Kassandra war an der Bordwand in die Hocke gegangen und nahm einen sehr tiefen Atemzug. Oskar und Haldomar verfolgten mit Anspannung und fragenden Blicken Kassandras Mimik und Gestik, konnten sich jedoch nicht dazu durchringen, sich direkt bei ihr nach den schlechten Neuigkeiten zu erkundigen, die sie offensichtlich soeben von ihrem Decker erfahren hatte.
„Zu früh gefreut", begann sie und sah zu den beiden hinüber. „Wir sind doch am Arsch!", ergänzte sie und musste dabei auffällig blinzeln und sich über die Augen wischen.
„Was ist los Kassandra?", fragte Oskar nun doch.
„Sie werden uns fertig machen, das ist los!", antwortete sie mit ratlos klingender Stimme und atmete wiederum schwer durch. „Blacky sagte, dass sie dabei sind, uns vier bewaffnete Drohnen auf den Hals zu schicken."
„Bewaffnete Drohnen?", wunderte sich Haldomar.
„Jetzt übertreiben sie aber", ergänzte Oskar. „Das Zeug ist doch versichert, wie immer", dachte ich.
„Keine Ahnung", entgegnete Kassandra. „Vielleicht waren wir in der letzten Zeit einfach zu oft erfolgreich auf Tour und haben es übertrieben. Könnte auch gut sein, dass wir irgendetwas Spezielles oder Geheimes abgefasst haben, weswegen sie jetzt sauer sind", griff Kassandra Blackys Spekulationen auf. „Jedenfalls haben wir ja vorhin diese zwei Leichtpanzer geschrottet, womöglich sind sie ja nun deshalb dreifach angefressen."
„Ja, aber sowas von geschrottet", rief Haldomar, „und die Drohnendinger holen wir auch noch runter", gab er sich zuversichtlich. „Du kannst doch mit deiner Kanone umgehen, oder?"
„Was für Drohnen sind das?", fragte Hogar vom Fahrersitz in den Laderaum.
„Irgendwas mit Lone Star Strato-9", antwortete Kassandra.
„Ungut!", stellte Hogar fest. „So ein Teil hatten wir mal in der Werkstatt zum Frisieren", erklärte er. „Die haben meistens mittelschwere Maschinengewehre, dagegen kommen wir nicht an!"
„Und was machen wir dann jetzt?", wollte Haldomar wissen.
„Ich rufe Blacky nochmal an, um zu erfahren, wann die etwa zu uns stoßen, entschloss sich Kassandra. „Wenn ich ihn richtig verstanden habe, sind die erst dabei, die Dinger zu starten", präzisierte sie ihre Informationen und wählte Blackys Nummer.
„Hm, hm, hm, bis Berlin ist es zwar nicht mehr weit, aber das wird trotzdem sau knapp", beschrieb Hogar das drohende Unheil.
„Er geht nicht ran!", stellte Kassandra fest.
„Naja, so wie ich das beurteilen kann, holen die uns wahrscheinlich bei Beelitz ein", schätzte Hogar.
„Aber da sind wir doch schon fast da!", platzte es aus Haldomar.
„Ja, genau, fast!", gab Kassandra zurück und sprang auf. „Und fast reicht eben nicht, diesmal nicht", herrschte sie den Zwerg an. „Scheiße, Scheiße, Scheiße, was ...", unterbrach sie sich selbst, schluckte schwer, holte mehrfach tief Atem und ging wieder an der Bordwand in die Hocke.
„Wir müssen eine Entscheidung treffen!", verkündete sie schließlich. „Wir könnten aufgeben, das Zeug stehen lassen und uns absetzen", begann sie die Optionen zu schildern. „Ich habe zwar noch keine Ahnung, wie ich diese Pleite Paul verklickern würde, aber in Abwägung der Dinge, sieht er es ja vielleicht eher als Glück im Unglück, wenn wenigstens wir lebend zurückkehren würden."
„Warum sollte er es als Glück ansehen, wenn wir ohne die Ware zurückkommen?", fragte Haldomar.
„Weil er uns dann wieder losschicken kann, ohne Bezahlung, versteht sich."
„Hm, stimmt, klingt logisch", gab ihr der Zwerg Recht.
„Oder wir riskieren es! Vielleicht gibt es ja doch etwas hier an Bord, das die im Ganzen zurückhaben wollen. Dann würden sie vielleicht nicht gleich alles zusammenballern", spekulierte Kassandra abermals.
„Also was jetzt? Sofort aufgeben, davonkommen und als größte Schisser gelten, oder erst im allerletzten Moment aufgeben und wenigstens Eier beweisen, aber vielleicht dabei drauf gehen?", forderte Kassandra nun zur Entscheidung auf.
„Was mich betrifft, ich will vor niemandem ein Schisser sein, und vor mir selbst erst recht nicht! Nicht wie damals, nicht noch einmal! Also Scheiße, was soll's ich bin für Letzteres!" gab sie ihre Entscheidung bekannt.
„Das dachte ich mir schon", antwortete Oskar, „bin dabei!"
„Wo Oskar ist, bin ich auch", schloss sich Haldomar an.
„Ihr seid zwar alle bescheuert, aber einer muss die Kiste ja nun mal fahren", stimmte Hogar ein.
Daraufhin herrschte ein kurzes Schweigen im Fahrzeug. Nur der monotone Klang des Antriebes war zu hören, der sich mit dem rauschenden Geräusch der Räder vermischte. Alle sahen mit nachdenklicher Miene vor sich hin und nahmen einige tiefe Atemzüge.
„Dann los Jungs, lasst uns noch Vorbereitungen treffen", durchbrach Kassandra das allgemeine Grübeln.
DU LIEST GERADE
Schattenhelden - Hogars Ausflug nach Berlin
AdventureErstens kommt es anders und zweitens, als man denkt! Kein Ausspruch würde wohl besser passen, um den ungeplanten Ausflug zu beschreiben, den der Troll Hogar nach Berlin unternimmt. Etwa vier Autostunden von seiner Heimat im Schwarzwald entfernt, ben...