Kapitel 20

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Archie und ich lernten weiterhin französisch. Wobei er mir heimlich beibrachte, wie ich ein Messer richtig zu führen hätte. Er machte sich grosse Sorgen um mein wohlergehen. Der Revolver konnte ich schon führen, da ich als Mädchen ein paar Mal auf der Jagd dabei war.

Unüblich, doch mein Vater konnte mir keinen Wunsch abschlagen. Ich konnte mit Gewehr und Revolver umgehen, wie ein Mann es konnte.

"Du darfst das behalten.", meinte Archie und schenkte mir sein Messer. Es war klein und praktisch und daher konnte ich es gut in meinem Strumpf verstecken. Ich bedankte mich bei ihm und las dann alleine in meinem Buch weiter. Ich las über das nähen von Wunden und wie es steril blieb. Ich hoffte dies zwar nie anwenden zu müssen, jedoch war es bestimmt hilfreich dies zu wissen. Schliesslich war ich unter Piraten, welche kämpften und sich oft verletzten.
Die Marine besass deshalb immer einen Schiffsarzt, doch Piraten waren da anders. Meistens kippten sie Rum über die Wunde oder wickelten einen dreckigen Stoff darum.

Rum war laut dem Buch zwar keine schlechte Idee, doch es müsste abgekocht werden. Ich wusste schon vieles über Heilkunde mit Kräutern, meine Mutter hatte dies bei ihren Reisen angewandt.

Wie gerne ich nun ihre Journale bei mir gehabt hätte.

"Ms. Brown, waren sie oft auf Bällen?", fragte mich Peter. Er war meistens freundlich, wobei er auch meistens betrunken war. Belustigt stimmte ich ihm zu. "Dann haben sie mit vielen Männern schon getanzt?", fragte er weiter. Ich wusste nicht was er damit bezwecken wollte, doch ich blieb ehrlich. "Ja, doch ich durfte erst vor drei Jahren auf die Tanzfläche."

Er runzelte die Stirn und lehnte sich gegen die Reling. "Eine Frau darf erst tanzen, wenn sie auf dem Heiratsmarkt ist. Vorher hatte ich manchmal mit meinem Vater getanzt, doch auch das selten.", erklärte ich ihm und lehnte mich neben ihn hin. Er roch stark nach Rum und Dreck, doch ich sah davon ab. Ich bemerkte auch, das Henry uns zuhörte. "Sie sind schon seit drei Jahren zum heiraten bereit und waren erst verlobt?", kam es etwas spottend von Peter.

Ich war überrascht das er von meiner Verlobung wusste. Henry erzählte hoffentlich nicht alles seiner Crew. "Hat es ihnen Henry erzählt?", fragte ich ihn trotzdem nach. Peter grunzte. Da drehte ich mich zu ihm und sah ihn mit ernstem Blick an.

Er zeigte mit einem Finger und sagte: "Ein Bonnet war es."

Woher wusste es Lyon Bonnet? Henry der uns belauscht hatte, war sichtlich verwirrt. Wir beide gingen sofort zu seinem Onkel, da stellte ich ihn zur Rede. Er hob abwehrend die Hände. "Nicht so hysterisch, Weib." Er sah mich nicht mal an, sondern redete zu Henry.

"Ich bin euch nach dem Prozess von ihr gefolgt. Da traf ich dieser Mr. Williams. Er hat sie gesucht und versuchte ihre Ehre zu verteidigen.", erklärte er Henry und sah dabei immer wieder mich abschätzig an. Mr. Williams suchte nach mir?

Nach all der Zeit?

Henry schickte seinen Onkel an die Arbeit und legte seine Hände auf meine Schultern. Ich zuckte zusammen, so vertieft war ich in meine Gedanken. "Das ändert doch nichts?", fragte er mich. Mir fiel es schwer zu atmen. Mein schlechtes Gewissen stahl mir die Luft. "Ich brauche kurz frische Luft.", stotterte ich und lief von Henry weg. Schweratmend lehnte ich gegen die Reling und legte meine Stirn an das Holz.

Der Brief. Er hatte ihn womöglich erhalten und war festentschlossen mich zu retten. Schliesslich schrieb ich, dass ich auch noch seine Ehefrau werden möchte. Wollte ich das überhaupt noch?

"Faith?", kam es von Henry. Er klang nicht glücklich. Besorgt traf es wohl eher. Er legte seine Hand auf meinen Rücken. Ich wendete mich ihm zu. "Ich dachte nicht, das er nach so langer Zeit noch nach mir suchen würde Henry.", gestand ich. Er nickte. "Ich muss dir noch etwas gestehen.", meinte ich. Sein Blick wurde sofort ernster.

"Ich habe vor ein paar Monaten einen Brief in einer Flasche ins Meer geworfen. Er war an ihn adressiert."

Er sah mich weiterhin ernst an. Bevor er etwas sagte, zog er mich sanft mit sich in seine Koje. Dort lief er angestrengt hin und her. "Wann?", fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste selbst nicht mehr, wie lange ich auf diesem Schiff schon war. Ich wusste nur das es schon einige Monate waren. "Möchtest du zu ihm zurück, nachdem wir den Schatz haben?", fragte er mich und blieb abrupt stehen.

"Ich möchte zu meinem Vater, ich möchte frei sein.", sagte ich die Wahrheit. Mr. Williams war nicht mehr in meinen Wünschen.

Er nickte nur, raufte sich die Haare und setzte sich auf den Stuhl. "Ich bringe dich zurück, sobald wir den Schatz haben. Dafür gebe ich dir mein Wort."

Das hätte ich nicht erwartet. Ich musste lächeln. Ich lief auf ihn zu, wollte ihm nahe sein. Doch er hielt mich auf. "Doch das mit uns hat nun ein Ende. Ich schlafe ab nun bei der Crew.", fügte er hinzu.

"Henry?", flüsterte ich seinen Namen. Es schmerzte von ihm abgewiesen zu werden. Nachdem wir uns so nahe waren.

So lag ich auch am Abend alleine im Bett, starrte zum Kamin und wünschte nicht so alleine zu sein. Stumme Tränen flossen das ein oder andere Mal über meine Wange.

Ich war zwar seit langem nicht mehr frei, doch in den letzten Tagen ging es mir gut. Ich glaubte zwar nicht an den Schatz und das ich der Schlüssel bin, doch ich liess es über mich ergehen. Diese Männer lebten genau für sowas. Ich hatte auch durch Archie verstanden, wieso man Pirat wurde.

Schon immer besass ich Mitgefühl und war stets freundlich. So wurde es mir beigebracht und so tat ich es auch bei diesen Männern. Auch wenn sie kriminelle waren. Doch Archie hatte, wie ein paar andere, ein gutes Herz. Würde man ihn in einem Dorf kennenlernen, da würde man ihn keineswegs als krimineller sehen.

Müde legte ich mich auf die Seite und hielt das Messer bereits in der Hand. Ohne Henry fühlte ich mich nicht mehr sicher hier auf dem Schiff.

Das Geheimnis der drei KönigeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt