31. Kapitel - Wicked?

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Newts Sicht:

Die Lichtung hatte es zwar an sich, dass jeder Tag so ziemlich derselbe war, doch auch vergingen die Tage wie im Flug. Immer gab etwas zu tun und würde man diese Aufgaben nicht erledigen, gäbe es Tumult auf der Lichtung. Nicht umsonst gab es Regeln, die das Miteinander der Lichter-Gemeinschaft bestimmten. Seinen Beitrag zu leisten, gehörte eben dazu.
Ebendeswegen befand ich mich in einer Realität, in welcher es früher morgen war. Als ich mich mit meinem Essen im Gras niederließ, bemerkte ich, dass dieses noch feucht war. Es war mir egal.
"Ich habe heute ganz wunderbar geschlafen", erklärte Liv ausgelassen, die mit Minho und mir neben der provisorischen Küche im Gras saß.
Mit meinem Blick auf die Lichtung gerichtet, stellte ich fest, dass leichter Nebel auf den Mauern saß. Er wirkte wie ein eingeladener Gast, um die Schrecken des Labyrinths zu verstärken. Jedoch, auch dieser Anblick war vertraut. Ich sah ihn schließlich jeden Tag.

Wir sitzen in einem Karussell fest, das sich nicht zu bewegen aufhört.

"Wundert mich nicht, dass du gut geschlafen hast, wenn man bedenkt, dass du das ganze Bett beinahe für dich allein hattest", grummelte Minho, gähnte anschließend und begann, sein Rührei mit seinem Löffel in seinen Mund zu schaufeln.
"Nun, beinahe bedeutet, dass du immer noch Platz hattest", Liv klang unbekümmert, was mich amüsiert meinen Kopf schütteln ließ.
Als jedoch der Geruch vom Frühstück in der Luft immer stärker wurde, gewann mein Hunger und ich spießte das erste Stück Ei auf. Währenddessen konnte ich mir die Diskussion der beiden Läufer weiterhin anhören.
"Trotzdem verbrauchst du zu viel Platz, wenn du schläfst", erklärte Minho seiner Freundin.
"Dann lass mich nicht in deinem Bett schlafen", erklärte Liv, "oder besser, wir bauen einfach ein größeres Bett. Problem gelöst!"
"Genau", kam es langgezogen, "erklär' Gally doch 'mal, dass er dir extra ein größeres Bett bauen soll, weil du mit mir in einem großen schlafen willst."
"Dann sag' ich Gally eben, dass dein Bett kaputt ist."
"Ist es aber nicht."
"Noch nicht", erwiderte Liv. Ihre Augenbrauen gingen in die Höhe und ihr anzüglicher Blick in Richtung Minho war überaus offensichtlich.
Selbstverständlich stieg Minho in Livs Provokation ein und ich sah dies als mein Stichwort, nicht mehr zuzuhören.

Obwohl die beiden Zuneigung nicht oft offen zeigen, sprechen sie seltsamerweise immerzu darüber.
Ja, ich weiß, mir wäre Ersteres auch lieber. Ein kleiner Kuss oder eine Umarmung zu sehen, hätte ich lieber, als über zerstörte Betten nach einer ganz bestimmten Aktivität nachzudenken.

Ebendeswegen ließ ich meinen Blick über die Lichtung schweifen. In der Ferne entdeckte ich eine bekannte Person, die sich als Rosaly herausstellte. Mit Chuck schritt sie über die Lichtung und die beiden näherten sich Pfanne und Emilia.
Meine Augen musterten das Mädchen. Die Morgensonne brach sich in goldenen Strahlen über die kahlen Mauern und kämpfte sich erfolgreich durch den morgendlichen Nebel.
Rosaly blieb bei Emilia stehen, die Chuck und das neue Mädchen begrüßte. Ich musterte Rosaly, wobei ich Minho und Liv gänzlich ausgeblendet hatte. Rosaly stand ein Stück entfernt, ihre braunen, lockigen Haare glänzten im Sonnenaufgang und verliehen ihr einen Hauch von Wildheit. Ihre dunkelblauen Augen leuchteten. Sie wirkten wie ein tiefes Gewässer, was irgendwie zu Rosaly passte.
Im nächsten Augenblick musste sie herzhaft lachen. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, als ob sie die Welt in diesem Moment eroberte. Das Mädchen hatte sein Gesicht dem Himmel zugewandt. Die Sommersprossen auf Rosalys Wangen schienen mit jedem Lachen zu tanzen und verliehen ihr einen verspielten Charme, der mir durchaus an ihr gefiel.
Leider war es ein Lächeln, das mein Herz höher schlagen ließ. Leider, sagte ich, weil es mir so vorkam, als sollte ich nicht so fühlen. Ich sollte keine Leichtigkeit in meinem Bauch fühlen, wenn ich Rosaly länger ansah, oder doch? Waren solche Gefühle ganz normal und ich dürfte mich fragen, was wäre, wenn ich Rosaly mehr als bloße Freunde mögen würde, was passieren könnte?
Ein Hauch von Nervosität durchströmte meinen Körper, als ich mir vorstellte, wie es wäre, Rosaly näherzukommen. Wie es wäre, sie zu küssen.
Würde es mir gefallen? Würden sich unsere Lippen sanft berühren und ein Gefühl der Magie entfachen, wie man es sich vorstellte? Oder würde es sich falsch anfühlen, als ob ich in eine Welt eindringen würde, in der ich nicht hingehörte?

Zwei Monate und ein gefühlter Augenblick | Newt Ff / Teil 1 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt