Kaptiel 19|| Home

160 17 3
                                    

Der nächste Morgen brach, mit dem nervenden Zwitschern der Vögel, an und kündigte somit unsere Abreise an. Ich hatte diesen kleinen Ausflug sehr genossen, obwohl mich dieser Ort auch mit etwas negativem verbindete... Meiner Angst vor dem Vertrauen. Ich nahm mir trotzdem vor,wenn ich die Gelegenheit hatte, nochmal herzukommen.
Nachdem wir uns also gerichtet hatten, packten wir alles zusammen und brachten es zum Auto. Ein letztes Mal schaute ich mich um. Man wusste ja nie, wann man wiederkommen würde. Wir hatten uns gestern schon vorgenommen, den heutigen Tag bei Emilio zu verbringen, da seine Mutter Ebby und mich unbedingt kennenlernen wollte. Doch zuerst wollte ich zu meinem Zimmerchen. Ich war nun schon länger nicht mehr dort gewesen. Ich war noch nie solange weg. Die Fahrt redeten wir nicht wirklich was, da wir alle noch müde waren. Wir hatten keine besonders lange Nacht. Ebbys Bruder hatte gestern noch spät angerufen und nach ihrem Befinden gefragt. Er wollte sie unbedingt wiedersehen. Ebby vermisste ihn so sehr. Ich konnte es an ihrer Stimme hören, während sie mit ihm sprach. Sie versprachen sich, sich bald zu treffen und dann würde Ebby uns ihm vorstellen.
Und als dann der Part kam, andem ihr Bruder ihr von ihren Eltern erzählte, war sie ganz still. Sie zeigte keine Emotionen. Er teilte ihr mit, dass ihre Eltern traurig waren. Sie sorgten sich, doch Ebby blieb still. Sie sagte nichts und legte auf. Ich glaube sie konnte es nicht glauben, nicht fassen. Sie kannte ihre Eltern nur voller Desinteresse und nun sorgten sie sich. Es war unverständlich.

Ich bittete die Jungs erneut, Ebby und mich an der Straße herauszulassen. Zwar bauten wir gerade das Vertrauen auf, aber ihnen zu zeigen, wo und wie ich lebte, dafür war ich noch nicht bereit. Ein großes Fragezeichen zierte deren Gesichter als wir ausstiegen, doch das war mir egal. Sie mussten warten. Wir machten noch aus, dass wir uns in 2h wieder an dem Punkt treffen würden und dann gingen wir.

Als ich mein Zimmerchen, nach mehreren Tagen, wieder betrat, zierte mein Gesicht ein Lächeln. Ich verbindete mit diesem, so hässlich und nutzlos erscheinenden, Zimmer so viel. Es gab mir schon immer das Gefühl Zuhause zu sein. Zwar wusste ich nicht wie sich ein normales Zuhause anfühlte, aber für mich war es das eben. Ich hockte mich im Schneidersitz auf meine alte Matratze und schaute mich um. Es war stickig hier drin, weil es draussen so warm war und es nur ein kleines Fenster gab. Wenn ich das Zuhause von James oder Ebby mit meinem verglich, dann fragte ich mich echt, wie ich hier leben und schlafen konnte, doch ich kam schon immer mit dem Zimmerchen klar. Mir reichte das Zimmerchen und das war das was für mich zählte. Jedenfalls war es besser als auf der Straße zu schlafen.
"Dieser Ausflug war verdammt schön!", schwärmte Ebby. Ich grinste. "Tja, fast wärst du nicht mitgegangen, wegen den Insekten"
"Du sagst es... fast"
Wir redeten noch eine Weile über den Ausflug, bis die Zeit gekommen war um wieder zum Treffpunkt zu gehen.

Das Haus der Garcia's war kleiner als das von James, aber dennoch war es groß und wirkte einladend. Ich war wirklich aufgeregt, da ich nicht wusste wie Emilios Mutter auf mich reagieren würde. Meine Hände waren etwas schwitzig und meine Knie fühlten sich wackelig an. Ich trug die Klamotten von Emilio und als er das sah, grinste er mir zu und zwinkerte. Ich würde die Kleider niemals wegschmeissen oder sonst etwas, da ich diese Geste von ihm zu süß fand und ihm ausserdem so dankbar war. Die weiße Bluse passte perfekt zu der hellblauen Jeans und alles in allem gefiel ich mir darin sehr gut.
Die Türe öffnete sich und eine, etwas größere, Frau öffnete die Tür. Ihre braunen Haare hatte sie in einen Zopf gebunden. Sie trug ein wein-rotes Kleid und grinste uns freundlich an. Ich bemerkte, dass sie die gleiche Augenfarbe wie Emilio hatte. Sie war schön. "Ohhh ihr müsst Katelynn und Ebony sein, nicht wahr?",fragte sie an uns gerichtet. Wir nickten und gaben ihr die Hand. Sie kam mir sofort ehrlich vor. Ich konnte nicht abstellen, dass ich jeden neuen Menschen, den ich kennenlernte, scannte. "Schön euch kennenzulernen! Ihr könnt mich Amalia nennen. Kommt doch rein, ich habe gekocht!"
Ich ging als letzte durch die Türe und dabei entging mir nicht ihr durchdringlicher Blick. Sie scannte mich, genauso wie ich es bei ihr getan hatte.
"Wo ist Papa?",fragte Emilio nachdem wir uns an den Tisch gesetzt hatten. "Er müsste gleich kommen",rief Amalia aus der Küche zurück.
"Was gibt es denn zu essen?",fragte James aufgeregt. Emilio lachte. "Reispfanne mit Gemüse und Hühnchen"
"Oh mein Gott Amalia ich liebe dich!", rief James in die Küche. Ich grinste. Irgendwie fühlte ich mich sofort wohl hier. "Hey hey, das ist meine Mutter!",warnte Emilio belustigt.
Die Türe fiel ins Schloss und gleich darauf trat Emilios Vater in das Esszimmer. "Hallo!", rief er erfreut. Seinen spanischen Akzent konnte man klar heraushören. " Wer seid ihr denn?"
"Also ich bin James", warf James ein und Emilios Vater lachte. "Das weiss ich doch Junge"
Emilio sah seinem Vater so ähnlich. Er war so ziemlich die Nachbildung seines Vaters, nur mit anderen Augen und einer anderen Nase.
Ebby stand als erste auf und stellte sich vor. "Hallo herr. Garcia. Ich bin Ebony, aber alle nennen mich Ebby!" Sie setzte ein süßes Lächeln auf, dass er gleich darauf erwiderte. "Schön dich kennenzulernen Ebby! Aber nenn mich bitte Enrique."
"Klar"
"Und du bist?",fragte er nun an mich gerichtet. Zögerlich stand ich auf und reichte ihm meine Hand. "I-ich bin Kate, ehm also Katelynn. Schön sind sie. Oh, ich meinte, schön sie kennenzulernen", antwortete ich ihm peinlich berührt und versuchte ihm nicht in die Augen zu schauen.
Er ignorierte jedoch meinen peinlichen Sprachfehler und erwiderte: "Schön auch dich kennenzulernen, Katelynn!"
Schnell setzte ich mich wieder hin, ganz rot wegen der peinlichen Situation.
Amalia betrat nun,mit der Pfanne, das Esszimmer und stellte diese auf dem Tisch ab. Enrique ging auf sie zu, umarmte sie von hinten und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Ich schätze sie waren anfang 40, aber sie sahen immernoch aus wie ein frisch verliebtes Pärchen. "Wie war dein Tag, mi amor?", fragte Amalia und grinste ihm zu. "Anstrengend, aber jetzt ist er perfekt"
Sie löste sich mit einem Lachen von ihm und bittete uns mit dem Essen anzufangen. "Es schmeckt super!", kommentierte Ebby das Essen und streckte ihren Daumen in die Höhe. "Dankeschön!"
Wir anderen stimmten ihr zu.
Enrique fing ein Gespräch mit uns an und langsam war ich nichtmehr so schüchtern. Ich war froh, dass nicht so viel persönliches gefragt wurde, da ich nicht gewusst hätte was ich antworten sollte. Ich mochte Emilios Eltern jetzt schon wirklich sehr.

Am Abend entschlossen wir uns dann noch einen Film zusammen anzuschauen. Es war mittlerweile schon spät. Weiss Gott wie schnell die Zeit vorüber gegangen war. Wir hatten am Esstisch noch viel geredet, Enrique und Amalia hatten so viel erzählt, dass wir geschätzte 2h dort saßen. Wir haben beim Abwasch geholfen, uns wurde das Haus gezeigt und und und. Die Zeit ging schnell vorüber und nun saßen wir auf der Couch und diskutierten welchen Film wir sehen würden. Ich kannte mich ja eh nicht aus, also hielt ich mich eher im Hintergrund. Emilios Eltern hatten uns inzwischen alleine gelassen und waren noch irgendwo hin gefahren.
"Also ich wäre für einen Disneyfilm",schlug Ebby vor. "Und welchen?", fragte Emilio und hielt einen ganzen Stapel von Filmen hoch.
"Also wir haben Schneewittchen, Ariel, König der Löwen, Dornröschen, Peter Pan..." und ab da schaltete ich mich ein: "Lasst uns Peter Pan schauen! Ich liebe diesen Film!"
Lüge. Ich wollte diesen Film nur aus einem plausiblen Grund sehen... es war die einzigste Erinnerung, die ich noch aus meiner Kindheit mit meinen Eltern hatte. Die Gesichter zu meinen Eltern fehlten jedoch.
"Na dann, lasst uns Peter Pan schauen!", rief James und legte die DVD ein.
Und als der Film begann, fing mein Herz an zu rasen und mein Atem ging schneller. Es war ein komisches und unbeschreibliches Gefühl zu wissen, dass dies die einzige Erinnerung war die man noch mit seinen Eltern hatte und man diese Erinnerung jetzt wieder hervorrufen würde.
Mit großen Augen starrte ich den Bildschirm an und verfolgte jede Bewegung die Peter Pan machte. Mir fiel wieder ein wie sehr ich einmal ins Nimmerland wollte und wie sehr ich an Peter Pan glaubte. Ich bemerkte Emilios Blick auf mir, doch ich versuchte es zu ignorieren. Mich interessierte nur dieser Film. Ich glaube eine Horde Elefanten hätte in diesem Moment ins Haus stürmen können und ich hätte sie nicht beachtet. Als meine Müdigkeit langsam wieder hervorkam und mein Kopf immer schwerer wurde, legte ich ihn an Emilios Schulter ab. Es war bequem und schon nach einer Zeit wurden meine Augenlieder immer schwerer, doch ich wollte den Film so sehr zuende sehen. Ich öffnete wieder meine Augen und bemerkte, dass Ebby schon eingeschlafen war. Sie lag mit dem Kopf auf James Schoß und er hatte seine Hand in ihren Haaren vergraben. Er schlief ebenfalls.
Ich schaute zu Emilio hinauf, der mich nur müde anlächelte. "Schlaf doch, du bist müde", flüsterte er. Eine leichte Gänsehaut überzog meinen Körper. Es fühlte sich komisch an, anzufangen zu lieben, aber ich konnte es nicht ändern. Das einzigste vorauf ich hoffte, war Gegenliebe.
Ich schüttelte heftig meinen Kopf. "N-nein... ich muss noch Peter Pan...",ich gähnte, "zuende schauen."
Im ganzen Haus war es ruhig, nur der Fernseher war zu hören. Es war dunkel, doch ich sah dieses Funkeln in Emilios Augen und ich fragte mich, was es wohl bedeutete. Ich konnte viele Menschen definieren, doch bei ihm... nichts. Es ging nicht. So oft ich auch versuchte aus seinen Augen schlau zu werden, ich schaffte es nicht.
Langsam wurde seine Schulter doch unbequem und so legte ich meinen Kopf, wie Ebby bei James, auf seinem Schoß ab. Er blickte mir direkt in die Augen und ich begutachtete jeden Millimeter seines so markellosen Gesichtes. Sein Mund war leicht geöffnet, so wie an unserem erstes Zusammentreffen und ich fragte mich was er wohl gerade dachte. Seine blauen Augen fesselten mich und obwohl es so dunkel war, sah ich ihn ganz genau.
Die Stille und Dunkelheit umgab uns. Würde er mich jemals lieben? Könnte er? Würde er?
Ich genoss seine Nähe wie noch nie und langsam wurde mir der Film schon ganz egal. Meine Gedanken und Fragen stapelten sich, doch nichts davon konnte, wollte und durfte ich aussprechen. Es kam mir vor, als würde die Zeit still stehen. Meinen Blick wollte ich nie wieder von ihm abwenden und meine Dankbarkeit ihm gegenüber stieg jede Sekunde. Dank ihm konnte ich leben, dank ihm kannte ich die Menschen die mir nun nahe standen, dank ihm versuchte ich wieder zu vertrauen und dank ihm fing ich an zu lieben.
"Verletz' mich nicht",murmelte ich. Die Müdigkeit überrollte mich und meine Augenlieder fühlten sich an wie Blei.
"Ich werde dich niemals beabsichtigt verletzen Katelynn. Dafür bist du zu viel wert."
Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Hoffentlich würde er diese Worte niemals eine Lüge werden lassen. Mein Körper wurde mit Glückshormonen durchströmt.
Doch in diesem Moment, indem ich so glücklich schien, vergaß ich vorsichtig zu sein. Denn nichts hält für immer. Menschen lügen. Menschen zerstören. Menschen verletzten.
Bevor ich seine warmen Lippen auf meiner Stirn spürte, schoss mir ein Satz durch den Kopf: Er kann dich zerstören.
Und dann driftete ich in einen unruhigen Schlaf.

The One I adore♡ *slow Updates*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt