Hendrik
Ich habe mich schon aus Davids und Marinas Haus geschlichen, als es noch nicht einmal richtig hell war und mir ein Taxi kommen lassen. Ich wollte einfach nicht riskieren, dass Marina mich stockbesoffen auf ihrem Sofa sehen muss. Dieses Wiedersehen wäre einfach nur peinlich geworden. Noch weniger sollten die Jungs mich erwischen, die mich nicht einmal persönlich kennen, sondern nur aus Erzählungen. Dieses erste richtige Kennenlernen mit den beiden sollte ich mir dann doch viel lieber für den Tag aufheben, wenn ich dort zum Essen eingeladen werde oder vielleicht mal zum Kaffee.
Jetzt gammele ich auf dem Doppelbett in meinem Elternhaus und starre an die Decke. Dort oben sehe ich nur nicht viel, weil ich die Vorhänge zugezogen habe. Der Spätsommer hat sich entschieden doch noch einmal so richtig an Fahrt aufzunehmen und normalerweise liebe ich die Sonne und die Wärme, aber heute überhaupt nicht. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ich gestern eine wilde Orgie gefeiert, dabei waren es nur ein paar Flaschen Bier, die ich mir reingekippt habe. Und die drei Shots danach, wie mir gerade in den Sinn kommt. Längst steht ein Glas Wasser mit einer aufgelösten Kopfschmerztablette auf der Nachtkonsole, das ich jetzt ergreife und in einem Zug leere. Ich bin so verpeilt, dass ich nicht einmal gecheckt habe, dass Marianna kurz hier war, um nach dem rechten zu schauen.
Das Pochen in meinem Schädel nimmt zu und erschöpft schließe ich die Augen.
Warum muss alles erst schlimmer werden, bevor es besser wird?
Fast genau wie mein Herz, das seit Stunden blutet und einfach nicht damit aufhören will. Durch die Zeit mit David habe ich für eine Weile vergessen können, aber jetzt, wo ich wieder alleine bin, drängen sich die Erinnerungen an Caroline nur so in meinen Verstand, um mich zu quälen. Dazu kommt noch die Traurigkeit, die ich wegen Tobias empfinde. Dieser Mann hat viele Fehler in seinem Leben gemacht, aber er war eigentlich immer für David da. Wir haben so viele Ausflüge in den Zoo oder in den Park unternommen oder einfach nur bei den beiden auf dem Sofa gelungert und zusammen Film geschaut. Etwas, das ich von keinem meiner beiden Elternteile behaupten kann.
Obwohl früher haben wir oft Mr. Bean zusammen angeschaut und uns vor lauter Lachen beinahe eingenässt. Früher... Bevor sich alles mit einem mal drastisch änderte.
Wahrscheinlich ist es feige, dass ich hier her, in mein Elternhaus, zurück gekrochen bin, nachdem ich Mallorca verlassen habe. Besser wäre es gewesen, mich in ein Hotel einzumieten. Einen großen Unterschied zu dieser Unterkunft hätte es nicht einmal gemacht. Aber die Sehnsucht drängte mich an diesen Ort und mit ihr die leise Hoffnung, dass meine Eltern sich für mich interessieren, wenn ich erst einmal hier bin.
Aber es hat ja doch wieder nichts gebracht. Papa ist nach wie vor eiskalt zu mir und Mama gibt sich Mühe, scheitert aber bei der Umsetzung, weil sie Papa nicht vor den Kopf stoßen will...
Meine Grübeleien helfen nicht unbedingt den Schmerz in meinem Kopf abebben zu lassen, weswegen ich die flache Hand über die Augen lege und in dieser Stellung verharre. Das beste ist, wenn ich jetzt ein bisschen schlafe. Der Kater muss weg, dann kann ich mich vielleicht mal mit Mama unterhalten. Es gibt so einige Dinge, die ich unbedingt mit ihr klären sollte.
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Mama ist gar nicht zuhause stelle ich fest, als ich drei Stunden später etwas fitter im Wohnzimmer stehe und einen kleinen Zettel von ihr auf dem Couchtisch vorfinde.
„Papa und ich sind zu einem wichtigen Geschäftsabendessen mit ein paar Investoren eingeladen. Warte nicht auf uns. Mit Sicherheit wird es spät werden. Etwas von dem Gulasch, das Marianna gestern gekocht hat, ist noch im Kühlschrank."
Wirklich Hunger habe ich nicht, weswegen ich mich gleich wieder zurück ins Dachgeschoss verziehe.
Eine WhatsApp von Caroline leuchtet auf meinem Handybildschirm auf. Missmutig greife ich nach dem Teil und öffne den Messenger.
„Dein Papa hat mir erlaubt, dass ich auch weiterhin in der Finka wohnen bleiben kann...
Vielleicht hast du dich ja wieder beruhigt und bist bereit einen Neuanfang mit mir zu wagen?
Ich und auch dein Vater, denken, dass du ein wenig übertrieben hast.
Die Situation mit Jens war ganz anders, als du denkst.
Bitte komm wieder nach Hause, Hendrik."
Das ist nicht wirklich Papas Ernst. Keine zehn Pferde würden mich jetzt dazu bringen, in ein Flugzeug zu steigen und zurück nach Mallorca zu fliegen, um dort ganz normal mit Caroline weiterzumachen, als wäre nie etwas passiert. Und scheinbar war die Sache mit „Jens", nicht nur einmalig, warum sonst sollte sie ihn schon mit Vornamen ansprechen.
Marina und David, die beiden sind ein Traumpaar. Immer gewesen. Ihre Liebe war schon immer wie ein Vorbild für mich, weil sie schon so viel miteinander erlebt haben und trotzdem noch eine Einheit bilden.
Warum konnte es mit Caroline nicht so weit kommen?
Sollte ich ihr vielleicht doch noch eine Chance geben, um den Schmerz in meinem Herzen zu heilen und die Bruchstücke wieder zusammenzufügen?
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In Your Eyes (Band 3)
RomanceHendrik ist sich sicher, dass er mit Caroline die Frau fürs Leben gefunden hat. Doch selbst im Paradies lauern Gefahren und schnell ist er die rosarote Brille wieder los. Trost sucht er bei seinem besten Freund David, der aber selbst genug mit eigen...