17. Kapitel - Leichtigkeit

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Die Lichter jubelten lautstark und es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die Geräusche von Stimmengewirr und das Klirren von Gläsern erfüllten die Umgebung. Ich schlängelte mich durch die vielen Personen, die dicht aneinandergedrängt waren. Mein Weg wurde durch etliche Entschuldigungen meinerseits begleitet, da ich viele Lichter rempelte oder auf ihre Füße trat. Alle tummelten sich auf einem Haufen zusammen und eine Menschentraube hatte sich bereits gebildet, um sich die monatliche Rauferei anzusehen.
Gally kämpfte gegen die Jungs der Lichtung und alle amüsierten sich prächtig, dabei zuzusehen, wie Gally einen nach dem anderen aus dem Ring beförderte. Ein simples Spiel, und doch war es so beliebt.
Ich schüttelte seufzend meinen Kopf und meine braunen Haare flogen hin und her. Schulterzuckend wandte ich mich ab; ich hatte rein gar nichts für diese bescheuerte Beschäftigung übrig, denn immer verletze sich jemand. So wandte ich mich ab und sah noch, wie ein Junge auf den Boden gedrückt wurde. Gally lag auf ihm drauf, bis der Junge aufgab und Lachen von allen anderen erklang.

Ich muss es nicht verstehen, entschloss ich.

"Na, wie geht's uns'rem Ex-Frischling denn so?", sprach plötzlich jemand hinter mir und ich drehte mich um. Eine überaus glückliche Liv stand mir gegenüber. Ein breites Grinsen hatte sich auf ihre Lippen gestohlen. Zusammen standen wir neben dem Ring, in der Umgebung etliche Lagerfeuer.
Das Gesicht der Läuferin erschien orange und wie immer funkelten ihre Augen frech. Liv war ein hübsches Mädchen. Sie hatte katzenähnlich-geformte Augen, eine normale Nase und geschwungene Lippen. Ihre Haut war gebräunt und immer trug sie ein Tanktop, das ihre muskulösen Oberarme freigab.
Man erkannte sofort, dass sie schon lange auf der Lichtung lebte. Für mich war sie perfekt an die Lichter-Gemeinschaft angepasst, doch im nächsten Atemzug erinnerte ich mich, dass sie mir eine Frage gestellt hatte.
"Eigentlich ganz gut", sprach ich über den Lärm hinweg. Ich sah hinauf in Livs Augen, die über meinen schwebten. Sie war ein großes Mädchen, ungefähr so groß wie Minho und Newt.
"Das will ich ja 'mal hoffen. Komm, lass uns zu den anderen gehen", erklärte sie mir, während sie zum Ring nickte, "Lassen wir die Jungs sich gegenseitig in die Fresse schlagen. Ich mein', ich hätte nichts dagegen, mich auch einmal in den Ring zu schmeißen, aber ich will von Gally nicht angefasst werden."
"Hast du schon 'mal gegen ihn gekämpft?", fragte ich, während ich ihr folgte.
"Ja, aber ich hab' verloren. Schau' ihn dir 'mal an, ha! Klar, ich hab' Muskeln und gegen andere Lichter zu kämpfen, ist es lustig, aber es hat sich so ergeben, dass jeder gegen Gally antreten will. Also ja, man muss sich seine Stärken und Schwächen eingestehen, aber das heißt nicht, dass ich mich nicht verteidigen kann", Liv drehte sich zu mir um. Sie spannte ihre Oberarme an. Muskeln waren zu sehen, wenn auch nur so große, wie es ihre Statur zuließ.
Mit einem Blick zu ihren Oberarmen, dann zu mir, sprach sie: "Einige sind mit Muskeln gesegnet, andere mit 'was anderem, wenn du verstehst, was ich meine."
Ihr neckisches Nicken in Richtung meiner Oberweite entging mir natürlich nicht, weswegen ich sie komisch ansah. Die Läuferin lachte los, schlug mir gegen meine Schultern und meinte: "Ha! War nur ein Witz, aber es ist Wahrheit in meinen Worten zu finden. Ich will damit nicht sagen, dass du nicht fit aussiehst. Ich mein', du bist schlank, aber definierte Oberarme würden dir nicht schaden. Deine Oberschenkel sehen aber stark aus. Denkst du, du könntest eine Wassermelone zerdrücken?"
"Nein?!", rief ich erschrocken aus, blickte auf meine Oberschenkel, die meiner Meinung nach normal aussahen. Klar, sie wirkten stärker als meine Oberarme, wobei ich erwähnen musste, dass ich deswegen nicht schwach war.
"War ja nur eine Frage", beschwichtigte Liv mich, "Stärke ist bloß das neue sexy, musst du wissen."

Aha...

Nach ihren Worten setzte sich Liv wieder in Bewegung. Wenige Sekunden später war sie in der Dunkelheit verschwunden und quetschte sich durch die zahlreichen Lichter hindurch. Ich hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen, aber da ich mir vorstellen konnte, wo sie hinging, hatte ich kein Problem, den Weg allein zu finden. Etwas abseits erblickte ich ihren schwarzen Schopf und sie drosselte ihr Tempo, bis wir nebeneinander gingen.
"Fühlst du diese Leichtigkeit?", fragte sie mich ausgelassen und sah mich beglückt von der Seite her an.
"Leichtigkeit?", wiederholte ich durch und durch verwirrt.
"Na ja", sie legte mir einen Arm freundschaftlich um die Schulter und zog mich näher an sich, "Ich meine, da du ja jetzt nur noch Rosaly bist, bekommst du jetzt weniger Aufmerksamkeit. Nun muss der neue Frischling dran glauben, ha!"
Ihre Augen funkelten. Ich nickte nur, tat so, als ob ich den Sinn hinter ihren Worten verstanden hätte.
"Also war ich vorher nicht nur Rosaly?", ich zog fragend eine Braue nach oben.
"Nein, eben nicht! Hast du mir denn gar nicht zugehört?", Liv sah mich tadelnd an, "Du musst gar nicht so gucken, weißt du.", anschließend schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Es klatschte richtig doll und nachdem sie etliche enttäuschte Seufzer von sich gegeben hatte, sprach sie weiter: "Ich meine damit, dass du vorhin der Frischling warst. Jetzt hast du diese Zeit hinter dir, da ein neuer Grünschnabel angekommen ist."
"Gut, ich hab' verstanden", antwortete ich ihr schnell, bevor sie weiter quasselte und es kein Ende nehmen würde.
"Will ich schwer hoffen. Ach, da sind sie ja schon", erwiderte sie heiter gestimmt und vor uns kamen Minho und Newt in unser Blickfeld. Die beiden Jungs saßen an Baumstämme gelehnt. Minho blickte neugierig auf, als ihm Liv, wie eine Geisteskranke, zuwinkte. Er lächelte amüsiert. Liv beschleunigte ihr Tempo. Sie zog mich die letzten Meter mit sich und hüpfte wie ein kleines Kind auf und ab.
"Ich hab' sie gefunden!", verkündete die Schwarzhaarige stolz, präsentierte mich, wie eine gewonnene Trophäe, "Und jetzt macht Platz. Ich möchte in der Mitte sitzen", sprach sie fort und die ganze Situation wurde immer verrückter. Okay, Liv wurde immer verrückter.
Das Mädchen mit den schwarzen, kinnlangen, glatten Haaren quetschte sich zwischen Minho und Newt, welche das alles übrigens einfach so hinnahmen, da sie Liv kannten. Jedoch, da Liv mich immer noch mitzerrte, musste ich mich mit ihr zwischen die beiden Jungs quetschen. Ich saß folglich an Newt und Liv gedrückt am Boden.

Zwei Monate und ein gefühlter Augenblick | Newt Ff / Teil 1 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt