun Tropfen für Tropfen für Tropfen.
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Schattenhelden - Hogars Ausflug nach Berlin
AdventureErstens kommt es anders und zweitens, als man denkt! Kein Ausspruch würde wohl besser passen, um den ungeplanten Ausflug zu beschreiben, den der Troll Hogar nach Berlin unternimmt. Etwa vier Autostunden von seiner Heimat im Schwarzwald entfernt, ben...