Schattenhelden - Hogars Ausflug nach Berlin

Berlin - 18:41 Uhr

„Guten Tag Herr Kapitän Fuchsberger, wie geht es ihnen?", empfing ihn die adrett gekleidete Dame und beeilte sich dienstbeflissen sofort die notwendigen Bordunterlagen bereitzulegen.
„Lassen sie alles bereit machen", wies Fuchsberger mit knappen Worten an, „wir müssen unverzüglich starten." 

„Jawohl Herr Kapitän Fuchsberger!" Mit übernatürlich schnellen Bewegungen ergriff die Sekretärin den Hörer eines anthrazitschwarzen Gabeltelefons und begann mit ihrer anderen Hand die Wählerscheibe zu drehen, über die sie eine zwölfstellige Nummer in nur einem einzigen Augenblick in das Kommunikationsgerät eingab. Ohne dass ein Betrachter ihre Lippenbewegungen auch nur ansatzweise hätte nachvollziehen können, sprach sie nun ihrerseits Anweisungen in das Telefon. „... und fertigmachen zum Aushallen", schloss die Sekretärin mit nackenlangen, glattanliegenden, braunen Haaren und richtete ihren dunkelblauen Blazer, den sie über ihre weiße, hochgeschlossene Bluse trug. 

Daraufhin erklang im gesamten Gebäudekomplex ein periodisch wiederkehrender Signalhornton, der durch alle Räume und alle Gänge schallte. Ingenieure in langen, hellgrauen Kitteln und Techniker in dunkelgrauen Overalls liefen, in den breiten Gängen und großen Werkstattabschnitten wie auf vorgegebenen Wegen zu ihren ebenfalls vorgegebenen Zielen, um dort vordefinierte Tätigkeiten auf eine wiederum festgelegte Weise zu verrichten, worauf sie sich danach an weitere vorbestimmte Orte begaben, zu denen sie abermals über exakt abgestimmte Korridore gelangten. Genau 10.387 Mann Bodenpersonal und 44 Mann Bordpersonal arbeiteten zur selben Zeit ihre Aufgaben ab, ohne sich dabei auch nur ein einziges Mal zu behindern.

Kapitän Fuchsberger, war ein hochgewachsener Mann von schlanker Gestalt, welche durch seinen langen und leicht Figur betonenden, blauschwarzen Mantel unterstrichen wurde. Über seiner dunkelbraunen Kurzhaarfrisur trug er eine weiß-dunkelblaue Schirmmütze mit schwarzglänzendem Schirm, über dessen Ansatz eine goldfarbene Doppelkordel lag, die zu beiden Seiten des Schirmansatzes an ebenso goldfarbenen Knöpfen befestigt war. Dieselbe Goldfarbe fand sich auf den Schulterstücken, den Unterarmstreifen und an den vier doppelreihig angeordneten Knöpfen seines Langmantels wieder. Die Beine steckten in einer ebenso blauschwarzen Stoffhose mit scharfen und exakt geradlinig nach unten verlaufenden Bügelfalten. Dabei fiel der Saum der Hosenbeine über ein Paar schwarze Lederhalbschuhe, deren harte Sohlen ein schallendes Geräusch verursachten, während Kapitän Fuchsberger mit schnellen, großen und festen Schritten einen langen, klinisch sauberen Korridor durchquerte, an dessen Ende er in einen gigantischen Hangar gelangte. 

Beide Schubtore des Hangars waren bereits auseinandergefahren worden und gaben eine Öffnung von exakt fünfzig mal fünfzig Metern frei. Als Kapitän Fuchsberger den Hangar betrat, standen die Männer des Bodenpersonals angetreten, ein jeder auf seiner exakt vorbestimmten Position. Keiner von ihnen bewegte sich. Lediglich ihr Haar wurde von unregelmäßig hereinwehenden Böen in ein leichtes und ebenso unregelmäßiges Schwingen versetzt. 

„Guten Tag Herr Kapitän Fuchsberger", entgegnete ihm ein ebenfalls hochgewachsener Elf in einem langen, hellgrauen Kittel, mit silberfarbenen Schulterstücken, auf dessen rechter Brusttasche in silbernen Lettern ‚Chef Hallen Ingenieur' zu lesen war. „Ich melde, das Luftschiff ‚Graf Zeppelin' ist fertig zum Aushallen."
„Danke Konradi", beantwortete Fuchsberger dessen Meldung und setzte seinen Weg über einen schmalen roten Teppich mit goldfarben abgesetzten Rändern zur Gangway fort. Auf den Stufen der Gangway verursachten die harten Sohlen seiner Halbschuhe jenen charakteristischen Klang, der unverkennbar entsteht, wenn eine Person über eine Oberfläche geht, die aus nicht allzu dicken Metallplatten besteht. 

„Kapitän auf der Brücke!", gab der Erste Offizier Hugo Eckener, mit knappen Worten bekannt.
Neben dem Kapitän sowie dem Ersten und dem Zweiten Offizier, befanden sich die Rudergänger des Seitenruders und des Höhenruders auf der Brücke. Dabei kam den beiden Offizieren die Weitergabe von Kommandos und Meldungen zwischen dem Kapitän und der hierarchisch organisierten, vierzigköpfigen Besatzung zu.