Türchen 6

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I would have given you all of my heart
But there's someone who's torn it apart
And he's taking just all that I had
But if you want, I'll try to love again

Baby, I'll try to love again, but I know
The first cut is the deepest, baby, I know
The first cut is the deepest
But when it comes to being lucky, he's cursed
When it comes to lovin' me, he's worse
— The First Cut is the deepest • Sheryl Crow —

— Marie —

Am nächsten Morgen war alles so, als wäre es schon jahrelang so. Wir hatten uns angewöhnt, eine Kleinigkeit zusammen zu frühstücken, bevor jeder seiner Wege ging. Leon und Kim schoben sich morgens immer gegenseitig Müsli, Milch und Obst zu und ich war jedes Mal wieder erstaunt, wie schnell und perfekt sich die beiden aneinander gewöhnt hatten.
Es war nicht nur meine eigene Angst gewesen, die mich von Männern fern gehalten hatte. Es gab mich noch nun mal nicht alleine, sondern nur im Doppelpack. Ich trug Verantwortung und ich trug sie gerne. Meine kleine Schwester war alles, was mir noch geblieben war und ich würde sie für keinen Mann auf der Welt eintauschen.

Leon bemühte sich sehr um Kim. Er bezog sie grundsätzlich immer mit ein und so oft er konnte, gab er ihr Mathe-Nachhilfe. Es war ihr schwächstes Fach, aber seit er sie unterstützte, hatte sie sich merklich verbessert.
Man konnte also sagen, dass aus uns eine richtige kleine Familie geworden war. Was sein würde, wenn es mit Leon und mir in die Brüche ging, wollte ich mir noch nicht mal in meinem schlimmsten Albträumen vorstellen.

„Ihr seid wie ein altes Ehepaar", rutschte es mir irgendwann glucksend raus, als ich die beiden eine ganze Zeit beobacht hatte, wie sie in aller Synchronisität ihr Müsli mümmelten und ich an meinem Kaffee nippte.
Die beiden Angesprochenen sahen sich Stirnrunzelnd an.
„Aber ist er nicht dein Freund?!"
„Das macht es ja umso lustiger", kicherte ich, „Ihr müsstet euch wirklich mal von außen sehen! Ich könnte mich wirklich jedes Mal wegschmeißen."
Erneut warfen sich die beiden einen Blick zu; dann ein synchrones Schulterzucken.
„Hauptsache wir machen dir gute Laune", lächelte Leon ebenso so süß wie meine Schwester. Das war schon wieder ein wenig verdächtig, aber vielleicht täuschte ich mich auch doch und die beiden heckten gar nichts aus.
Sicherlich war ich einfach zu misstrauisch.

„Bis später, Liebling", Leon küsste mich innig zum Abschied, weil wir uns heute nicht mehr...
Bis später?!
„Ja, bis später. Trag doch das Champions League Trikot. Das sah wirklich sehr hübsch an dir aus."
Selbst wenn ich mir das Spiel im Fernsehen ansah, wozu Kim mich sicherlich überreden würde, so hatte er doch nix davon, wenn ich ein Trikot trug?!

„Wir gehen im Partner-Look", verkündete Kim grinsend, dann sprang sie wie von der Tarantel gestochen hoch. Ihre Müsli-Schale ließ sie stehen und schubste stattdessen Leon vor sich her in Richtung Tür.
„Wohin gehen wir???", rief ich den beiden überfordert nach.
„Leon spielt doch nachher CL", verkündete meine Schwester selbstverständlich, während sie ihren Rucksack schulterte und ihr Schwager seine Tasche nahm. Mittlerweile kam ich schon besser mit den ganzen Abkürzungen klar. Heute war Champions League Abend in der Allianz Arena. Aber was hatte das Ganze mit uns zu tun?
Wir spielten doch nicht?!

„Die anderen Spielerfrauen freuen sich schon auf euch", Leon grinste nochmal, bevor Kim ihn zur Tür raus schubste. Mit einem geflöteten „Wir haben dich lieb, Schwesterchen" fiel die Tür hinter den beiden Herrschaften zu. Und ich blieb zurück mit zwei halb aufgegessenen Müslischalen und der Einsicht, dass ich mich doch nicht getäuscht hatte.
Verärgert räumte ich die Küche auf und beschloss zunächst einkaufen zu gehen. Das würde Leon zwar wiederum verärgern, aber ehrlich gesagt, war mir das auch gerade herzlich egal. Er hatte mir schon oft genug gesagt, dass wir das zusammen machen würde, weil ich keinen Führerschein hatte und dementsprechend alles schleppen musste. Ich wiederum hatte keine Lust das kurz vor Ladenschluss zu machen, weil man einfach mit einem Bayern-Spieler am helllichten Tag zu viel Aufsehen erregte.
Aufsehen bedeutete Fotos.
Fotos bedeuten Spekulationen und Schlagzeilen.
‚Bayern-Hottie Leon Goretzka in seine Putze verknallt!'
Danke.
Aber nein, danke!

Leon 🐑
Sorry, dass wir dich so
überrumpelt haben 😌

Leon 🐑
Kimmy hielt es für die
beste Idee um dich zum
mitgehen zu bewegen.

Leon 🐑
Ich würde mich wirklich
sehr freuen, wenn ihr beide
heute Abend ins Stadion
kommt.

Leon 🐑
Ich bin aber auch nicht böse,
wenn du dich dagegen
entscheidest.

Böse nicht, aber er wäre enttäuscht. Und meine Schwester ebenfalls.
Man ey.
Ich ließ die Nachrichten unbeantwortet und reagierte auch nicht auf die meiner Schwester. Nach dem Einkaufen widmete ich mich der Wohnung und bereitete schließlich das Mittagessen vor, welches für meinen Freund ein ziemlich spätes Abendessen sein würde.
Ich deckte gerade den Tisch, da flog die Tür auf und zu. Leicht verdrehte ich die Augen.
Seitdem Kim einen Schlüssel hatte, konnte ich nur anhand der Uhrzeit sehen, wer nach Hause kam.

„Schuhe aus", kommandierte ich; ich kannte meine Schwester ja nun auch nicht erst seit gestern. Aus dem Flur kam ein beschwerendes Grummeln, aber sie kam schließlich ohne Schuhe in die Küche.
„Bist du immer noch gereizt?", seufzte Kim, als sie sich auf einen Stuhl fallen ließ, „Ich hab Leon gleich gesagt, dass das Käse ist."
„Wie bitte?", härter als nötig ließ ich die Auflaufform auf den Tisch knallen.
„Na ja, er wollte unbedingt, dass wir es dir morgens beim Frühstück beichten", sie angelte nach dem Pfannenheber und stach sich geschäftig etwas von der Köstlichkeit ab, die sie dann auf ihren Teller gleiten ließ, „Ich wollte es dir heute Abend erst kurz vor Aufbruch sagen."
„Oh da hab ich ja wohl grade nochmal Glück gehabt", kommentierte ich sarkastisch und plumpste damit ebenfalls auf einen Stuhl. Kim gab Ruhe.
Nur leider - wie immer - nicht für lange.

„Kannst du dir nicht mal einen Ruck geben? Leon freut sich doch schon so."
„Er kriegt doch eh nicht mit, dass ich da bin..."
„Natürlich tut er das! Außerdem ist es ihm wichtig, dass du sein Team kennenlernst", nölte meine Schwester weiter, „Es kann auch gar nix passieren! Wir sind bei den anderen Spielerfrauen auf der VIP; da gibts keine Schlägereien."
Na das ja ne Erleichterung.
„Kann es sein, dass eher du scharf darauf bist, heute Abend in der Allianz-Arena zu sein?"
Es wäre Kim's erstes Mal, denn an Karten zu kommen, war ohne Mitgliedschaft so gut wie unmöglich.
Kein Wunder also, dass mein Freund sie damit sofort für sich gewinnen konnte.

„Nein, nein, das war Leon's Idee!"
„Kann ja sein, aber du bist scharf darauf einen gewissen Alphonso Davies zu treffen!", ich piekte mit der Gabel nach ihr, „Wie alt ist der überhaupt???"
„Leon ist drei Jahre älter als du!"
„A ist das noch im Rahmen; B bin ich volljährig und C seit wann steht das hier zur Debatte?!"
„Jetzt komm schon, Marieeeeeeechen", jetzt verlegte sich meine kleine Schwester aufs Betteln, „Biiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitte!"
„Gegen wen spielen die denn?"
Kim legte die Stirn in Falten ganz nach dem Motto „Wofür ist das wichtig? Du hast eh keine Ahnung!", aber sie gab mir meine Antwort: „Manchester City."
Nicht seine Mannschaft.

„Na schön; ihr habt gewonnen! Ich komme mit!", gab ich nach, worauf Kimmy mir quiekend um den Hals fiel, „Aber wehe du kommst morgen nicht aus den Federn, Fräulein!"
„Ich verspreche dir, ich springe wie eine Feder aus dem Bett", grinste sie bis über beide Ohren; sofort hatte sie ihr Handy in der Hand und tippte wild darauf herum.
Ich verzichtete darauf zu fragen, wem sie da schrieb, denn ich kannte die Antwort bereits.
Nervosität stieg in mir hoch. Heute würde ich dann also seine Teamkollegen und deren Frauen kennenlernen.
Hoffentlich ging das mal nicht schief...

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Happy Nikolaus-Tag 🎅🏼

Behind These Hazel Eyes [A Leon Goretzka Advent calendar-FF 2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt