42. Familie

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Familie

„Sonst lass uns lieber gleich zum Hotel fahren, oder? Wir checken schnell ein und dann fahren wir zu meiner... Familie", schlug Marie vor.

Felix schaute auf seine Armbanduhr, auch wenn er das Armaturenbrett mit der Zeitanzeige sicher ohnehin im Blick hatte. „Ja, gut. Machen wa so. Weiß nich, wie viel Stress die hier bei nem verspäteten Check-in machen."

„Gut." Statt die nächste Abfahrt von der Schnellstraße zu nehmen, fuhr Marie weiter geradeaus. Nach zehn Minuten waren sie angekommen, parkten auf dem gepflasterten Parkplatz vor dem hellgelb gestrichenen Gebäude, das erst vor ein paar Jahren renoviert worden war. „Echt seltsam", murmelte Marie, als sie ausgestiegen war und neben Felix am geöffneten Kofferraum stand. „Absurd, dass ich hier in einem Hotel wohne." Sie räumte die Tüte mit den Geschenken zur Seite und nahm den kleineren der beiden Koffer heraus.

Felix nahm den großen Koffer, stellte ihn auf den Boden und ließ den Griff hochfahren. „Ja, versteh ick. Na ja, aber wir können ja nich alle bei deinen Großeltern unterkommen."

„Mhm." Marie nickte. Bisher hatte das immer geklappt für sie. Entweder in ihrem ehemaligen Zimmer oder auch mal bei ihrer Mutter in der Wohnung auf der Couch. Aber jetzt war das Haus voll. Und die anderen waren schon Tage vorher angereist. Hanna und ihr Mann hatten diesmal das Gästezimmer genommen, während die Jungs bei ihrer Oma Sanne übernachten würden. Die Ferienwohnung im Dorf war auch schon belegt gewesen. Und vielleicht wäre die ohnehin nicht nach Felix' Geschmack gewesen.

„Sieht nett aus", urteilte Felix nun über das Hotelgebäude. „Richtig schick. Für die Gegend. Ob sich dit lohnt?"

„Na ja, ist eben ein Tagungshotel. Und dann der Golfplatz dabei. Schätze mal, das läuft schon, ja."

Drinnen angekommen wirkte alles sehr stilvoll, aber nicht übertrieben. Weiß und gelb waren die dominierenden Farben. In der Lobby, zwischen den beiden Treppenaufgängen, stand ein riesiger Weihnachtsbaum mit roten Kugeln und mit Sicherheit künstlichen Pfefferkuchenmännchen. Alles war sauber und glänzte. Marie war skeptisch und fühlte sich tatsächlich etwas an ein Hotel in Zürich erinnert. Das Hotel, in dem sie keine guten Erfahrungen gemacht hatte. Sie konnte sich einfach nicht an solche luxuriösen Orte gewöhnen. Aber als sie hier an die Rezeption traten und die Dame, die etwa zehn Jahre älter als Marie war, sie höflich und professionell, aber eben mit einem sehr deutlichen rollenden R, das typisch für die Gegend war, und einem auch ansonsten deutlichen Dialekt begrüßte, fühlte Marie sich sofort viel wohler.

Die Suite war großzügig und die Aussicht beeindruckte selbst Felix. „Wenn dit Wetter jetzt noch gut wäre. Oder... von mir aus auch Schnee, ja? Dann... also echt schön hier. Man kann hier ja ewig weit gucken."

„Mhm." Marie hatte nur flüchtig aus dem Fenster geschaut, räumte jetzt eilig ihren Koffer neben den Schrank und überlegte, was sie mitnehmen musste. Aber sie würden ja heute Abend wieder zurückkehren. „Sollen wir dann wieder los?", schlug sie vor.

„Hast du es jetzt eilig?" Felix drehte sich zu ihr um, musterte sie. „Nervös?"

„Etwas, ja", gab sie zu.

„Warum denn?"

Sie holte Luft, wollte reden, aber ihr gingen sowohl die Luft, als auch die Worte aus. Sie ließ sich aufs Bett sinken. „Keine Ahnung. Weihnachten, du, meine Familie, Jahrestag... gibt keinen Grund, dass irgendwas schiefläuft. Aber... ja, ich bin nervös."

Felix kam zu ihr, nahm ihre Hände und zog sie sanft hoch. „Alles gut, ja? Du magst Weihnachten doch. Und ich find's och ganz gut bisher. Also... dit kriegen wa schon hin, ja?"

Sie sah ihm in die Augen. Irgendwas war. Aber vermutlich war es wirklich nur die Aufregung. „Ja." Sie nickte. „Kriegen wa hin." Sie streckte sich, legte ihre Arme um Felix' Nacken und wartete darauf, dass er ihr ein Stück entgegenkam, so dass sie sich küssen konnten.

Grace Notes (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt