Ich hab's lang vorher angekündigt, ihr wisst Bescheid. Heute kommt ein Märchen, das keine Reaktion von mir ist, im Gegenteil, ich biete euch die Möglichkeit auf ein von mir verfasstes Märchen zu reagieren. Also schreibt gern fleißig Kommentare, oder zieht euch zurück und macht es euch einfach gemütlich :)
CN an dieser Stelle: Ich habe so getan, als sei ich ein Autor aus dem 19. Jahrhundert. Das Märchen spielt im 13. Jahrhundert.
Diese Geschichte spiegelt nicht meine Gesinnung und vertritt nicht meine Meinung. Ich möchte mich nicht von dem Werk distanzieren, aber definitiv von Stellen, die ich als Person nicht so sehe bzw. die verachtend anderen Personen gegenüber sind; das sehe ich nicht so, ich habe nur einen Autor gespielt, der in einer Zeit lebte, die andere Ansichten hatte. Schlechtere.
Hoffe das ist verständlich, bitte fühlt euch davon nicht beleidigt.Jetzt aber los. Viel Spaß. :)
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Der Winter hatte uns stark zugesetzt und es war einer der kältesten, die ich bis dato erlebt hatte. Der Wind zog eisig und unbarmherzig durch die Straßen, rüttelte an den Schindeln und raffte zwei meiner Rinder dahin. Wenn er des nachts heulte, meinte man der Engel wäre gekommen zu richten und so wurde die Nacht zum Tage und der Tag wiederum zur Dunkelheit.
Uns ereilten Berichte aus dem Norden, in welchen von Wassern die Rede war, die Inseln verschlucken konnten, Flutwellen so hoch wie Häuser, Nässe, die unvermittelt aus dem Boden emporstieg, umrahmt von stillem Nebel. Derselbe Nebel in dem Menschen verschwanden und man sich erzählte, Geister würden darin hausen. Schauergeschichten, die uns trotz der beklemmenden Neuigkeiten zuversichtlich stimmten. Uns ging es vergleichsweise gut und das Wasser würde nicht zu uns kommen, aufgrund unserer gelegenen Lage; denn unser Dorf war erbaut auf einer Hochebene und die Tannen, die uns von drei der vier Seiten umgaben sogen jeden Tropfen gierig auf.
So verging die Zeit also, die Gänseblümchen begannen ihre Hälse wieder zu strecken und die Schneeglöckchen ihre Kronen zu richten. Eines Tages bekamen wir Besuch, nur wenige Monde nach der Kälte, die wir überstanden hatten; er kam von den Marschen den Ochsenweg herabgewandert. Mein Dorf war schon immer ein wenig abseits gelegen, die nächste Stadt erreichte man nur strammen Schrittes und zusätzlich, wenn es einem gelang noch vor der Sonne die Augen aufzuschlagen. Nur selten verirrte sich jemand hierher und wenn doch, dann blieb er nicht viele Tage. Die einzige Straße die hineinführte, führte auch auf der anderen Seite wieder hinaus und auf eben jener kam der Fremde in großen, geraden Schritten entlang.
Sein Mantel war ganz in schwarz und die Abenddämmerung verlieh ihm einen Schatten, der ihm bis zum Kirchplatz vorrauseilte, gleich einem Kundschafter der das Eintreffen einer wichtigen Person verkündete. Als meine von der Arbeit stumpfen Augen ihn erblickten, überkam mich ein Kribbeln in der Haut und ich vermochte nicht zu sagen, welcher Natur es war. Er schritt durch das Dorf mit einer Bedachtheit, als überlege er es zu kaufen und uns wurde unaussprechlich bewusst, dass er länger bleiben würde. Sofort trieb mich die Frage um, wer dieser mysteriöse Mann sein konnte und ich eilte noch am selben Abend zu Nachbar-Bene.
Dieser war keineswegs mein Nachbar, sondern Vorsteher des örtlichen Cafes und Vater von acht Kindern, doch wurde er von allen freundlich so genannt und noch bevor die ersten Strahlen der Sonne das Dach des Kirchtums leckten, wusste das gesamte Dorf, eingeschlossen der Vögel auf den Dächern und Spinnen in den Ecken, dass wir einen Gast zulande hatten; seine Frau nämlich war sehr redselig. Von Schwester Elise, welche sonntags bei der Messe half, erfuhr ich, dass letzterer eingekehrt war im blauen Hirsch und Gherolt der mir auf dem Felde die Hand reichte verlautete, dass er mit dem Fremden zu reden gesinne.
Alles ging gewohnter Arbeit nach und zugleich war alles anders. Als es Abend wurde und das Feuer im Ofen ausschlug, sinnierte ich vor dem Fenster, durch das wir oft die Post entgegennahmen und meine Frau zu tratschen pflegte. Dort hatte es den Anschein, als würden sie die eng gebauten Häuser zu mir herunterbeugen und mir etwas zuraunen wollen; das lag nicht unbedingt an dem Fremden, sondern mehr an der Tatsache, dass ich gerne meine Zeit dort verbrachte und die Häuser mir sehr vertraut waren. Das Feuer wärmte meinen Rücken und das warme Bier meine Seele. In der Traufe vor dem Hause fielen in kurzen Abständen dunkle Tropfen; still und heimlich begann der Himmel zu weinen.
Als ich also dort stand und grübelte, kam es vor, dass ich eben jenen Fremden durch die Straßen gehen sah, den Kopf trotz der Dämmerung unter einer breiten Krempe verborgen. Höflich klopfte er an die Tür der Bäckerfamilie, wartete bis ihm geöffnet wurde, verneigte sich und trat über die Schwelle. Jeder seiner Schritte schien bedächtig gesetzt, jedes seiner Worte weise gewählt und jede seiner Gedanken im Nebel unsichtbar verborgen. Was mochte er dort suchen?, fragte ich mich, denn die Bäckersfamilie war weder reich, noch gehörte sie zum Adel der nächsten Stadt, noch hatte sie brisante Informationen, noch bot sie Herberge. Im Gegenteil, das Fachwerk knarzte bei jedem Wind, das Kreuz über der Tür blätterte, die Decke war niedrig gesetzt und für die fünf zu ernährenden Kinder, die alle noch nicht flügge geworden waren, reichte der Platz kaum aus.
„Eile und hilf mir", sprach da meine Frau und so verließ ich das Fenster, gezwungen meinen Grübeleien ein Ende zu bereiten. Die folgende Nacht aber schlief ich schlecht, geplagt von bösen Träumen in welchen dunkle Gestalten im Walde nach mir suchten, und trotz der Finger des Propheten auf dem Kirchplatz ausgestreckt der aufgehenden Sonne entgegenzeigte, konnte ich den Anbeginn des Tages kaum erwarten. Als der Hahn im Stall nun also blechern krähte, war ich der erste, der dem Bett und dem warmen Körper meiner Frau entfloh und mich für die Morgenmesse kleidete.
Neugierde sollte mir zeigen, ob auch diese Nacht der Fremde wieder umgehen würde. Und siehe an, es geschah' wie angenommen; sobald das güldene Licht nicht mehr durch die Fensterläden und in die Gassen fiel, sobald ein jeder von der Abendmesse heimgekehrt war, da öffnete sich die Tür des Gasthauses und ein jener, großer Mann trat aus; wieder war er gekleidet in seinem dunklen Mantel. Mit schnellem Schritt, aber niemals gehetzt ging er die Straße entlang und klopfte an das Haus meines guten Freundes Tilemann, welcher ihm sofort selbstredend Einlass gewährte.
Fortan beobachtete ich ihn jede Nacht, denn der Wissensdurst war zum unerträglichen gestiegen und mein Herz verlangte zu wissen, was dieser Mann so sehr begehrte. Jede Nacht ging der Fremde nun also zu einem Haus, klopfte an, wurde eingelassen und wie die Zeit voranschritt, waren es in einer Nacht mehr und mehr Türen die er heimsuchte. Erst Rötcher vom Wegesrand, dann Hinrik, dann die Familien Edeler -der Name ist wohl irreführend, sie waren nicht edler Geburt, sondern hatten ihn vererbt bekommen- Bode und Ghesmer, er besuchte Aschwin den Grauen, Luders Haus als er gerade in der Kneipe war, aber seine Frau gewährte ihm Einlass, den schnellen Werner und den langsamen Werner, er besuchte selbst den Pastor Diderk.
Als er eines Nachts bei mir klopfte waren gerade sieben Tage und sieben Nächte vergangen seit seiner Ankunft und ich öffnete schon fast freudig, voller Erwartung die Tür aus weißer Tanne. Endlich könnte ich ihm meine Fragen stellen, endlich würde ich Antworten erhalten; nun würde es endlich so weit sein und ich würde mehr über ihn lernen können.
Das Licht an der Tür war nur spärlich und so bat ich ihn hastig herein. Oh, welch Schreck entfuhr mir, hätte ich es doch bloß gelassen! Nicht nur sein Mantel, nein seine ganze Tracht war schwarz, allein silberne Knöpfe und eine scharlachrote Maske, die sein Gesicht verbarg und von Nase, über den Mund bis zum Kinn mit einem Riss versehrt war, boten den Unterschied. Ich sah in die toten Löcher, vergeblich auf der Suche nach Augäpfeln und das Blut das dort emporstieg floss über und rann sein Kinn hinab. An den Händen befanden sich weiße Tücher, die ich nur vom Friedhof kannte und seine Lippen bewegten sich, doch die Worte wurden verschlugen von der Luft die zwischen uns bebte; kein Laut drang zu mir durch. Ebenso wenig wie sein Mantel knatterte oder seine Schuhe auf dem Holz pochten.
Da ging er um den gedeckten Tisch, hob mit zwei seiner Finger die Maske an und als mein Kind mit unschuldigem Blicke zu ihm emporsah, entschebte es mir. Ich flehte, er möge das Haus verlassen, er aber schritt zu meinem zweiten Sohn, dem älteren, stach ihm dem zweiten Finger seiner rechten Hand in die Lunge bis selbst das letzte Glied darin verschwand und mein Kind Blut hustete. Da warf ich mich mit gefalteten Händen vor ihn, schwor ihm mein Leben an, wenn er nur das meiner geliebten Frau verschonen würde, doch hauchte er ihr nur einen eisigen Luftkuss zu, dass sie mir augenblicklich daran erstickte.
Als ich all dies sah, da packte mich die Furcht. In Windeseile nahm ich meine Beine in die Hand und rannte, bis mich kurz vor dem Ende der Welt meine Kräfte verließen. Nichts nahm ich mit, bis auf mein trauerndes, schlagendes Herz. Auf einem Felde flehte ich zu meinem Gott, doch wann immer die Nacht von dortan hereinbrach sah ich einen Schatten, größer als alle anderen mit einer breiten Krempe und wäre es nicht nur ein Schatten gewesen, so hätte er auch die scharlachrote Maske des roten Todes getragen.
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Märchen sind verstörend!
HumorKindergeschichten? Pustekuchen! Mord, Entführungen, Kannibalismus und Bruch von sehr vielen relevanten Gesetzen. Das werfe ich diesen Geschichten vor und es wird Zeit, dass es mal jemand anspricht. In dem Buch reagiere ich auf Märchen, die ich frü...