Türchen 26 - 2/3

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Seit Tagen ist mein Leben für mich ohne Sinn
Beweg' mich nur im Kreis statt zu dir hin, weil ich weiß
Wie enttäuscht du von mir bist
Und ehrlich, wie hab' ich dich vermisst
Du sprichst kein Wort
Kein Ort, der nicht nach dir schmeckt
Und weckt ein Gefühl, das in mir steckt
Dich zurückgewinnen, neue Pläne spinnen
Lass uns doch noch mal von vorn beginnen

Love is like a smooth summer rain
I wish that you'll be back again
Holding back the good times
Forget about the past
Won't let you down
Sag nicht was du willst
Sag mir, was ich hören will (won't let you go)
Sag mir, dass ich ein Teil aus deinem Leben bin (won't let you cry)
Dass ich dir fehle
Dein Gewissen quäle
Bereit' dem ein Ende (bereit' dem ein Ende)
— I wish • Oli P. —

— Leon —

Der Mittelhandbruch war ein Grund, aber kein Hindernis. Acht Tage nach der Operation stand ich wieder auf dem Trainingsplatz. Jo hatte sich eine Sperre für drei Spiele eingefangen und die Personaldecke war nun mal dünn. Ich war wie jeden Morgen zur Säbener gefahren und hatte meine Rückkehr ins Teamtraining erst via Insta verkündet. Oder besser gesagt, der Verein hatte es getan. Marie hatte einen Account, den sie aber eigentlich nicht nutzte. Als ich sie nach dem ersten Training anrief und sie mich eiskalt weg drückte, konnte ich mit 100 %iger Sicherheit davon ausgehen, dass sie heute eine Ausnahme gemacht hatte.

Als nächstes rief ich die Person an, die immer anrief, wenn die Kacke am dampfen war.
„Du bist n Idiot!"
„Danke, ich freu mich auch mit dir zu sprechen, Schwesterherz", verdrehte ich die Augen, „Offensichtlich hast du mit Marie gesprochen?"
„Hab ich. Du steckst in Schwierigkeiten, mein Lieber", verkündete meine Zwillingsschwester süffisant, „Zurecht! Bist du eigentlich verrückt? Du bist vor grade mal ner Woche vom OP-Tisch gehüpft!"
„Mir gehts blendend, Luisa, die Hand heilt super und es kann gar nix mit der Schiene fürs Spiel passieren."
„Du willst also tatsächlich gegen Leipzig auf den Rasen."
„Sieht nach Start-Elf aus", ich war erleichtert, aber so wie es aussah, war ich wohl der einzige, der sich darüber freuen würde.
„Das ist falscher Ehrgeiz, Leon!"
„Das ist hier kein normaler Arbeitsplatz, Luisa, hier gehts um meinen Arsch!", zischte ich in mein Handy, bevor ich tief durchatmete um mich wieder zu beruhigen, „Hör zu ich weiß, das das...ungünstig war, aber ich wollte, dass Marie sieht, dass ich das kann. Damit sie sich keine Sorgen macht."
„Ungünstig nennst du deinen xten Alleingang?!", echote Lu am anderen Ende der Leitung empört, „Newsflash Goretzka: Das „sich keine Sorgen machen" hat nicht funktioniert!"
„Du bist meine Schwester; du solltest auf meiner Seite stehen!"
„Ohhh sorry, dass ich für den Fußballgott kein Beifall klatsche", erwiderte die Brünette ironisch, „Mach die Augen auf, Leon und vergeig es nicht mit Marie."
Mach die Augen auf...

„Wie meinst du das?"
„Merkst du denn gar nix?"
„Luisa, sag mir, was du weißt!"
„Vergiss es; ich werde ganz sicher Marie's Vertrauen nicht missbrauchen. Allerdings solltest du dir ganz schnell darüber klar werden, wo deine Prioritäten liegen."
„Lu...Luisa?"
Aufgelegt.

Nachdem ich meine Physio und das zweite Training hinter mir hatte, fuhr ich nach hause. Auf dem Weg dorthin versuchte ich die ganze Zeit meine Schwester erneut zu erreichen, aber Fehlanzeige. Sie ließ mich ganz deutlich wissen, dass ich erst einmal verschissen hatte, indem sie mich eiskalt wegdrückte. Wunderbar.
Als ob ich nicht schon genug Stress hatte.
Bevor ich oben die Wohnungstür aufschloss, atmete ich noch einmal tief durch. Möglicherweise hatte sich meine Freundin ja wieder beruhigt. Artig trat ich mir im Flur die Sneaker von den Füßen und ging in Richtung Küche.
„Na ihr Beiden? Alles klar?"
Marie stand stocksteif am Herd, während sie in einer Pfanne herum rührte. Kim, die am Esstisch saß, der für zwei gedeckt war, riss warnend die Augen auf und strich sich über den Hals.
Damit war meine Hoffnung also verpufft.

Um bloß kein unnötiges Geräusch zu machen, setzte ich mich so vorsichtig, wie ich konnte, auf den Platz, der wohl für mich gedeckt war.
„Guten Appetit", damit donnerte ein Teller vor meine Nase. Gebratene Nudeln mit Ei.
Und ein riesengroßer Haufen Zwiebeln.
Das war wohl eine unmissverständliche Bekanntmachung, dass ich mir nicht einbilden brauchte, dass es hier heute noch zu ein wenig Zuneigung kommen würde.

„Isst du nicht mit uns?"
„Nein! Etwas hat mir heute ganz gewaltig den Appetit verdorben", zischte die Brünette mit einem vernichtenden Blick. Bevor sie sich jedoch aus dem Staub machen konnte, bekam ich sie noch am Handgelenk zu fassen.
„Babe, komm bleib hier, lass uns reden."
„Weißt du, was das Problem ist, Leon?", piekste sie mir bei jedem Wort in die Brust, „Du willst immer dann reden, wenn es schon zu spät ist und du ohnehin gemacht hast, was du willst."
Ich war wirklich immer der ruhigere von uns beiden. Ich hatte im Fußball gelernt, dass einen Wut nicht weiter brachte und unvorsichtig machte. Aber so langsam platzte auch mir der Kragen.
„Und du willst gar nicht reden!", schoss ich sauer zurück, „Oder ist jetzt der passende Zeitpunkt um über deine Albträume zu sprechen?"
„Du hast Albträume?", mischte sich Kim nun ein, „Warum sagst du das nicht?"
„Weil Leon übertreibt", knurrte sie warnend in meine Richtung, damit ich die Klappe hielt, „Es ist halb so schlimm."
„Aha...wird es deshalb seit unserem Urlaub immer schlimmer?", bemerkte ich ungerührt, „Und weichst du mir deshalb immer aus, wann immer ich das Thema zur Sprache bringe?!"
„Kim, geh auf dein Zimmer!"
„Nein, sie bleibt schön da sitzen. Wenn es ‚halb so schlimm' ist", ich malte Anführungszeichen in die Luft, „dann kannst du es uns ja sagen. Oder etwa nicht?"
Marie kniff wütend die Augen zusammen und machte auf dem Absatz kehrt. Die Stimmung war dahin...

...und zwar für die kompletten Tage. Wir redeten nur das Nötigste miteinander und Marie war so wütend, dass sie auf die Couch zog. In der Nacht, bevor ich nach Leipzig musste, wälzte ich mich in unserem Bett umher und beschloss schließlich aufzustehen und nach den ganzen Tagen einen Waffenstillstand auszuhandeln.
Noch bevor ich einen Fuß auf die Treppe setzen konnte, hörte ich Marie's Stimme von unten. Sie klang verzweifelt und sie weinte.
„Es wird immer schlimmer; ich weiß nicht mehr was ich machen soll", hörte ich sie schniefen; ich schlich so weit ich konnte auf der Treppe nach unten, damit ich nicht entdeckt wurde. Und besser hören konnte. Kimmy hatte Recht; das war ganz schön schwierig von hier oben.
Angestrengt lauschte ich, bis Marie wieder zu reden begann.
„Wir schlafen jetzt schon die vierte Nacht getrennt und reden nicht mehr miteinander. Leon ist wütend und er hat allen Grund dazu. Diese Sache macht alles kaputt, Lu!"
Lu.
Luisa.
Meine Schwester wusste also tatsächlich Bescheid.

Leise zog ich mich wieder zurück ins Schlafzimmer. Marie würde jetzt ohnehin keine Nähe zulassen und ich war mir sicher, dass sie auch weiterhin schweigen würde.
Wenn ich hier jemanden zum Reden bringen konnte, dann würde es noch am ehesten Luisa sein. Gleich nach dem Spiel würde ich sie nach München einladen und in die Mangel nehmen. Sie würde reden.
Verrat hin oder her.

Marie und Kim blieben zuhause und reisten nicht mit oder nach nach Leipzig. Erst bei unserer Verabschiedung näherten wir uns wieder ein wenig an, als meine Freundin sich mir für einen Kuss entgegen reckte. Ich hatte ein ungutes Gefühl, aber ich ging. Nicht jedoch, ohne Kim schwören zu lassen, dass sie mich anrufen würde.
Oder Kathleen, wenn sie mich nicht erreichen konnte.

Das Spiel war wirklich gut; ich tat alles was ich konnte und musste ohne meine Hand dabei zu gefährden. Nach dem Match klopfte mir Thomas Tuchel anerkennend auf die Schulter. Aber es bedeutete mir nichts.
Das heutige Spiel hatte mir rein gar nichts bedeutet. Meine Schwester hatte von Prioritäten gesprochen.
Das musste sie damit gemeint haben...

Behind These Hazel Eyes [A Leon Goretzka Advent calendar-FF 2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt