Newts Sicht:
"Wirklich jetzt?", fragte ich, als Rosaly verschwunden war. Selbstverständlich hatte sie den Unterstand verlassen; hätte ich an ihrer Stelle auch getan, wenn ich zum ersten Mal mit Liv konfrontiert gewesen wäre. Dass Minho sich eingemischt hatte, hatte es schlimmer gemacht.
"Es war doch nur Spaß", erwiderte Liv. Ich hob meine rechte Augenbraue.
"Was?", fragte sie weiter und schien absolut keine Probleme in ihren vorherigen Worten zu sehen. Ich seufzte laut auf und musste mich beruhigen. Ja, Liv war anstrengend, doch auch war Rosaly noch nicht lange hier, um die von der Läuferin ausgehenden Tücken zu kennen.
"Ihr beide hättet euch eine Spur zurückhalten können", erklärte ich, aber die Schwarzhaarige widersprach: "Warum? Jetzt weißt du, dass Rosaly dich niedlich findet."
"Und inwiefern hilft mir das jetzt!", wurde ich etwas laut, aber ich atmete einmal ein und aus.
Schon klar, man fand es immer toll, wenn eine Person einen attraktiv fand, aber ich müsste das jetzt mit Rosaly klären und nicht das Mädchen vor mir, weil Liv eben Liv war.
"Du bist ein Junge, sie ist ein Mädchen, hm?", sagte dieses Mal Minho und die beiden waren unausstehlich.Wie habe ich es bitte die letzten Jahre geschafft?
"Aha", sagte ich trocken.
"Komm schon", meinte Liv und beugte sich nach vorne, "sie ist ein Frischling, dann muss sie etwas durch die Tretmühle."
"Aber nicht ohne Vorwarnung. Ihr habt mitbekommen, dass sie noch immer mit ihrem neuen Leben hier überfordert ist, dann muss man sie nicht sofort ins kalte Wasser werfen", erwiderte ich, denn ich konnte nicht abstreiten, dass die Lichtung kein Ort des bloßen Zuvorkommens war. Wir waren schließlich junge Leute, die unreif werden konnten, denn das Leben auf der Lichtung war stetig dasselbe.
"Zumindest hat sie eine Regung gezeigt", erklärte mir Liv unbekümmert, "Klar, das Leben hier ist seltsam, aber sie wird's schon überleben."
"Muss ich dich an deine Anfangszeit auf der Lichtung erinnern?", fragte ich das Mädchen vor mir, doch es zuckte nur mit seinen Schultern.
"Nein, musst du nicht, aber es war etwas anderes, gut? Ich war die Vierte auf der Lichtung. Eine Zeit, in der es noch keine Gemeinschaft gegeben hat. Ich wäre gerne wie Rosaly in ein halbwegs funktionierendes Leben gekommen. Sie wird sich daran gewöhnen müssen."
"Dir ist nicht mehr zu helfen", seufzte ich, hatte mein Essen beendet.
"Damit kann ich leben, aber weißt du was? Meine Taten haben immer Hintergedanken und du kannst nicht verleugnen, dass Rosaly kein hübsches Mädchen ist, oder, Newtie? Du hattest ein interessantes Schmunzeln auf deinen Lippen."
Ich sah ihr emotionslos entgegen, doch anders als Rosaly beging ich nicht denselben Fehler. Ich würde Liv akut keine Antwort geben, da ich nicht ihr nächstes Opfer werden wollte.
"Ich suche Rosaly", sagte ich stattdessen und stand auf, "und ihr, also du, Liv, kannst dir schon 'mal eine Entschuldigung überlegen. Die verlange ich von dir."
Ihr Augenrollen spürte ich im Rücken, als ich die Küche verließ, anschließend hörte ich die beiden kichern.
Ja, erwachsen.Rosalys Sicht:
Das Wasser plätscherte leise und friedlich vor sich hin und alles war ganz ruhig. Ich hatte mich ans Ufer des kleinen Flusses im Wald gesetzt, meine Arme schützend um meine Beine geschlungen.
Nachdem ich den Speisesaal vorhin verlassen hatte, hatte ich beschlossen, in den Wald zu gehen, um meine Wut unter Kontrolle zu bringen, um niemandem aus Versehen den Kopf abzureisen. Gut, wahrscheinlich hätte ich es nicht getan, da ich am bloßen Gedanken an die letzten Momente verschwinden wollte, da es mir dermaßen peinlich gewesen war.
Nun saß ich hier. Es war dunkel und ich stellte alles infrage, was bisher geschehen war. Ich war etwas gereizt, okay, vielleicht ziemlich gereizt und musste herunterkommen, also war die beste Option, für sich zu sein. Zeit für sich hatte man auf der Lichtung nur wenig. Überall war Gesellschaft.
Warum hatte Liv so etwas unbedingt tun müssen, und zwar noch in der Anwesenheit von Newt?
Es war mir mehr als peinlich gewesen und das hatte man mir selbstverständlich auch angesehen. Am liebsten wäre ich auf der Stelle im Boden versunken, um mich nie wieder blicken lassen zu müssen. Nichtsdestotrotz war ich eigentlich irgendwie selbst schuld an der ganzen Sache. Liv war ein quirliges und extrovertiertes Mädchen. Somit war es eine logische Schlussfolgerung, dass das passieren würde, wenn man ihr so etwas erzählte. Dennoch fühlte ich mich ein wenig hintergangen.
Ich seufzte laut und rau auf, legte meinen Kopf auf meine Knie ab und ließ meine Gedanken kreisen. Meine Lungenflügel füllten sich mit frischer Luft. Ich genoss die Ruhe, die mich umgab.
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Zwei Monate und ein gefühlter Augenblick | Newt Ff / Teil 1 ✔
FanfictionWicked ist gut. . . Das wird uns beigebracht. In jeder Sekunde müssen wir uns hinter einer Maske verstecken. So tun, als ob wir ihre Gräueltaten gutheißen, obwohl tief in unserem Inneren ein Kampf tobt. Jedoch, wer wird diesen Krieg für sich entsch...