3: „Hinterlässt das nicht Narben?"

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𝐄𝐮𝐩𝐡𝐞𝐦𝐢𝐚

Als ich aus dem Badezimmer komme, sitzt Tom auf dem Bett und starrt in die Luft. „Alles gut?" frage ich als ich meine dreckigen Klamotten auf den Boden neben der Badezimmer Tür lege. „Ja, alles..." er verstummt als er mich ansieht. „Whoa..." murmelt er, „Alles gut."
Ich nicke und gehe langsam auf das Bett zu. Unsicher setze ich mich darauf, neben Tom.

„Sag mal, wie ist dein Leben verlaufen, dass du auf den Straßen von Berlin schläfst?" fragt Tom. „Kennst du die Geschichte von Christiane F.?" „Ja wieso?" „So ähnlich. Nur das ich Drogen genommen hab um eine Zuflucht zu haben und nicht um dazuzugehören." „Zuflucht? Vor was?" „Meinen Eltern, der Schule such dir was aus..." „Warum vor deinen Eltern?"

An diesem Abend erzählte ich einem Wildfremden Mann meine ganze Geschichte. Dinge, die nicht mal meine beste Freundin weiß. Einfach alles. Aber bereuen tue ich es nicht... Denn von dem wie er reagiert hat, hat er mich nicht verurteilt wie alle anderen. Tom Kaulitz hatte Mitleid mit mir und das zu recht.

„Ich hatte nie jemanden, der gesagt hat das ich keine Drogen nehmen sollte oder mich nicht prügeln sollte... Meine beste Freundin und ich haben beide nach einer Art Ausweg gesucht. Dann kam sie mit Ecstasy an, was sich aufregend anfühlen sollte. Woran wir uns schnell gewöhnt haben und was neues gebraucht hatten." „Was kam dann?" „LSD und zwischendurch auch Gras. Mit den drei Sachen kamen wir für ein Jahr zurecht, bis das alles nicht mehr gereicht hat..." Tom sieht mich bemitleidend an. „Ich will dich nicht als mein Sorgentelefon benutzen, Tom..." „Doch Effy, ich will dich verstehen um dir zu helfen... Also?" Ich atme tief durch und erzähle weiter, „Irgendwann kam in einem Club irgendein Typ an der meiner Freundin ein Beutel mit weißem Pulver, nem Löffel und zwei Spritzen gegeben hat. Wie sie das bekommen hat weiß ich bis heute nicht." „Weißes Pulver? Ist das nicht Koks?" „Auch, aber das war Heroin. Man macht das auf einen Löffel und erhitzt das, dann tut man das in die Spritze und... ja." „Hinterlässt das nicht Narben?" „Doch.."
„Hast... Hast du welche?" Tom hat sehr gezögert bei der Frage. Ich zeige ihm meine Armbeugen, wo lauter kleine, runde Narben sind. Man sieht die Verfärbung meiner Haut und die blauen Flecken die dadurch entstehen. Geschockt berührt Tom meine Arme. „Ich bin nur froh das ich noch keinen Injektionsmiltzbrand hatte..." „Was ist das?" „Erkrankung bei Heroinjunkies die durch Bakterien verursacht wird. Das kann ohne Antibiotikum-Therapie tödlich enden. Deswegen sterben auch die meisten an Heroin, weil sich die meisten keine Antibiotikum-Therapie leisten können." „Und trotzdem spritzt du?" „Mir ist das mittlerweile egal, auch wenn sich das schlimm anhört, aber ich hab keinen Grund am Leben zu bleiben." „Effy..." Tom geht nicht weiter auf mein Suizid Bekenntnis ein und schaut sich weiter meine Arme an, „Bleibt das? Also die Verfärbung?" „Nein, die geht genauso weg wie die blauen Flecken. Wenn ich denn mal aufhören würde." „Vielleicht brauchst du einfach jemanden, der dich leitet..." „Keiner will eine fünfzehnjährige Abhängige die wirklich zu hundert Prozent ein Fehler war." „Du bist kein Fehler, Effy. Jeder hat ein Recht darauf zu leben."

In jener Nacht gab Tom mir eine Art Selbstwertgefühl. Auch wenn es nicht lange anhielt. Für einen Moment habe ich mich so gefühlt, als wäre ich tatsächlich etwas wert.

𝐒𝐭𝐢𝐜𝐡 𝐢𝐧𝐬 𝐆𝐥𝐮̈𝐜𝐤 | 𝐓.𝐊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt