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ʏᴜɴ ᴇᴜɴᴡᴏᴏ | Ich presse mich an die Wand, betrachte schweigend die große Schüssel in meiner Hand und höre doch ganz aufmerksam dem leisen Gespräch zu. Nachdem Daeshims Vater sich für ein Telefonat zurückgezogen hat, wurde mir die Aufgabe zugetragen, mich um etwas zu essen für den Jüngsten zu kümmern. ,,Also sagt dir der 12. oder 13. November nichts?", wispert Daeshim leise. Meine Kiefer mahlen aufeinander. ,,Wie kommst du denn darauf, mh? Ist etwas passiert?" – ,,N–Nein! Eunwoo... Hat sich nur etwas komisch verhalten." Ich? Gott natürlich! Natürlich habe ich mich komisch verhalten! Wie auch nicht, wenn ich Appas Todestag mit diesem blöden Idioten verbringen muss!

Miss Jang verlässt ein wissender Laut und so wie es sich anhört, scheint sie Daeshims Hand zu tätscheln. ,,Um Eunwoo geht es also...", murmelt sie und seufzt leise, ,,Ihr versteht euch gut, mh?" So kann man es auch sagen. Daeshim schweigt jedoch abwartend. ,,Wir haben schon ein paar mal darüber gesprochen... über den Unfall den du und unsere Angestellten hatten, als du nach China rüber geflogen werden solltest, nicht wahr?" ,,Der Autounfall?", fragt er leise, ,,Ja, ich sollte schon mal zu Appa fliegen, aber wegen des überraschenden Schneefalls war es glatt und–" ,,Du warst das einzige Kind.", murmelt sie, ,,Gerade mal zwölf Jahre alt." Nun seufzt sie laut, raschelt mit der Bettdecke und folgt dem auffordernden Laut ihres Sohnes nur zögerlich. ,,Du wurdest sofort in den ersten Rettungswagen verfrachtet. Kaum bei Bewusstsein und– und–" ,,Ich weiß, ich weiß... aber was hat das denn mit Eunwoo zu tun?" ,,Sein Vater.", murmelt Miss Jang leise, ,,Mister Yun, er– er war selbst schwer verletzt. Man kann nicht sagen, ob er es aufgrund des Adrenalins selbst nicht bemerkt hat oder ob er so selbstlos war... Er hat es nicht geschafft– ist noch auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben..." ,,Er ist–" ,,Eunwoo hat uns verständlicherweise jahrelang gemieden.", spricht die Frau weiter, ,,Aber er schien nie besonders nachtragend, als er vor ein paar Jahren auf uns zugekommen ist." ,,Nicht besonders nachtragend?" – das reicht!

Mich bewusst laut räuspernd und mit schweren Schritten betrete ich das Schlafzimmer. ,,So.", murmle ich langgezogen, hebe mit einem Lächeln die Suppenschüssel an und bringe Miss Jang damit dazu, sich zu erheben. ,,Vielen Dank, Eunwoo.", lächelt sie ehrlich und lässt sich nichts von dem Gespräch anmerken, während Daeshim verdutzt drein blickt. ,,Würdest du Daeshim beim Essen helfen–" ,,Ich kann das–", Daeshim verstummt unter dem strengen Blick seiner Mutter, hängt nur noch ein geflüstertes: ,,Alleine.", dran. ,,Ich sehe eben nach meinen Mann. Zumindest für eine Stunde noch soll er die Arbeit beiseite legen." Schnellen Schrittes umrandet sie das Bett und lässt uns schneller wieder alleine, als es Daeshim lieb zu sein scheint. Leise seufzend lasse ich mich neben dem jungen Mann nieder, rühre in der Schüssel herum und hebe den ersten befüllen Löffel vor seinen Mund. ,,Ich kann das wirklich alleine.", druckst er. ,,Ich widersetze mich sicher nicht den Anweisungen deiner Mutter.", schüttle ich den Kopf. Keine Chance! Und das versteht mein Gegenüber zum Glück schnell. Zögerlich trennt er die Lippen voneinander, sieht mich durch seine runden Augen unsicher an und lässt mich den Löffel in seinen Mund führen. Ich betrachte ihn und sein entstelltes Gesicht ruhig. Er sieht wirklich scheiße aus.
– Und er wusste also gar nichts von dem Tod meines Vaters, ja? Hat er seine Existenz einfach verdrängt nachdem er jahrelang immer wieder an seiner Seite war? Wenn ich könnte, würde ich ironisch auflachen. Nein, einen Mann wie meinen Vater kann man nicht einfach so vergessen! Nicht mal als verblödetes Kind! Keinesfalls!

Oder?...

Vielleicht hat er sich auch nie gefragt, warum mein Vater und ich nicht wieder aufgetaucht sind.

Immer wieder springen meine Gedanken hin und her. Ich kann mein Mitleid Daeshim gegenüber kaum unterdrücken, spreche aber auch kaum mit ihm, berühre ihn kaum. Und wenn doch passiert es auch für mich überraschend sanft. Ich weiß nicht was mit mir los ist, weiß nicht mal, welche Sicherungen mir gestern durchgebrannt sind! Ich wollte bei ihm sein und mich um ihn kümmern! Ich wollte neben ihm liegen, mit ihm kuscheln und sichergehen, dass es ihm so gut wie nur möglich geht! Nur weiß ich nicht, warum ich ihm einen Kuss gegeben musste! Ausgerechnet auf die Stirn... Verdammt, ich will gar nicht wissen, was er sich danach gedacht haben muss! Warum seine ersten Worte danach die Bitte war, ihm nicht wehzutun!

Ich sehe in die leere Schüssel, lasse den Löffel in sie gleiten und betrachte den jungen Mann ein wenig. ,,Möchtest du noch mehr?" Er hebt seinen Blick an, schaut zu mir und drückt die Lippen aufeinander. Er schüttelt den Kopf. ,,Nein.", wispert er dann. ,,Etwas trinken? Oder was anderes essen?" Erneut schüttelt er den Kopf. Lässt sich etwas nach unten gleiten und zieht die Decke wieder höher. Und damit erhebe ich mich. Ich will gehen – zurück in die Küche und weg von ihm – und gleichzeitig will ich hier bleiben. Irgendwie... Ich räuspere mich. ,,Hast du Schmerzen?" Er weitet seine Augen, schüttelt den Kopf verneinend und beißt dann doch verstohlen auf seine Unterlippe. ,,Was, mh?", murre ich leise. ,,Kannst du mir vielleicht ein Kühlakku bringen?", flüstert er, was mich nicken lässt.

Ich spüre mein Herz bis zum Hals schlagen, habe leicht schwitzige Handinnenflächen und habe das Gefühl, leicht neben mir zu stehen, als ich in Windeseile das Geschirr wegpacke und kurz darauf ein Kühlakku in ein Tuch Wickel und gleich wieder zurücklaufe. Kurz vor der Tür bremse ich mich aber, kneife meine Augen zusammen und lege meinen Kopf in den Nacken. Warum stelle ich mich so an? Was hat sich verändert, als ich ihn gestern so blutverschmiert in die Arme geschossen habe? Mir ist das Herz in die Hose gerutscht und ich muss mir eingestehen, dass ich mir Sorgen gemacht habe. ,,Bescheuert.", wispere ich kopfschüttelnd, trete in das Schlafzimmer des Jüngeren ein und setze mich neben ihn im Schneidersitz auf das Bett. Ich ziehe seinen Kopf auf meinen Schoß. ,,Wo tut es weh?", frage ich leise, lege das kalte Päckchen in meiner Hand aber automatisch an seine geschwollene Wange und aufgeplatzte Lippe. ,,Genau da.", wispert er leise, schaut kurz dankbar zu mir hoch und lässt mich seine glänzenden Augen betrachten, bevor er diese schließt und gänzlich in meiner Nähe zusammenzusacken scheint.

Ein kurzes Gespräch mit Daeshims Eltern folgt. Der junge Mann selbst, steht leicht neben sich, antwortet nur knapp und nuschelnd, während ich mir Mühe geben muss, ihn nicht in Anwesenheit seiner Eltern allzu intensiv anzustarren. ,,Es ist viel verlangt, aber würdest du die nächsten Tage besonders auf ihn acht geben?", fragt Mister Jang leise, nachdem Daeshim seine Augen wieder geschlossen hat. ,,Natürlich.", nicke ich schnell – und damit ist der Besuch von Daeshims Eltern beendet. Warum sollten sie auch länger hier bleiben, wenn ihr Sohn jeden Moment einzuschlafen scheint?

Als würde er spüren, dass die anderen beiden dabei sind, das Apartment zu verlassen, dreht er sich auf die Seite, in meine Richtung, legt eine Hand in meinen Schoß und drückt sich nahezu an mich. ,,Lass das!", zische ich leise, weil ich für einen Moment ganz überfordert bin, doch hört er natürlich nicht darauf. Kopfschüttelnd schiebe ich eine Hand zwischen seine Haare, ziehe erst vorsichtig, dann fester an seinen einzelnen Haarsträhnen. Er murrt lediglich leise, drückt sich aber enger an mich und hebt schwach eine Hand an, ehe sie zurückfällt. Seufzend löse ich meinen Griff, lehne mich selbst zurück und lasse meinen Blick weiter auf dem Gesicht des Jüngeren verweilen. Trotz der Wunden sieht er überraschend entspannt aus. Kurz löse ich das Kühlkissen, ertaste die eiskalte Haut und gönne dieser eine kurze Auszeit. Ich streiche seine Haare zur Seite und seufze leise. Bleibe ich jetzt hier sitzen und warte darauf, dass Daeshim genügend geschlafen hat? Lasse ich ihn einfach zurück und beschäftige mich anderweitig? Oder soll ich mir einfach etwas zur Beschäftigung besorgen und mich wieder zu ihm setzen? Unwissend lege ich das Kühlakku wieder an seine Wange, schließe selbst kurz die Augen und löse dann doch meine Griffe von ihm. Gott verdammt, ich sollte aufhören, ihn zu berühren und genau das zu genießen! Lächerlich!

Lange kann ich nicht still bei ihm sitzen! Meine Gedanken wühlen mich auf und wahllos greife ich im Vorbeigehen ein Buch aus dem Bücherregal, mit dem ich mich auf dem Sofa niederlasse. Gerade will und kann ich mich nicht in Daeshims Nähe aufhalten. Ich will nicht an ihn denken oder versuchen zu verstehen, warum mein Hass bröckelt. Ich will zwischen den Zeilen versinken und für einen Augenblick in eine andere Welt abtauchen. Und für einen paar Augenblicke schaffe ich genau das, ehe ich mich schwer seufzend in die Höhe drücke, das Buch doch wieder zur Seite schmeiße und in mein Zimmer gehe. Ich stecke mir Kopfhörer in die Ohren, räume meinen gesamten Kleiderschrank aus und nach und nach wieder ein. Ich habe alles sehr provisorisch ein– und verräumt. Die Frauen und Männer die zum Umzug helfen sollten, haben mir dabei netter Weise auch geholfen, was aber natürlich meine eigenen Unzufriedenheit gesteigert hat – es ist ja klar, dass sie nicht alles so machen, wie ich es tun wurde. Mein Badezimmer habe ich von Anfang an selbst übernommen, die Kommode habe ich schon wieder umgeräumt und jetzt hocke ich vor einem riesen Klamottenhaufen. Nacheinander falte ich meine T-Shirts, Langarmshirts und Pullover, hänge ein paar von diesen auf und verstaue den Rest in den Fächern. Später kümmere ich mich um meine Hosen, meine Jacken und Accessoires. Um meine Sportkleidung und Unterwäsche kümmere ich mich gesondert, summe dabei leise vor mich hin und nehme zwischendurch einen der Kopfhörer heraus, um zu lauschen ob ich etwas von Daeshim höre.

Die Stunden verstreichen. Als ich mit meinem Kleiderschrank abgeschlossen habe, lande ich wieder auf dem Sofa. Kaum habe ich aber die Fernbedienung in der Hand, höre ich leises Stöhnen und schlurfende Schritte. ,,Wehe du fliegst auf die Fresse!", rufe ich dem Apartmenteigentümer zu, drehe seufzend meinen Kopf in seine Richtung und sehe dabei zu, wie er das Kühlkissen fest in den Händen hält und an sich drückt. Seine Augen wirken glasig. ,,Ich hab' keine Schmerztabletten mehr." Ich beiße mir auf die Unterlippe. ,,Und du hast starke Schmerzen?", will ich wissen, stehe auf und laufe auf ihn zu. Das Kühlakku ist mittlerweile eher warm als kalt und seufzend lege ich zwei Finger unter sein Kinn. ,,Ja.", wispert er, ,,M–Meine Nase und–" ,,Jaja.", winke ich schnell ab, will mir nicht alle seine Beschwerden anhören müssen und murmle ihm zu, selbst einmal nachzusehen, ob ich nicht noch was finden kann.

Mit einer demolierten Schachtel in den Händen, in der sich gerade mal noch drei nicht allzu starke Tabletten befinden, komme ich gleich wieder zurück. In dem kurzen Augenblick hat er sich auf sie Couch gesetzt und sich zu einer Kugel zusammengerollt. ,,Daeshim.", murmle ich leise, drehe ihn auf den Rücken und ziehe ihn in die Höhe, ,,Na los, gib dir wenigstens Mühe." Müde sieht er mir entgegen, nimmt kommentarlos mein Wasserglas und die Tabletten entgegen und schluckt schnell eine herunter. ,,Ich besorge morgen noch mehr.", lasse ich ihn wissen, ziehe eine der Kuscheldecke zu uns und breite sie auf seinem Körper aus. ,,Hast du die ganze Zeit geschlafen?", will ich dann wissen, drücke ihn weiter nach unten und sehe dabei zu, wie sich seine Augen erschrocken weiten, ehe ich ihn loslasse. ,,Nein...", wispert er leise und schüttelt zaghaft den Kopf. Er lässt mich nicht aus den Augen. ,,Was?", blaffe ich ihn an, ,,Guck nicht so." Doch auch darauf hört er nicht. ,,Leg dich hin und mach die Augen zu.", schüttle ich den Kopf, lehne mich selbst zurück und versuche schnell herauszufinden, was ich gucken möchte. ,,Tue ich dir leid?", wispert er, ,,Oder willst du, dass ich schnell gesund werde, damit du mir wieder weh tun kannst?" ,,Was?!" In nur einer Sekunde lehne ich mich wieder nach vorne und sehe ihn entsetzt an. Was denkt er denn von mir? Ich öffne meinen Mund, um passende Worte zu finden, doch einen Moment bleibe ich still. ,,Ich– Ich meine ja nur–" ,,Vielleicht haben die dir aus Versehen was falsches gespritzt!", schüttle ich den Kopf, ,,Bescheuerter Idiot!" ,,Aber ich–", er verstummt von selbst, zieht die Schultern zusammen und schluckt schwer. ,,Was?", will ich wissen, will wieder nach seinen Gesicht greifen, damit er mir nicht ausweicht, und unterdrücke diesen Gedanken dennoch, als ich nochmals seine Wunden betrachte. ,,Du tust mir immer weh...", haucht er, ,,Ich verstehe nicht, warum." ,,Idiot!", wiederhole ich lauter, doch etwas besseres fällt mir auch danach nicht mehr ein. Ich würde ihm gerne etwas vorwerfen, ihm zu verstehen geben, dass er eben nichts verstehen muss! Ich will meinen Hass verdeutlichen, ihm klar machen, dass ich ihm gerne wehtue – aber mich deswegen jetzt nicht um ihn kümmere. Ich kümmere mich um ihn, weil es ihm schlecht geht!

Ich hasse ihn trotzdem.

,,Ich mache nur meine Arbeit.", entgegne ich ihm wispernd. Eigentlich viel zu spät. Dein Kopf ist schon wieder zur Seite geknickt, seine Augen wirken schwer und sind geschlossen, seine Schultern wieder entspannt. Ich drücke unzufrieden mit meiner Zunge gegen meine Wangeninnenseite und gebe mir Mühe nicht allzu laut zu seufzen.

Ich hasse ihn wirklich.


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swimming with sharks ☾𖤓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt