Schnellstraße 9, Raststätte Hermsdorf - 17:12 Uhr

28 4 9
                                    

Nach etwa drei Stunden meldete sich bei Hogar wieder der Hunger an und er schlug vor, seine Vorräte an einem Rastplatz namens „Hermsdorfer Kreuz" aufzufrischen.
„Bis Berlin ist es noch ein gutes Stück und ich möchte meine Vorräte nur ungern zur Neige gehen lassen", begründete Hogar seinen Wunsch nach einer Unterbrechung. Da es keine widersprechenden Meinungen gab, lenkte Hogar den Transportlaster auf den für große Fahrzeuge vorgesehenen Teil des Parkplatzes.

Kassandras Camper folgte auf den Parklatzteil für kleinere und mittlere Fahrzeuge und stellte sich in einer Parkbucht ab. Direkt linksseitig neben der Parkbucht lag ein, mit einem Bordstein umfasster Bereich, in dem ein Baum und einige kleine Büsche wuchsen.
Über die Nav Systeme und durch große, gut sichtbare Schilder wurden die Reisenden darüber informiert, dass die Raststätte in nördlicher Richtung wegen kurzfristiger Bauarbeiten geschlossen war. Zusätzlich wurde auf einen Personentunnel verwiesen, der am nördlichen Ende des Parkplatzes begann und unter den Fahrbahnen hindurch zur Raststätte auf der gegenüberliegenden Seite führte.

Nach einer kurzen Absprache begaben sich Hogar und Taribor auf den Weg, um für die Gruppe einige Dinge einzukaufen. Oskar und Kassandra blieben am Camper, während Haldomar den Laster bewachte.
„Ist nicht eben besonders hoch, die Röhre", bemerkte Hogar, während er mit dem Ork die Treppen zum Tunneleingang hinabstieg.
„Na dann pass auf, dass du dir nicht die Frisur ruinierst", scherzte Taribor zurück.

Als die Beiden den Tunnel betraten, kam ihnen von der anderen Seite eine kleine Gruppe von etwa acht bis zehn Personen entgegen, die sich offenbar auf dem Rückweg zum Parkplatz befanden. Nachdem Taribor und Hogar in der etwa vier Meter breiten und kaum mehr als zweieinhalb Meter hohen Röhre ungefähr sieben Meter zurückgelegt hatten, drangen vom gegenüberliegenden Tunnelzugang laute Rufe an ihre Ohren.

„Weg da, macht Platz, rüber!", hörten sie es schallen. Im selben Moment begann sich eine rennende Gestalt durch die Gruppe zu rempeln. Die ersten Reisenden wurden gegen die Tunnelwand geworfen, kurze Aufschreie erklangen.
„Schneller, schneller, aus dem Weg, schneller doch ihr Penner!", ertönte es von der anderen Tunnelseite, gefolgt von einigen Schüssen, deren Knallen den ganzen Tunnel ausfüllte.

Wie automatisch aktivierte Hogar daraufhin seinen Reflexbooster und ließ die Unterarmklingen herausschnappen, während drei der entgegenkommenden Personen von den Schüssen getroffen zusammenbrachen. Die Gestalt, die über die drei am Boden liegenden Reisenden hinwegsetzte, trug einen mittelgroßen Rucksack, dunkle Kleidung und hatte eine Sturmhaube über den Kopf und das Gesicht gezogen. In der Hand seines rechten, ausgestreckten Armes hielt der rennende Schütze eine schwere Pistole, aus der er jetzt auf den Ork zu feuern begann.

Konnte sich Hogar noch an die Seitenwand des Tunnels werfen, fiel Taribors Reaktion weit langsamer aus. Aufschreiend taumelte der Rigger einen Schritt nach hinten und wurde abermals getroffen. Der dritte Treffer durchschlug Taribors Schulter, bevor ein viertes Projektil seinen linken Unterschenkel streifte und ihn zu Boden schickte.

Unmittelbar danach war die schnell rennende Gestalt auf Horags Höhe und setzte zum Sprung über Taribor an, als der Troll mit seinem rechten Arm eine superschnelle Bewegung ausführte. Dabei fuhr die Unterarmklinge seitlich durch den ungeschützten Hals des Gegners und hinterließ einen tiefen Riss. Schreiend rannte er danach noch einige Schritte in Richtung Tunnelende. Blut sprudelte aus der Wunde hervor, die ihm Hogar beigebracht hatte. Schließlich brach er auf der Zugangstreppe sterbend zusammen, deren oberes Ende er nicht mehr erreichte. 

Hogar schaltete den Reflex Booster ab und hockte sich neben Taribor, der stöhnend versuchte seine Schmerzen zu unterdrücken. Erst jetzt konnte Hogar sehen, dass bereits der erst Treffer unterhalb Taribos etwas zu kurzer Weste in den Blindarmbereich des Unterleibes eingedrungen war. Nicht der Schulterdurchschuss und die beiden Streifschüsse an Kopf und Bein bereiteten Hogar Sorgen, der Bauchtreffer hingegen schon.
„Los auf, jetzt, komm schon!", spornte der Troll den Rigger an, wohlwissend dass dessen Kräfte bereits sehr bald schwinden würden. Hogar legte sich den linken Arm des Orks um die Schulter, zerrte ihn hoch und lief mit Taribor zur Treppe und hinauf zum Parkplatz.

Oskar und Kassandra hatten die Schüsse im Tunnel gehört und befanden sich bereits auf halbem Weg in Richtung Tunneleingang, als Hogar mit Taribor an der Oberfläche erschien.
„Schnell, hierher, es hat ihn erwischt!", rief Hogar den Beiden zu.
„Ok, in den Camper mit ihm!", wies Kassandra an und rannte voraus, um dessen Tür zu öffnen. Danach half sie Oskar und Hogar, den Verletzten in ihren Renault-Fiat Eurovan zu bekommen.
„Hier, auf die hintere Bank mit ihm!", entschied sie. „Und jetzt los, nur weg von hier!", trieb Kassandra nun alle zur Eile an. Sie stieg im Camper nach vorn, während Oskar damit begann, Taribors Verletzungen zu untersuchen.

Hogar rannte indessen zum Laster. Haldomar befand sich auf der anderen Seite des Fahrzeuges und lauschte der laut spielenden Musik, die aus dem nebenan geparkten Transporter kam.
„Hey Haldo, schwing dich in die Karre, sofort!", gab Hogar seinem Beifahrer Anweisung, der die Betonung der Worte richtig interpretierte und eilig einstieg. „Erst mal weg, dann Erklärung", entgegnete Hogar dem fragenden Blick des Zwerges, während dieser auf den Beifahrersitz kletterte.

Gleichzeitig startete Kassandra ihren Camper, dessen Motor auch sogleich ansprang. Doch dann sah sie mit entsetztem Blick auf das Display ihrer Armaturenkonsole. Die Systemanzeigen des Nav gaben den Fortschritt beim Berechnen der Fahrtroute und dem Scannen der Umgegend auf Hindernisse und Störkonturen an.
„Das dauert ja tausend Jahre!", fluchte Kassandra laut und presste ihre Fingerkuppe auf das untere rote Displayfeld, auf dem stand: ‚NAV OVERRIDE'.

Manuell setzte Kassandra nun das Fahrzeug aus der Parkbucht zurück und lenkte dabei die Vorderräder nach links ein, um die Front des Campers herumschwenken zu lassen. Während des letzten Meters der kurzen Rückwärtsfahrt war plötzlich ein leichter Widerstand zu spüren. Im selben Moment wurde das Fahrzeug mit einem Ruck hinten links um mehrere Zentimeter angehoben.
„Achtung, Kollision des linken Hinterrades", ertönte es zugleich aus dem Systemlautsprecher. Gleichzeitig erschien im Display eine dreidimensionale, skizzenhafte Darstellung des hinteren linken Fahrzeugbereiches, auf der das betreffende Rad rot blinkend hervorgehoben wurde.
„Dieser beschissene Bordstein!", fluchte Kassandra in Richtung der Frontscheibe, schaltete das Fahrzeug auf Vorwärtsfahrt und verließ nun zügig den Parkplatz.

Noch während sie in die Ausfahrtspur einbog, sah sie einige Personen am oberen Ende der Tunneltreppe ankommen. Die Vier trugen Uniformen, die sie als Sicherheitspersonal der Raststätte auswiesen. Im Display der Rückkamera konnte Kassandra erkennen, dass Hogar den Laster mit dem Diebesgut etwa einhundert Meter hinter ihr auf die Fahrbahn steuerte.

„Er hat einen Schulterdurchschuss, zwei Streifschüsse und einen Unterleibstreffer", fasste Oskar knapp zusammen.
„Hm", bestätigte Kassandra und konnte sich ein Fluchen eben noch verkneifen. „Da hinten unter meinem Bettkasten findest Du ein neuner Medkit und Verbandszeug", unterrichtete sie Oskar. „Da sollte auch eine Bedienanleitung dabei sein", erklärte sie weiter.
„Mit einem Neuner sollten wir dich erst mal ganz gut stabil bekommen Taribor", beruhigte Oskar den vor Schmerz stöhnenden Ork. „Es wird gleich besser", versprach ihm Oskar mit ruhiger Stimme und zerrte gleichzeitig einen großen Kasten unter Kassandras Schlaflager hervor. Ja, Besserung, eine Besserung dieses ganzen beschissenen Tages! Das könnten wir wirklich gut gebrauchen, dachte Kassandra und aktivierte das Nav ihres Campers.

„Die Fahrtroute wird angepasst", tönte es aus dem Lautsprecher. „In circa zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten haben sie ihr Ziel in Berlin Steglitz-Zehlendorf erreicht", gab das Nav anschließend bekannt.

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Schattenhelden - Hogars Ausflug nach BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt