Schnellstraße 10, südlich von Michendorf - 19:28 Uhr

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Die drei verbliebenden, einsatzfähigen Drohnen wurden nun, ferngesteuert durch ihre Rigger, abermals auf einem kreisförmigen Kurs um den Laster herumgeflogen. Am Ende dieses Manövers erschien eine Drohne in einer Entfernung von etwa fünf Metern seitlich an Hogars Fahrerfenster, eine weitere hatte sich auf derselben Seite, auf Höhe des Laderaumes postiert, während die dritte Drohne wieder die Verfolgerposition einnahm.

Hogar spürte den Ziellaser auf seiner linken Gesichtshälfte. Kassandra, hatte vom Laderaum aus die Geräusche der Verfolgerdrohne ausmachen können und gab Hogar die Anweisung, die Heckklappe abermals nach oben hin zu öffnen.
„Ja, kannst Du haben", sprach er und bediente die Displayfelder. „Aber jetzt brauchen wir schon ein großes Wunder, ein sehr großes", rief er in den Laderaum und dachte gleich darauf an Jannogar und an die gemeinsamen Abende, die er nun wohl nicht mehr mit seinem Cousin würde verbringen können. Er dachte an viele Freunde, die er in seiner Kindheit während der Trollkriege bereits verloren hatte und daran, dass er ihnen nun in wenigen Augenblicken ins Reich des Vergessens folgen würde.

Kassandra musste gleich darauf erkennen, was genau Hogar gemeint hatte, als er von einem großen Wunder sprach, dass sie nun dringend benötigten. Als sie freie Sicht hatte, schaute sie in die Mündung des Maschinengewehres der nachfliegenden Drohne, die nur noch etwa sieben Meter von ihr entfernt war.

Das war's jetzt!, dachte Issandra, während es ihr wieder und wieder heiß und kalt durch den Körper lief, bevor sie schließlich von einer Art inneren Leere ergriffen wurde. In einem winzigen Filmschnipsel sah sie einige Episoden die sich in ihrem Leben so oder so ähnlich abgespielt haben mochten. Sie sah ihre Freunde aus Kindertagen, ihren alten Lehrer, sie sah Overlord, Spengler und Poolitzer, bis ihr das Antlitz ihrer Mutter erschien und sie anlächelte. Dabei sprangen Issandra die Tränen in scheinbar reißenden Flüssen aus den Augen und sie hörte einen immer lauter und lauter werden Schrei, der unablässig in ihr Gehör drang und in ihrem Kopf widerzuhallen schien.

Sie konnte den großen Punkt des Ziellasers förmlich fühlen, der hin und wieder über ihr Gesicht strich. Wie automatisch ergriff sie ihr LMG und begann die Waffe in Anschlag zu stemmen, während ihr eigener andauernder Schrei alle sonstigen Geräusche um sie herum zu ersticken schien.

Ein lauter Knall löste ein Zucken in ihrem gesamten, bis zum Zerreißen angespannten Leib aus. Der erste Treffer, schoss ihr sogleich ein Gedanke durch den Kopf und so schloss sie in Erwartung weiterer Einschläge ihre Augen. Im nächsten Moment jedoch, kam es Issandra vor, als klopfte ihr logischer Verstand an die Pforte ihrer großen Emotionen, von denen sie zuvor vollkommen überwältigt worden war. Warum stehe ich noch hier und liege nicht dort hinten?, fragte Ihr Verstand höflich doch bestimmend. Und überhaupt, stellte sie erstaunt fest, dass jegliche, weitere Durchzuckungen ihres Körpers ausgeblieben waren.

Jetzt sah sie zur Drohne hinüber und konnte kaum fassen welcher Anblick sich ihr dabei bot. Das Fluggerät war nicht nur mehrere Meter von seinem Kurs abgekommen, sondern es quollen darüber hinaus schwarze Rauchschwaden aus verschiedenen Öffnungen der ferngesteuerten Maschine unter die sich zunehmend Flammen mischten. In ihrem seitlichen Blickwinkel konnte sie eine weitere Drohne erkennen, welche die gleichen Symptome zeigte.

„Meine hier brennt, sie brennt, sie brennt!", hörte Kassandra Hogar aus der Fahrerkabine rufen.
„Scheiße, Scheiße was ist denn das?", stellte Issandra die wohl neugierigste Frage ihres bisherigen Lebens mehr zu sich selbst und wusste noch nicht, ob sie sich mehr wundern oder freuen sollte. In diesem Augenblick beschrieb die Verfolgerdrohne eine Kurve nach unten und schlug mit unvermittelter Geschwindigkeit auf der Betonfahrbahn auf. Gleich darauf regneten reichlich abgebrochene Komponenten und Einzelteile gegen den Truck.

Blitzschnell befand sich Kassandra flach auf dem Boden der Ladefläche und presste ihr Gesicht nach unten, während sie Arme und Hände dicht an den Körper angelegt hatte. Schon schlugen die ersten Metall- und Kunststoffteile auf der Ladefläche ein und prasselten gegen die vorgehaltenen Schilde von Oskar und Haldomar. Kassandra selbst wurde dabei mit einigen leichten Treffern bedacht.

„Klappe zu Hogar!" rief sie und tastete sich selbst ab. Ihr immer noch erstaunter Blick traf auf die ebenfalls verdutzten Blicke der beiden Diebstahlspezialisten, während sie nach vorn zu Hogar lief und auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
„Dreieck Nuthetal", klang es vom Nav System", woraufhin sich Hogar und Kassandra einen langen Blick zuwarfen, um danach wieder nach vorn durch die Frontscheibe hindurch auf die Straße zu schauen.

„Booster aus!", rief sie ihre Empfehlung durch den Truck, während sie einige tiefe Atemzüge nahm und sah, wie auch Hogar eine sehr große Last von sich abzuwerfen schien. Wiederum kreuzten sich ihre Blicke. Sie blinzelte den Troll an, während er seine Augenlieder in langsamen und bedächtigen Bewegungen auf und zuklappen ließ. Danach richteten sie ihre Blicke wieder auf die Straße, um die weißen Striche dabei zu beobachten, wie sie in schneller Folge einer nach dem anderen unaufhörlich näherkamen, um gleich darauf unter dem Truck zu verschwinden.

Nach einer kurzen Weile konnten sie aus dem Laderaum hören, wie Haldomar und Oskar in ein langsam stärker und lauter werdendes Lachen verfielen. Abermals schauten sie sich in die Augen und richteten ihren Blick wieder gerade aus, bis es schließlich ebenso aus ihnen herausplatzte und sie alle Vier mit Freudentränen in den Augen dem Grenzübergang am Teltowkanal entgegenfuhren.

Schattenhelden - Hogars Ausflug nach BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt