31. Wirkung

351 21 2
                                    

Wirkung

Tommi schien tatsächlich etwas nervös zu sein, als er auf die Bühne kam. Marie musste lächeln, weil das ihn für sie einfach noch sympathischer machte. Er begrüßte das Publikum und Marie stellte sich vor, wie es für ihn sein musste, dort oben zu stehen und die vielen fremden Gesichter zu sehen. Die waren ja noch nicht mal da, um ihn zu sehen, wurde Marie klar. Vielleicht gab es einige Suter-Fans, die gar nichts mit dem jungen Kerl da auf der Bühne anfangen konnten. Marie wusste aus ihrer Zeit in der Bücherei, dass Suter vor allem eher mittelalte Frauen ansprach. Nicht nur, aber diese Lesergruppe war ohnehin stark vertreten im Romansegment. Sie schaute sich um. Ein sehr gemischtes Publikum. Mehr Frauen als Männer, ja, eindeutig. Und der Altersdurchschnitt lag definitiv um einige Jahre höher als bei Felix' Shows. Aber es war dennoch eine gute Mischung, auch mit jüngeren Menschen. Einige schauten streng. Vielleicht wussten sie wirklich nicht, was sie von Tommis nach Maries Meinung recht lockerer und witziger Anmoderation halten sollten. Aber der Großteil wirkte doch zufrieden und lachte an den richtigen Stellen. Gut. Marie schaute wieder auf die Bühne. Was machte sie eigentlich? Ins Publikum zu schauen war unnötig und nicht hilfreich. Eigentlich wollte sie doch nie wissen, wie viele Leute um sie herum waren. Und es war unhöflich. Fuck, sie war selbst nervös. Warum? Ein paar hundert Leute. Aber sie hatte das doch inzwischen viel besser im Griff. Und Felix war ja bei ihr. Sie schaute neben sich, gerade als er sie anschaute und anlächelte. Sie lächelte zurück und sah dann wieder auf die Bühne. Applaus brandete auf, als der Protagonist des heutigen Abends die Bühne betrat. Wie immer stilvoll im schwarzen Anzug, bescheiden lächelnd und nickend, gab er Tommi die Hand, bedankte sich und nickte erneut ins Publikum. Marie atmete durch. Gott, sie war wirklich nervös.

Sie zuckte zusammen, als Felix nach ihrer Hand griff, atmete dann aus und sah ihn an. „Alles okay?", fragte er leise.

„Ja, klar." Sie lächelte. Reiß dich zusammen! Das ist nur eine Lesung. Das ist etwas, womit du dich wirklich auskennst. Du hast das mal beruflich begleitet, verdammt noch mal. Das da vorne war einer ihrer Lieblingsautoren. Sie musste blinzeln. Alles gut. Sie war eben nicht so gut darin, mit so spontanen Situationen klarzukommen. Aber das hier war gut. Sie ließ sich zurücksinken, hielt Felix' Hand weiter fest, und konnte sich endlich auf den Mann auf der Bühne konzentrieren, der sich nun an einen Tisch setzte, eine kurze Einführung gab und dann begann, mit sonorer Stimme vorzulesen.


„Der hat ja echt Fangirls", murmelte Felix neben ihr, als die Lesung längst vorbei war. Sie beide standen am Rande des Saals, während sich vor der Bühne und den Aufgang hinaufwindend eine lange Schlange gebildet hatte.

„Na ja, warum solltest nur du die haben?", wandte Marie ein und schaute sich um. Eben waren noch mal zwei Frauen, wohl Mutter und Tochter, gekommen und hatten Felix um ein Selfie gebeten. Irgendwie schon seltsam, wenn man bedachte, dass es an diesem Abend um jemand anderen ging. Marie seufzte und sah zur Bühne, wo Herr Suter geduldig Widmungen schrieb und dabei gelegentlich aufstand, um ein Foto zu machen. „Er wirkt aber auch wirklich charmant", fand Marie.

„Klar, sicher ein netter Typ. Aber der hat doch nur gelesen heute."

„Na ja, und den ganzen Saal gut unterhalten. Und was der so von seinem Alltag und seiner Arbeit früher in dieser Agentur erzählt hat, das war doch echt lustig. Ich meine, klar, er ist kein Stand-up-Comedian. Aber er ist schon sehr gut in dem, was er macht."

„Ja, mag sein. Hab ja auch mal das eine Buch da von ihm gelesen. Was du damals bei mir in Berlin vergessen hattest, weißt du?"

„Mhm." Marie nickte und lächelte Felix an. „Der perfekte Freund, ich weiß. Fandest du doch ganz gut. Oder hast du das damals nur gesagt, damit du mich rumkriegst?"

Grace Notes (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt