Die letzten Stunden vor der Abreise

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Ein wenig traurig ließ Sirius seine Finger über die hölzerne Kommode gleiten, welche mit einer dünnen Schicht aus Staub überzogen war.

Es war Sonntag. Der Tag vor der großen Abreise.

Dieses seltsame Gefühl der Leere hatte er zwar bereits öfters in seinem Leben verspürt, doch so wie an diesem Tag war sie tatsächlich noch nie aufgetreten.

Sirius würde das Haus, die Umgebung, das Meer, die Schafe und das Dorf tatsächlich unfassbar stark vermissen.

In den letzten Tagen war ihm dies gar nicht mal so stark bewusst gewesen, doch nun traf es ihn wie eine Eisenbahn, die mit voller Geschwindigkeit über seinen Körper rollte und ihm dabei jeden einzelnen Knochen brach.

,,Hast du alles?"

,,Noch nicht. Ich weiß auch gar nicht, ob ich überhaupt alles mitnehmen möchte", meinte Sirius, während er sich langsam zu Regulus umdrehte, der nachdenklich wirkend auf dem Bett seines großen Bruders saß.

,,War das nur auf die Möbel oder auch auf andere Sachen wie Klamotten bezogen?", fragte dieser ein wenig ratlos.

,,Ich glaube, dass ich einen Großteil der Klamotten sowie auch Dinge wie Dekoration oder sowas hier lassen werde. In dem neuen alten Haus werden sie wahrscheinlich keinen Platz finden."

,,Das... Das ist traurig."

,,Aber auch besser so. Ich will nicht, dass sie dort in irgendwelchen Ecken verstauben, so wie sie es hier tun. Dieses Haus hier strahlt wenigstens Freundlichkeit aus, aber das in London ist einfach nur traurig und-"

,,- farb-, sowie trostlos?"

,,Ja. Sowohl farb- als auch trostlos."

Langsam legte Regulus seinen Kopf auf Sirius' Schulter ab.

,,Was ist los, Regulus?"

,,Nichts."

,,So verhältst du dich aber nicht bei nichts."

Sanft legte Sirius seinen Arm um den Körper seines kleinen Bruders.

,,Du kannst es mir ruhig erzählen, wenn du jemanden zum Zuhören brauchst."

,,Nein, ich... danke, aber nein."

Mit einem leicht gezwungen wirkenden Lächeln schaute Regulus Sirius an.

,,Okay. Merk dir aber, dass ich für dich da bin", meinte dieser und stupste ihn leicht mit seinem Kopf an.

,,Werde ich, danke."

,,Sag das bitte nicht nur so, sondern versuch es wirklich in deinem Kopf zu behalten, okay?"

,,Ja, Dad, werde ich."

Kurz nachdem er die Worte ausgesprochen hatte, verschwand das belustigte Grinsen auf Regulus' Gesicht langsam wieder.

Es war zwar nur eine harmlose und lustig gemeinte Bezeichnung gewesen, doch für die beiden schien sie doch eine deutlich größere Bedeutung zu haben, als sie es ursprünglich gedacht, geschweige denn überhaupt vermuten hätten können.

,,Ich sollte mich jetzt vielleicht auch mal ans Packen machen. Bis dann."

Fast schon fluchtartig verließ der Jüngere der beiden den Platz und trat schnell auf die Zimmertür zu.

Nachdenklich schaute Sirius ihm hinterher.

Dieses ganze verdammte Familienthema belastete sie alle unfassbar.

Sie alle, bis auf Orion. Er schien bereits zufrieden zu sein, wenn er mindestens einen Sohn hatte, den er seinen Freunden und wem noch alles vor Augen führen und so zeigen konnte, was für ein toller und gekonnter Vater er doch war.

Leise seufzend ließ sich der Schwarzhaarige auf sein Bett fallen.

Dieses Zimmer war in den letzten Monaten nicht nur ein Rückzugsort für ihn gewesen, sondern hatte sich wirklich wie ein echtes Zuhause angefühlt, in welchem er sich tatsächlich wohl gefühlt hatte.

Etwas, was nur von der kleinen Hütte übertroffen werden konnte, in der sein liebevoller Gärtner und Schafwächter lebte.

Beziehungsweise gelebt hatte.

Vorsichtig rollte er sich so, dass er aus dem Fenster schauen konnte.

Der Wagen des Braunhaarigen war bereits mit verschiedenen Kisten beladen, die allesamt sorgfältig auf der Ladefläche angebracht waren.

Wie gerne Sirius jetzt einfach zu Remus hinunter gegangen wäre und ihn in die Arme geschlossen hätte.

Die beiden hatten sich gegenseitig zwar versprochen, einen gebürtigen Abschied an den Tag - oder besser gesagt die Nacht - zu legen und weiterhin in Kontakt zu bleiben, doch dennoch wurde das Herz des Schwarzhaarigen bei jedem Gedanken an die nahe Zukunft unfassbar schwer.

Dieses neue Leben hatte ihm unfassbar gut getan. Nun auf einmal alles wieder weggenommen zu bekommen war wie den Boden unter den Füßen schlagartig zu verlieren.

——

,,Sollen die wirklich hierbleiben?"

Verwundert schaute Sirius Walburga an, welche gerade damit beschäftigt war nachdenklich die Möbel aus dem Wohn- und Esszimmer zu betrachten.

,,Ja. Sie waren schon bei unserem Einzug da, also werden sie auch bei unserem Auszug hierbleiben."

Langsam drehte sie sich zu ihm um, bevor sie ergänzte: ,,Außerdem würden sie nicht in unser neues Haus passen. Geschweige denn, dass sie gut transportierbar sein würden."

Sirius nickte verstehend, während er sich gedankenverloren an den Tisch setzte.

,,Macht... Macht es dir nichts aus? Also die Entscheidung."

Für ein paar Sekunden schaute Walburga ihren Sohn einfach nur entgeistert an, bevor sie sich schließlich zu einer Antwort durchringen konnte.

,,Es ist nicht gut so etwas zu hinterfragen. Orion hat es entschieden, also müssen wir das akzeptieren. Er will nur das Beste für uns."

,,Mhm, natürlich."

,,Sirius!"

Zu der entsetzten Entgeisterung auf dem Gesicht der Hausherrin hatte sich nun ein wenig Zorn dazu gesellt.

,,Ja, ich bin mir sicher, dass er nur unser Bestes will."

Augenrollend stand der Schwarzhaarige wieder auf und schlug genervt den Weg zu seinem Zimmer ein.

,,Irgendwann wirst du es sehen."

,,Werde ich was sehen?"

,,Die Mühen, die dein Vater für dich und Regulus aufbringt."

Ein belustigtes Keuchen verließ Sirius' Kehle.

,,Entschuldigung, was für Mühen?"

,,Du bist wirklich undankbar."

,,Ich?! Ich bin es, der undankbar ist?!"

Entsetzt fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare und legte den Kopf in den Nacken.

,,Er versucht wirklich ein gutes-"

,,Weißt du was? Ich gebe es zu. Ich bin unfassbar undankbar. Undankbar dafür, dass ich mich nie für die Lektionen bedankt habe, undankbar dafür, dass ich einfach meinen eigenen Weg gehen will und undankbar dafür, dass ich einfach ein menschliches Individuum bin, das sich euren Verhältnissen nicht anpassen möchte, geschweige denn kann! Es tut mir wirklich leid, so ein undankbarer und nutzloser Sohn zu sein!"

Wütend stürmte Sirius davon.

Er hatte die sich langsam ändernden Emotionen auf dem Gesicht seiner Mutter nicht wirklich deuten können, doch diese waren ihm in diesem Moment ziemlich egal.

Die beiden würden ihre Beziehung zueinander eh nie wirklich bessern können und vor wirklichen Strafen von Walburgas Seite aus schien er sich auch nicht mehr wirklich fürchten zu müssen.

Ob es sich dabei einfach nur um Müdigkeit oder vielleicht doch sogar Mitleid, eventuell sogar Scham oder Reue handelte, konnte Sirius nicht genau sagen.

Er war einfach nur froh darüber wenigstens ein paar Emotionen in ihrer Stimme herausgehört und augenscheinlich nicht wieder mit dem altbekannten Wesen aus Stein gesprochen zu haben.

Barefoot on GrassWo Geschichten leben. Entdecke jetzt