Kapitel 7- wie früher

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Meine Tränen verschleiern meine Sicht als ich aus dem Haus laufe.

Völlig verheult und erschöpft komme ich zu Hause an. Mein Grandpa steht auf der Veranda und fragt sogleich was los ist. Anscheinend ist mein Zustand nicht zu übersehen. "Ich.. nichts, halb so schlimm Grandpa.", versuche ich ihn zu besänftigen. Er lässt mir das allerdings nicht durchgehen, die Sorge steht ihm ins Gesicht geschrieben. "Melody, du sagst mir jetzt sofort was los ist. Du ziehst dich nicht wieder zurück." Seine Stimme erklingt in liebevoller Strenge. Ich weiß, dass bei meinem Verhalten seine Alarmglocken anspringen. Nur der Gedanke daran über das Geschehene zu sprechen treibt mir die Tränen in die Augen. Ich werfe mich in seine Arme und lasse alles raus, jetzt gerade kann ich nicht reden. Ich möchte einfach nur gehalten werden. Genau das scheint mein Grandpa wortlos zu verstehen, denn er schließt seine Arme um mich und streicht mir beruhigend über den Rücken. Nach einer Weile fange ich tatsächlich an mich langsam zu beruhigen. Grandpa führt mich in die Hütte auf die Couch. "So, jetzt erzähl mal dem alten Mann, was passiert ist."

"Ach, ich hatte einen Streit mit JJ, nichts dramatisches..." Sein Blick wechselt zu nachdenklich und besorgt. "Mit JJ? Ihr habt euch doch noch nie richtig gestritten, zumindest nicht so", antwortet er verblüfft. "Ich weiß auch nicht, es war eigentlich kein richtiger Streit... Er hat mich eine Kook genannt.. und sagte, dass ich wahrscheinlich einfach den Kookurlaub meines Lebens hatte in dem Jahr mit meiner ach so tollen Familie." Und wieder rinnen mir Tränen über's Gesicht. Wenn er doch nur wüsste was ich wirklich das Jahr über getan habe. Mein Grandpa scheint zu überlegen. Abzuwägen was er antworten soll. Schließlich beginnt er zu sprechen: "Mel, dass was er gesagt hat ist nicht ok. Ich weiß, dass es dich verletzt. Aber hättest du ihm die Wahrheit erzählt, müsste er sich keine eigene ausmalen." In mir steigt die Wut, wie kann er sich auf Jays Seite stellen, nachdem was er gesagt hat? Steht denn keiner auf meiner Seite? "Jetzt weiß ich ja, wie er über mich denkt. Da ist es doch völlig egal. Da braucht er die Wahrheit auch nicht kennen.", schreie ich völlig außer mir. Ich weiß, dass ich gerade den Falschen angehe. Doch es wächst mir alles über den Kopf. Bevor ich mich in meinem Zimmer einschließe rufe ich Grandpa noch eine Entschuldigung zu. Ich weiß, er ist mir nicht böse. Aber es tut mir wirklich leid, dass er darunter leiden muss.

Während ich versuche einzuschlafen hallen JJ's Worte in meinem Kopf nach. Immer und immer wieder. All meine Gedanken brechen über mich ein wie eine Welle. Ich fühle mich verloren. Es fühlt sich an, als hätte ich meinen besten Freund endgültig verloren. Und warum das alles? Weil ich den Schritt gegangen bin.. Vielleicht hätte ich es lassen sollen. Länger durchhalten sollen. Dann hätte ich nie gehen müssen. Es wäre nie zu so einer Kluft gekommen zwischen den Pogues und mir. Wir waren immer eine Einheit. Ich vermisse die Zeit in der alles einfach war. Wo es nur mich und die Jungs gab. Gespräche bis tief in die Nacht, Übernachten im Chateau, Surfen, Ausflüge mit der Twinkie. Die guten Zeiten.
Die nächsten Tage verbringe ich fast ausschließlich in meinem Zimmer. Aus Angst ich könne draußen den Pogues begegnen. In diesem Moment könnte ich es nicht ertragen, denn dann würde ich zusammenbrechen. "Mel, Melody!", höre ich Grandpa plötzlich rufen. Seine Stimme klingt so ernst und aufgeregt, dass ich nicht eine Sekunde überlege und zu ihm gehe. "Ich dachte, dass solltest du sehen...", sagt er und zeigt auf den TV. "Eilmeldung: John Routledge gilt als vermisst." Der Schock sitzt sofort tief. JohnB's Dad... Der Mann, der für mich immer mehr Vater war, als mein eigener. Der Mann, der mir Fahrrad fahren und angeln beigebracht hat, weil meine Eltern wieder mal kein Interesse hatten. Der mich aufgefangen hat, als meine Granny starb. Das kann doch nicht sein. "Nein.. nein das kann nicht sein", beginne ich zu stottern. Die ersten Tränen beginnen auf zu steigen, doch dafür ist jetzt keine Zeit. "Ich.. ich muss noch mal weg, Grandpa.", rufe ich ihm noch schnell zu während ich schon aus der Tür laufe. Vergessen ist auf einmal meine Angst den Jungs zu begegnen. Ich kann mir nicht ansatzweise vorstellen, wie JohnB sich fühlt. Aber eins weiß ich, ich muss ihm zeigen, dass ich für ihn da bin. Grandpa kann sich denken, wo ich hin will, denn er winkt mir nur zum Abschied zu.

Ich renne den Weg zum Chateau so schnell, wie noch nie. Völlig außer Atmen erreiche ich das Schloss, wie JohnB es getauft hat. Ich klopfe, doch keiner reagiert. Ich rufe nach John. Wieder keine Reaktion. "Fuck", schreie ich meinen Frust raus während ich gegen die Tür schlage. Ich kann jetzt nicht gehen. Ich muss wissen wie es John geht. Und wenn ich ihn nur eine Minute sehe, ich muss einfach wissen, dass es ihm gut geht. Ich beschließe mich an den Steg zu setzen, vielleicht ist er ja mit der Pogue unterwegs. Ich laufe wie auf Autopilot um das Schloss herum und betrete den Steg. Eine dunkle Gestalt sitzt ganz vorne. "JohnB", mache ich auf mich aufmerksam. "Bitte, ich weiß du bist sauer. Ich... Ich wollte nur nach dir sehen. Ich habe das mit deinem Dad gehört, es tut mir leid. Wirklich. Ich weiß, wie viel er dir bedeutet.", spreche ich mit Tränen in den Augen. Der braunhaarige klopft mit der Hand neben sich. Ich setze mich zu ihm und lasse meine Beine ins Wasser baumeln. "Wie geht's dir?", durchbreche ich die entstandene Stille. "Ich versteh's nicht... Wer geht denn heut zu Tage noch auf dem Wasser verloren? Da stimmt doch was nicht. Mel, du kennst ihn... Das ist doch nicht mein Dad." Stumm nicke ich, denn er hat Recht. BigJohn ist niemand, der auf dem Meer verloren geht. Jeder, wirklich jeder, aber nicht er. "Wir hatten einen Streit, bevor er gegangen ist...", murmelt er. "Oh John, es tut mir leid.", flüstere ich während ich meinen Arm um ihn lege. Nervös keimt in mir die Angst auf, dass er mich zurückweist. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Er zieht mich in seine Arme und klammert sich an mir fest als wäre ich der Anker der ihn vor dem Ertrinken rettet. Ich glaube, er weiß garnicht was diese Geste für mich bedeutet. Es ist der Moment, in dem ich mich das erste Mal wieder zu Hause fühle. Ich weiß, dass noch eine Menge zwischen uns ungesagt ist, aber das ist jetzt egal. In diesem Moment gibt es nur ihn und mich. Wie früher. Wie wir uns Kraft geben gegenseitig. John war schon immer wie der Bruder, den ich nie hatte. Der erste zu dem ich gegangen bin, wenn es mir schlecht ging. Der mich verstanden hat, auch ohne Worte. Nach einer Weile löst er sich von mir. "Danke Mel." "Nicht dafür, dass weißt du. Gib' mir mal dein Handy." Verwirrt schaut er mich an, aber gibt es mir schlussendlich. Ich nehme es und tippe schnell etwas ein. "Meine Nummer, schreib oder ruf an, wenn du reden willst. Egal wie spät es ist." Überfordert nickt er mir zu. Ich bin bereits am gehen, als er mit hinterher ruft: "Kannst du morgen wieder vorbei kommen?" Lächelnd nicke ich. "Jederzeit!"

only a Sunset apart || JJ Maybank Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt