Türchen 24 - 3/3

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When destiny calls you
You must be strong
(You gotta be strong)
I may not be with you
But you′ve got to hold on
They'll see in time
I know
We′ll show them together

Cause you'll be in my heart
Believe me
You′ll be in my heart
(I'll be there for you)
From this day on
Now and forever more
— You'll be in my heart • Phil Collins —

— Marie —

Mein Kopf schwirrte. Mal wieder. Wenn ich in den letzten Wochen schon gedacht hatte, Leon hätte mich mit irgendwas überrannt, so war das nichts im Vergleich zu jetzt. Er hatte das alles so ganz locker flockig raus gehauen als wäre es nichts.
„Und jetzt?", stemmte ich die Arme in die Seiten, „Wollt ihr was essen?"
Leon schnupperte in Richtung Küche: „Gibt's denn was? Ich muss sagen, ich könnte gut was vertragen. Der Tag war schon ein wenig anstrengend..."
Als meine Schwester dazu auch mal wieder nickte, ebenso, als wäre nichts gewesen, war zusammen mit dem, was mich selbst quälte und den durchwachsenen Nächten, die mir den Schlaf raubten, der Siedepunkt meiner Wut erreicht.
Ich schrie Leon an, was ihm einfiele, was er glaubte, wer er war, dass er so über mein, unser Leben zu bestimmen hatte und das ich sehr gut damit alleine klar kommen würde, wenn man mich ließe.
Womit ich weniger gerechnet hat, war, dass mein sonst so besonnener und ruhiger Freund dieses Mal auch aus der Haut fuhr und lautstark zurück zickte.

„Können wir nicht vielleicht in Ruhe...", schaltete sich Kim schlichtend ein, doch bevor ich sie auf ihr Zimmer, also das Gästezimmer schicken konnte, kam Leon mir zuvor.
„Geh auf dein Zimmer, Kim! SOFORT!"
Normalerweise widersprach sie immer. Jetzt jedoch beobachtete ich sprachlos, wie sie ihren Schwager in Crime auf die Wange küsste und verkündete, bei einer Abstimmung hätte er ihre Stimme sicher, bevor sie ohne ein Wort der Gegenwehr nach oben stapfte. Offensichtlich auf mich sauer, weil ich meinem Lebensgefährten nicht sofort freudig um den Hals gefallen war.

„Das hast du ja super hingekriegt", motzte ich weiter, „Findest du es fair, Kim gegen mich aufzuhetzen?"
„Ich habe sie nicht aufgehetzt, nur ist sie in manchen Dingen mit 16 vernünftiger als ihre große Schwester!"
Das war kein Seitenhieb, sondern ein Frontalangriff. Und der hatte sein Ziel nicht verfehlt. Der Stachel saß so tief, dass wir uns erneut anschrieen, bis Leon dem ein Ende bereitete.
„Weißt du was?!", fuhr mich der Lockenkopf irgendwann an, „Mir ist es jetzt scheiss egal, ob du damit klar kommst, aber ich liebe dich, Marie! Dich und unsere Kleine..."
Er hatte es gesagt.
Die drei kleinen großen Worte.
Ganz von sich aus.
Ohne etwas dafür zu erwarten.
Und mehr noch: Er hatte den - mit ihm - wichtigsten Menschen in meinem Leben mit einbezogen.
Meine kleine Schwester.

„Ich liebe dich auch!", entwich es mir leise, ganz intuitiv und ohne weiter darüber nachzudenken.
„...und nach heute interessiert es mich einen Scheißdreck, ob du mit dem Geld was ich verdiene, klar kommst. So lange es euch schützen kann...warte mal! Sag das nochmal!"
„Ich lieb dich auch", wiederholte ich es ebenso leise, aber er hatte es gehört. Weinend flüchtete ich mich in seine Arme; das hier war alles viel zu viel, aber mit ihm zusammen schien alles viel erträglicher zu sein.
Wenn ich es zuließ.

„Leon, dass mit dem endgültigen Zusammenziehen...das ist ein großer Schritt", blickte ich irgendwann schniefend zu ihm auf, „Vor allem, weil...", ich atmete tief durch, „...weil du das nie wolltest..."
Mein Freund zog eine Augenbraue hoch: „Meine Schwestern haben dich wirklich sehr in ihr Herz geschlossen, wenn sie dir schon meine dunkelsten Geheimnisse anvertrauen..."
„Was hat sich geändert?"
„Ich weiß nicht...", verlegten fuhr er sich durch die Haare, „Ich hab...ich hab mir das mit Mathea nie vorstellen können. Klar haben wir zusammen gewohnt, aber zu mehr hab ich mich nie überwinden können. Ich weiß selbst, dass das damals nicht fair von mir war. Ich hätte die Reißleine ziehen sollen, aber hab es nicht getan, weil ich zu feige war...",  der Dunkelhaarige seufzte tief, „Dann kamt ihr beide, Du und Kim, ihr habt alles verändert. Ich...Heute...ich weiß, du denkst, ich mache mir wenig Sorgen, aber das stimmt nicht. Ich bin vor Angst um Kimmy heute fast durchgedreht und ich würde es mir nie verzeihen, wenn einer von euch etwas geschieht und ich genau wüsste, dass ich es hätte verhindern können!", er atmete tief durch und umfasste vorsichtig mein Gesicht, „Ich will das hier. Kim, dich, uns als Familie. Mit einem kleinen Krümel irgendwann, wenn du bereit dafür bist. Ich weiß, dass ist viel im Moment und deshalb lass uns einen Kompromiss machen."
„Einen Kompromiss?", jetzt war ich diejenige, die eine Augenbraue hochzog, „Setzt du nicht normalerweise einfach deinen Kopf durch?"
„Vielleicht muss auch ich in manchen Punkten umdenken," verdrehte er grinsend die Augen, „Behalte eure Wohnung noch ein Weilchen. Bis du dir mit uns ganz sicher bist."
Da war es wieder.
Eigentlich war ich mir sicher.
Ich liebte Leon.
Niemand konnte - unter normalen Umständen - sagen, ob es für immer halten würde. Aber das hier waren keine normalen Umstände. Nicht mit dem was mich quälte und von dem mein Freund keine Ahnung hatte.
Es wäre vielleicht jetzt ein Zeitpunkt gewesen, es ihm zu sagen. Gut konnte man wohl nicht sagen. Den würde es nie geben.
Aber ich konnte nicht.

Behind These Hazel Eyes [A Leon Goretzka Advent calendar-FF 2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt