64. Ultra

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Ultra


„Meinst du, das geht so?" Marie drehte sich zur Seite und wandte den Kopf, um sich im Spiegel an der Kleiderschranktür sehen zu können.

„Also ich finde es perfekt", meinte ihre Mutter.

Marie sah im Spiegel, dass Susanne sie betrachtete und dabei zufrieden lächelte. „Danke. Für die Ärmel, das Umnähen und... überhaupt. Danke, dass du da bist." Ihre Mutter hatte das Kleid nach einem Besuch von Marie behalten, um es abändern zu können. Jetzt, drei Tage vor der Hochzeit, war sie angereist, um sicherzustellen, dass alles passte. Marie wandte sich ihrer Mutter zu, um sie umarmen zu können.

„Ach, dat ist doch klar", meinte Sanne. „Wenn ich meiner eigenen Tochter nicht mit dem Brautkleid helfe, also... da kann ich doch einmal nützlich sein, hm?" Sie lachte und strich Marie beinahe mechanisch über den Rücken, ehe sie einen Schritt zurückmachte.

„Du bist nicht nur deswegen hier", stellte Marie klar.

„Ich wäre ja schon eher hergekommen, wenn ich euch sonst wie hätte helfen können. Aber ihr habt ja alles schon super organisiert, der Felix und du. Und is ja schon wat anneres als ne Hochzeit bei uns im Westerwald im Kloster oder in der alten Scheune."

„Felix kennt zum Glück genug Leute hier", bestätigte Marie. „Das lief schon alles wirklich gut und glatt. Ist nicht selbstverständlich, denke ich mal."

„So ein netter Mann", sagte Susanne und nickte. „Der ist gut zu dir." Da war ein kleines Fragezeichen hinter diesem Satz.

Marie wusste, wie ihre Mutter es meinte. Vermutlich lag dieses Misstrauen in der Familie seit den Erfahrungen mit ihrem Vater. „Felix ist der Beste", sagte Marie. „Ich bin... sehr, sehr glücklich, dass er mein Mann ist. Auch wenn mir vor der großen Hochzeitsfeier jetzt doch so langsam ein wenig graut." Sie seufzte und drehte sich wieder zum Spiegel um, strich über den angenehm glatten Stoff.

„Du hast noch nie gerne im Mittelpunkt gestanden." Sanne nickte. „Aber so ein bisschen gehört dat eben dazu bei einer Hochzeit. Ihr macht dat schon, ihr zwei."

„Ja, machen wir." Wir drei. Gedankenverloren strich Marie über ihren noch flachen Bauch. Sie war froh, dass noch nichts zu sehen war. Dann wurde ihr klar, dass sie nicht alleine im Raum war. Sie räusperte sich und drehte sich wieder zu ihrer Mutter um. „Okay, kann ich es dann wieder ausziehen?"

„Ja, aber vorsichtig, sonst muss ich noch mal neu stecken." Sie half Marie dabei, den Reißverschluss an der Seite zu öffnen und das lange Kleid wieder über den Kopf zu ziehen.

„Danke." Marie überließ ihrer Mutter das Kleidungsstück und griff nach ihrem Handy. „Felix wird gleich wieder hier sein. Ich weiß, alberne Tradition, aber weil das mit dem Kleid doch irgendwie eine Überraschung ist..."

„Ich pack es weg und nehme es mit ins Hotel gleich."

„Geht das Ändern denn auch ohne Nähmaschine?"

Sanne lachte. „Na hör mal! Die Ärmel hätte ich nicht mit der Hand angenäht. Aber die Kleinigkeit da, also da lohnt sich doch die Maschine gar nicht."

Marie glaubte, etwas zu hören. „Fu... äh... ich glaube, da ist er schon." Leicht panisch schaute sie zum Bett, wo ihr Kleid lag.

„Geh du vor, ich pack dat schnell weg", wies Susanne sie an, offenbar wesentlich ruhiger als ihre Tochter es gerade war.

„Gut, äh... ja." Marie lachte kurz auf und verließ dann das Schlafzimmer, ging durch den Flur und öffnete die Tür zum Vorflur, wo Felix erwartungsgemäß gerade dabei war, seine Schuhe zu wechseln. „Hey!" Marie lief auf ihn zu und umarmte ihn ein wenig zu stürmisch, angesichts der Tatsache, dass sie sich zuletzt vor ein paar Stunden gesehen hatten.

Grace Notes (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt