37. Test

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Test

Die Weihnachtsbäckerei ist abgebrannt
Boten schwärmen von Logistikzentren aus
Kirchen werden weiter schlecht besucht
Coca Cola hat den Weihnachtsmann geklaut...

Marie schaute auf ihre Armbanduhr, dann auf die Fahrtanzeige vorne im Abteil. Sie musste sich etwas recken, weil da Leute im Weg standen. Sie hatte einen Sitzplatz und deswegen fast ein schlechtes Gewissen. Selbst in der ersten Klasse war es heute voll, sodass auch dort Menschen im Gang stehen mussten. Noch zwanzig Minuten, dann würde der Zug in Berlin ankommen.

Merry, merry Christmas
Alles ist besser, wenn wir uns sehn
Merry, merry Christmas
Ich komm zu dir durch den grauen Schnee...

Sie hatte auf einmal einen Kloß im Hals, weil das Lied einfach so sehr ausdrückte, was sie gerade empfand. Felix. Sie hatte wirklich Sehnsucht nach ihm. Deswegen hatte sie sich zwei Tage früher als geplant wieder auf den Weg zurück gemacht. Deswegen und weil sie nach wie vor das Gefühl hatte, ihren Freund in dieser Zeit ein wenig fürsorglicher als sonst behandeln zu müssen. Weihnachten war nicht leicht für ihn, das hatte er ihr gesagt. Nach ihrem Gespräch war er erleichtert gewesen. Und sie hatten ganz offen über die Planung der Feiertage geredet, zusammen Plätzchen gebacken und diskutiert, ob es bei ihnen einen Weihnachtsbaum geben sollte. Richtig wichtig ist Weihnachten doch nur für Kinder, hatte er letzte Woche gesagt. Oder wenn man Kinder hat und allet für die kleenen Racker vorbereitet, damit die sich freuen.

Marie musste lächeln, als sie daran dachte. Und dann fiel ihr wieder ein, was sie seit ein paar Tagen immer wieder mehr oder weniger erfolgreich versuchte zu verdrängen. Aber jetzt musste sie sich darum kümmern. Sie nahm ihr Handy. Kurz überlegte sie, Felix doch mitzuteilen, dass sie schon wieder in Berlin war. Aber er hatte heute das alljährliche Weihnachts- und Jahresabschlussfest mit seiner Crew – seinen Mitarbeitern in der Firma und ein paar Leuten, die ihn bereits seit Jahren auf Tour begleiteten. Das sollte er in Ruhe genießen. Sie würde auch so nach Hause kommen.


Sie ließ sich vom Taxifahrer direkt zum Kottbusser Tor bringen, zahlte, stieg aus und schulterte ihren nicht gerade leichten Rucksack. Sie schaute sich um. Es gab wohl kaum einen krasseren Gegensatz zwischen der Sicht, die sich ihr heute Morgen aus dem Fenster des Gästezimmers bei ihren Großeltern geboten hatte und dem, was sie nun sah: heute Morgen von Frost überzogene, wenn auch nicht verschneite Bäume und Sträucher im Garten und Meisen, die sich gegen Eichelhäher durchsetzen mussten, um etwas vom Vogelfutter abzubekommen, das Oma Christa ihnen stets bereitstellte. Und jetzt: viel zu viele Menschen die durch die schon so früh hereingebrochene Dunkelheit eilten, Junkies, die am U-Bahn-Aufgang saßen. Auch die Geräuschkulisse war so viel unangenehmer. Felix hatte recht: Berlin war eklig, gerade um diese Jahreszeit. Marie wandte sich ab und ging zu der Rossmann-Filiale. Auch drinnen war relativ viel Betrieb, aber sie fand schnell, was sie gesucht hatte. Es gab einige Tests zur Auswahl, aber sie hielt sich nicht lange mit Vergleichen auf, suchte lediglich einen, auf dem irgendwas davon stand, dass damit eine Schwangerschaft schon besonders früh erkannt werden konnte, und ging zur Kasse, um zu bezahlen.

Wieder draußen machte sie sich rasch auf den Weg zur Wohnung, ohne die Leute um sich herum weiter zu beachten. Sie war immer gut darin gewesen, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Den Kopf gesenkt halten, auf nichts reagieren, zielstrebig gehen, beschäftigt und ja nicht verunsichert wirken.

Sie schloss die Haustür auf, entschied sich wegen dem schweren Gepäck für den Aufzug und war froh, als sie oben die Wohnungstür hinter sich schließen konnte. Rasch nahm sie den Rucksack ab, entledigte sich ihrer Stiefel und zog den Mantel aus. Sie würde gleich noch duschen müssen. Nach so einer Reise, im viel zu vollen Zug und nach ihrer Stippvisite auf dem Kotti fühlte sie sich verschwitzt und schmutzig.

Grace Notes (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt